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«Operation Glashaus»

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Es gab zum Beispiel Leute vom Auswärtigen Amt, die Lutz besser kannten als ich. Sie waren meine Freunde. Ein ganz wunderbarer Mann, Zoltán Keresztes, arbeitete eng mit Lutz zusammen. Er war der Verbindungsmann zwischen unserer Gruppe und Raoul Wallenberg. Wir brachten Papiere zur zionistischen Jugendbewegung, damit sie sie in ihren Druckanlagen reproduzieren konnten. Dann gingen sie zurück zu Arthur Weiss oder Miklós Krausz, einem der wichtigsten Männer im Büro von Carl Lutz. Weiss und Krausz entschieden, wie die Papiere verteilt werden sollten. Irgendwann wurden sie wie eine Gratiszeitung verteilt. Es gab so viele gedruckte Dokumente, dass man nicht mehr zählen konnte, wie viele ausgegeben wurden, wie viele benutzt wurden oder wie viele Menschen keine bekommen hatten.

Wir waren etwa zwanzig Mann in unserer Einheit. Und es herrschte ein ständiges Kommen und Gehen. Einmal waren wir fünfzehn. Ein anderes Mal fünfundzwanzig. Mein Cousin, Dezsö Molnar, hatte den Rang eines Leutnants und trug eine ungarische Armeeuniform, er war der Kommandant der Einheit. Grösstenteils bestand die Einheit aus Leuten, die aus den verschiedenen Arbeitslagern geflohen waren, inzwischen mit falschen Uniformen, falschen Papieren und möglicherweise falschem Namen ausgestattet.

Ich betrat das Glashaus nur, um nachzusehen, ob das Essen ordnungsgemäss eingetroffen war. Ich hatte einen Fahrer, Zoltán Illy, der mit seiner Einheit einzig damit beschäftigt war, die deutschen Züge auszurauben, die Käse für die Armee lieferten. An Käse hat es also nicht gefehlt. Aber Armeekäse war schreckliches Zeug. Ein bisschen wie Zahnpasta. Jedenfalls lieferten wir dieses Zeug waggonweise, denn im Glashaus gab es nur sehr wenig zu essen. An guten Tagen hatten wir auch Gemüse und Obst, was eben gerade von den Bauern zu bekommen war. Es war schwierig, zu überleben, denn es gab dort 2000 Leute; zu einem bestimmten Zeitpunkt, sagen einige, befanden sich sogar bis zu 3000 Menschen im Glashaus. Ich glaube es nicht, aber möglich wäre es. Ich meine, es sah dort aus wie in einem heutigen Flüchtlingslager. Die Leute kamen und gingen zu Hunderten, um Dokumente zu bekommen. Hatten sie das Dokument, machten sie sich rasch davon, um irgendwo jemand anderen zu retten.

Die Leute im Glashaus wussten nicht, dass wir eine falsche Militäreinheit waren. Nur Arthur Weiss, Carl Lutz und das Erez-Israel-Büro wussten Bescheid. Auch Krausz wusste, dass wir eine Widerstandsgruppe waren; er wusste, dass wir nicht zur Pfeilkreuzler-Armee gehörten. Aber die Menschen drinnen, die kamen und gingen, wussten nicht, auf welcher Seite wir standen. Sie hatten keine Ahnung, aber das war Teil des Plans. Erstens hatten die Pfeilkreuzler überall Spione, ich bin mir ziemlich sicher, dass sie auch im Glashaus welche hatten. Woher konnten sie zum Beispiel wissen, dass Weiss dort war? Woher konnten sie wissen, wann sie kommen sollten, um zu plündern? Sie wussten, was vor sich ging und wo die Schutzhäuser waren. Und zu unserer Sicherheit und zur Sicherheit der ganzen Organisation – des ganzen Widerstandsnetzes – war es sehr wichtig, dass wir anonym blieben. Wir mussten die Leute im Glashaus im Glauben lassen, unsere Truppe sei da, um sie gefangen zu halten.

Niemand verstand, wie wir mit dieser List drei oder vier Monate lang durchhalten konnten. Und die Nazis griffen auch tatsächlich an, sie kamen. Ich erinnere mich an den 4. Dezember; um die zwanzig, dreissig Pfeilkreuzler rückten mit Maschinengewehren an. Sie töteten zwei der Wächter. Später, ich glaube, es war an Silvester, holten sie Arthur Weiss zu einer Untersuchung. Sie behaupteten, seine Papiere überprüfen zu müssen. Wir hatten Angst, sie könnten entdecken, dass unser Kommando eine Fälschung war, dass die Leute im Glashaus Geld hatten, dass dort Wertsachen versteckt waren. So schickte ich einen meiner Männer mit Weiss zum Verhör. Weiss verschwand. Es war eine Offenbarung für mich: Da war eine Person, der ich zu helfen versuchte, und ich habe es nicht geschafft, und wahrscheinlich hatte ich die falsche Entscheidung getroffen. Aber hätte ich Arthur Weiss nicht gehen lassen, hätten wir hundert Pfeilkreuzler dort gehabt, die der ganzen Sache ein Ende gesetzt hätten.

Wir waren nicht stark genug, um einem Angriff der Gendarmen und Pfeilkreuzlern mit ihren Waffen und Tanks standzuhalten. Arthur Weiss war das Opferlamm. Unser Blendwerk hat überlebt.

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