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3 Herausbildung und diachrone Entwicklung der Modalpartikeln im Französischen

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In einer an Meisnitzer (2012) anschließenden empirischen Korpusstudie konnten Meisnitzer/Wocker (2017) zeigen, dass quand même, bien und donc die einzigen Lexeme sind, welche bereits die oben genannten definitorischen Kriterien von Modalpartikeln erfüllen. Weitere Lexeme befinden sich zum Teil in mitten des Grammatikalisierungsprozesses, können aber noch nicht als vollwertige Modalpartikeln bezeichnet werden. Wie bereits einleitend festgestellt, existiert bisher keine Forschung zur Herausbildung der Modalpartikeln im Französischen – ganz im Gegensatz zum Deutschen, wo diese bereits sehr gut erforscht wurden (cf. u.a. Wegener 1998; Autenrieth 2002). Wie bei der Ermittlung der Modalpartikeln in der Synchronie (cf. Meisnitzer/Wocker 2017) soll auch die vorliegende diachrone Untersuchung und Überprüfung der Modalpartikeln im Französischen kontrastiv zu den prototypischen Beispielen im Deutschen erfolgen. Um diesem Desiderat gerecht zu werden, wird in der vorliegenden Studie anhand des FRANTEXT-Korpus1 der Verschiebungsprozess vom Ursprungslexem hin zur Modalpartikel beschrieben. Die Wahl des Korpus musste dabei mit einem erheblichen Kompromiss einhergehen, da kein Korpus existiert, welches gesprochene Sprache in ausreichendem Maße wiedergibt und gleichzeitig eine diachrone Betrachtung bis zurück in das 18. Jahrhundert ermöglicht. Die Größe sowie die Binnendifferenzierung des FRANTEXT-Korpus in verschiedene Textgattung erlauben es jedoch, der gesprochenen Sprache in begrenztem Maße „auf die Spur zu kommen“. Bei der Auswertung wurde in diesem Sinne eine Beschränkung auf Texte des Genres théatre vorgenommen, da dieses einen überdurchschnittlich hohen Grad an fingierter Mündlichkeit (im Sinne von Goetsch 1985) aufweist: Theaterstücke bedienen sich häufig prototypisch nähesprachlicher Elemente, um ein hohes Maß an Authentizität zu erreichen. Dennoch bleibt das Dilemma bestehen, dass zur diachronen Analyse lediglich geschriebene Sprache zur Verfügung steht.

Wegener (1998) fasst die Grammatikalisierung der deutschen Modalpartikeln in drei Hauptphasen zusammen:

 (1) Verlust an phonologischer Substanz,

 (2) Verlust an semantischer Substanz und

 (3) Verlust an syntaktischer Freiheit.

Dieses Ergebnis spiegelt dabei sowohl typische Parameter von Grammatikalisierungsprozessen im Sinne von Lehmann (2002) als auch die definitorischen Kriterien der Modalpartikeln, die in diesem Aufsatz bereits aufgezeigt wurden, wider. Der Verlust der phonologischen Substanz führt dazu, dass das Lexem, welches als Quelllexem durchaus betont sein kann (cf. Adverbien), nach seinem Wandel zur Modalpartikel nicht mehr betonbar ist. Dies gilt sowohl für die Quelllexeme der Modalpartikeln im Deutschen als auch im Französischen. Im Französischen zeichnete sich – wohl auch durch die syntaktische Verschiebung ausgelöst – dieselbe Tendenz wie im Deutschen ab. Während „j’ai dormi quand même“ eindeutig ein Adverb beinhaltet, welches durch den französischen Phrasenakzent betont ist, zeichnet sich die Modalpartikel in „j’ai quand même dormi“ durch Unbetontheit aus. Ob eine Verringerung der Silbenzahl des Lexems wie im Deutschen konstatiert werden kann (cf. Wegener 1998:39), kann in unserer Studie für das Französische nicht überprüft werden, da in den herangezogenen Korpora nur die schriftsprachliche Notation erfasst wird und die Reduktion der phonologischen Substanz gegebenenfalls noch keine Auswirkungen auf graphematischer Ebene hatte (anders als beim italienischen pur und ben; cf. Meisnitzer 2012:348–349).

