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Der militärische Widerstand

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Ich bin in einer Familie von Grundbesitzern und Offizieren der österreichisch-ungarischen Armee aufgewachsen. Mein Vater, Dr. András Fabry, war General und Richter, der oft nach Italien und in die Schweiz reiste. Er sprach zu Hause drei Sprachen: Deutsch, Französisch und Italienisch. Meine Mutter, Ilona Gombos, hatte in Deutschland Kunst studiert; sie waltete über unsere zentraleuropäische Lebensweise im Herzen von Budapest. Ich war ein Einzelkind und wurde in ein katholisches Internat geschickt, in dem französische Priester mir die moralischen und ethischen Werte des neunzehnten Jahrhunderts vermittelten. Mit diesen Werten im zwanzigsten Jahrhundert zu leben, war nicht einfach. Um zu überleben, musste ich später eine modernere Weltsicht entwickeln.

Ich selbst war Lutheraner, da die Familie meiner Mutter sich stark für diese Kirchenbewegung engagierte, wir hatten sogar einen lutherischen Bischof in der Familie. Ich wurde protestantisch erzogen und in eine katholische Schule gesteckt, in der es viele jüdische Kinder gab. Ich glaube, das hat mein Verständnis für andere Religionen, andere Weltanschauungen geschärft. Es hat mich offener gemacht – nicht zu einem engstirnigen Kind mit einer einzigen, monopolistischen religiösen Prägung. Ich war immer ein frei denkender, frei handelnder Mensch, tolerant gegenüber Herkunft und Glaubensvorstellungen anderer.

Ich war als Reserveoffizier und Kriegskorrespondent der ungarischen Armee in Russland, der Ukraine, Polen und am Don. Als mir bewusst wurde, dass der Krieg in einem Desaster enden würde – als schrecklicher Zusammenbruch der gesamten Zivilisation, in der ich gross geworden war –, kehrte ich nach Budapest zurück und wartete, dass ich einberufen würde. Dies geschah im März 1944, als Deutschland einmarschierte. In diesem historischen Augenblick spürte ich, dass es keine andere Wahl gab, als zu desertieren und in den Widerstand abzutauchen. Selbst die Familie des Reichsverwesers und einige der besten Generäle schlossen sich dem Widerstand an. Es war keine offiziell organisierte, eindeutige Bewegung wie in Frankreich; es war kein aktiver Widerstand wie in Polen. So weit kam es nie – fragen Sie mich nicht warum –, es ist zu komplex, aber es kam nicht dazu. Die Untergrundbewegung konnte still und geräuschlos agieren, mit falschen Dokumenten. An der Seite von vertrauenswürdigen Freunden konnten wir sichere Verstecke finden, um Verfolgte unterzubringen, ohne geschnappt zu werden.

Den Führern der ungarischen Armee und der pronazistischen ungarischen Regierung war nach der deutschen Besetzung im März 1944 nicht zu trauen. Damals haben sich alle, die an eine Zukunft ohne Deutschland glaubten, dem Untergrund angeschlossen oder sind weggegangen. Ich musste mir einen anderen Personalausweis, eine andere Uniform und für jeden Anlass die richtigen Dokumente besorgen. Wir mussten improvisieren, aber wir waren vorbereitet. Innerhalb von zwei Monaten hatten wir sämtliche Dokumente zusammen. Unsere Freunde stahlen Originaldokumente, um sie zu kopieren. Wir hatten auch eine Druckerei. Zum Glück kannte ich von früher einige Drucker, die in einem der grossen Budapester Verlagshäuser, dem Athenaeum, arbeiteten. Sie verfügten über moderne Druckeinrichtungen, in denen die von Lutz ausgestellten Papiere vervielfältigt werden konnten. Die Drucker waren alle gewerkschaftlich organisiert, sozialistisch oder kommunistisch orientiert, und sie kannten mich. Sie waren es, die uns geholfen haben. Auch Mitglieder der zionistischen Jugendbewegung stiessen zu uns. David Gur schickte uns – sehr clever – zwei wunderschöne Frauen, um Kopien der falschen Dokumente zu bekommen. Ich konnte nicht widerstehen.

Im Oktober 1944 übernahm ein ungebildeter Schurke, Ferenc Szálasi, über Nacht mit einer Bande von Pfeilkreuzlern die Macht. Sie waren die allerschlimmsten Faschisten. Da war selbst die Gestapo noch gnädiger, die logischer vorging als diese Truppen, die Szálasi mit den Pfeilkreuzlern aufbaute. Ihr Ziel war es, jeden noch verbliebenen Rest jüdischen Lebens auszulöschen. Das war der Moment, da es mit Ungarn als einer Nation, die ein Gewissen hatte, als einer Nation, die Gesetze und eine Geschichte hatte, vorbei war. Die Pfeilkreuzler übernahmen die Macht mit Hilfe von Gendarmerie-Militäreinheiten und den verbliebenen Militäreinheiten, die noch unter dem Kommando der Szálasi-Regierung standen. Ab dem 15. Oktober bestand das Leben in Ungarn einzig aus dem Terror der Pfeilkreuzler. Es war das Ende dieser Nation mit einer solch schönen Geschichte und einer solch freiheitlichen Gesinnung. Budapest war so lange Zeit einer der klassisch schönen Orte gewesen. Jetzt brach alles zusammen.

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