Der Verlust an semantischer Substanz (cf. Wegener 1998:40), auch semantic bleaching genannt, ist hingegen auch nachträglich nachweisbar. Das Resultat dieses Verlustprozesses erlaubt die Weglassbarkeit der Modalpartikel und lässt die Verwendung in syntaktischen Kontexten zu, wo das Quelllexem undenkbar wäre, wie wir zeigen werden. So kann eine Modalpartikel im Gegensatz zum Adverb weggelassen werden, ohne dass der propositionale Wahrheitswertverändert werden würde. Eine solche Verschiebung muss im Lauf der Grammatikalisierung vollzogen werden, wobei fraglich ist, ob sich dies im Nachhinein anhand der Korpusbeispiele chronologisch korrekt einordnen lässt. Der Prozess des Verlustes der syntaktischen Mobilität (cf. Wegener 1998:41) ist ebenso in der Diachronie beobachtbar. So ist eine variable Einsetzbarkeit der Ursprungslexeme hin zu einer festen Mittelfeldposition im Deutschen und zu einer festen syntaktischen Position im Französischen durch die Korpusbeispiele belegbar.

Im Französischen fällt die vergleichsweise hohe Zahl an Okkurrenzen innerhalb der Verbalklammer auf, welche eine gewisse Ähnlichkeit zur syntaktischen Struktur des deutschen Mittelfelds aufweist. Zwar wird auch eine zunehmend stärkere Restriktion der Kombinationsmöglichkeiten im Fortlauf des Grammatikalisierungsprozesses beschrieben (cf. Wegener 1998:41). Da es sich im Französischen um rezente Erscheinungen handelt und sich die Lexeme noch in ihrem Grammatikalisierungsprozess befinden, konnte jedoch kein Beleg für eine Kombination französischer Modalpartikeln nachgewiesen werden. Dies ist sicherlich auch durch die im Verhältnis zum Deutschen deutlich geringere Zahl an Modalpartikeln bedingt. Während im Deutschen Modalpartikeln existieren, die ähnliche beziehungsweise sich nicht gegenseitig ausschließende pragmatisch-semantische Merkmale aufweisen, sind die französischen (semantisch vollwertigen) Pendants zu heterogen und die Ziellexeme noch zu „schwach“ grammatikalisiert, als dass eine Kombination möglich wäre. Der Ansatz von Detges und Waltereit (2016) ist weitestgehend mit dem soeben beschriebenen Prozess deckungsgleich, wobei der Aspekt der zunehmenden pragmatischen Funktion noch stärker in den Fokus gerückt wird. Während die Ausgangslexeme die Proposition nur mit eingeschränktem Skopus beeinflussen, geht diese Fähigkeit verloren. Modalpartikeln haben Skopus über den gesamten Satz, da sie sich auf die Illokution auswirken (cf. Detges/Waltereit 2016). Diese Zunahme der illokutionären Kraft beschreibt bereits Abraham (1991). Sowohl Abraham (1991) als auch Detges und Waltereit (2016) definieren die Grammatikalisierung einer Modalpartikel als einen Prozess, bei dem das Lexem eine Veränderung von einem lexikalischen hin zu einem grammatikalischen beziehungsweise stärker grammatikalisierten Element erfährt (cf. Abraham 1991; Detges/Waltereit 2016:635).

Das Alter der deutschen Modalpartikeln scheint bisher nicht geklärt zu sein. Dagegen datiert Waltereit (2006:89) für das Französische erste Tendenzen der Grammatikalisierung hin zum Lexem, welches als Modalpartikel zu bezeichnen ist, auf das Ende des 19. Jahrhunderts.2

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