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5 Nach 1967: Klientelismus und Islamismus
ОглавлениеZur Unterstützung Ägyptens und Syriens im Jom-Kippur-Krieg beschlossen die großen arabischen Ölexporteure am Persischen Golf einen Ölboykott gegen die westlichen Verbündeten Israels. Der Ölpreis vervielfachte sich in kürzester Zeit und blieb bis Mitte der 80er Jahre auf hohem Niveau. Dieser Ölpreisschock markierte das Ende der 30-jährigen wirtschaftlichen Boomphase im Westen, aber auch in vielen Ländern der postkolonialen Welt nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Vorderen Orient und indirekt in der gesamten islamischen Welt ordnete sich das strategische Gleichgewicht neu. Die revolutionären Regime, die zuvor das Geschehen dominiert hatten, waren wirtschaftlich wie politisch angeschlagen: politisch auf Grund ihrer offenkundigen militärischen Unfähigkeit. Wirtschaftlich standen sie schlecht da, weil die bis dahin verfolgte Politik der Importsubstitution unter staatlicher Planung zwar kurzfristig erfolgreich gewesen war und viele Menschen in Beschäftigung gebracht hatte. Sie war aber letztlich auf Kredit finanziert und führte in den bevölkerungsreichen und ressourcenarmen arabischen Ländern, allen voran Ägypten, nicht zu einem selbsttragenden Aufschwung. Die hohen Ölpreise ließen nun die Golfmonarchien anstelle der revolutionären linksnationalistischen Regime zum dominanten wirtschaftlichen und politischen Faktor in der Region werden. Dies geschah zum einen dadurch, dass der wirtschaftliche Aufschwung in bis dahin kaum entwickelten Ländern wie Saudi-Arabien Arbeitskräfte aus den verschiedensten Regionen der muslimischen Welt, zunächst aber insbesondere aus dem arabischen Raum, anzog, zum anderen dadurch, dass islamistische Intellektuelle, die in den revolutionären Staaten oftmals verfolgt wurden, an den neuen Universitäten am Golf Anstellung fanden und von dort aus islamische und islamistische Ideen verbreiteten. Auch von Saudi-Arabien finanzierte und kontrollierte Einrichtungen wie die Islamische Weltliga sorgten nun für weltweite Verbreitung eines sehr konservativen Islam.
Auch außerhalb der konservativ-islamischen Golfstaaten sahen die Regierenden die größere Popularität islamischer Ideen bald gern. Das Scheitern staatlich gelenkter Industrialisierung und die Unzufriedenheit einer gut ausgebildeten Jugend ohne Zukunftsaussichten ließen im politischen Klima der späten 60er und frühen 70er Jahre den Kommunismus als reale Bedrohung für die vormals revolutionären Regime erscheinen. Dies galt umso mehr, als ihre schwierige Finanzlage die Regime des Vorderen Orients auf einen Abbau staatlicher Subventionen für die einfachen Schichten und eine wirtschaftliche Liberalisierung setzen ließ. Die neu entstehende Privatwirtschaft war dabei meist ein sogenannter Crony-Kapitalismus, in dem wirtschaftliche Perspektiven sich vor allem denjenigen öffneten, die den Herrschern verwandtschaftlich oder politisch eng verbunden waren. Um den neuen wirtschaftlichen Kurs einer verstärkten Marktöffnung nach außen und eines Verzichts auf staatlich gesteuerte Industrialisierung durchzusetzen, war es aus Sicht der Mächtigen daher günstig, wenn gerade an den Universitäten islamistische Gruppen als Gegengewicht zu den immer noch starken Kommunisten auftraten.
Der Erfolg der Islamisten ist allerdings nicht allein oder zuvörderst durch die bewusste Förderung dieser Strömung durch die Regierungen in der Region zu erklären. Vielmehr konnten sie, anders als die Kommunisten und die Vertreter von nationalistischen Ideologien des sog. tiers-mondisme, an religiöse Bilderwelten anknüpfen, die in den Gesellschaften der islamischen Welt auch über die gesellschaftlichen Eliten hinaus weit verbreitet waren. Die Religion hatte im politischen Raum und unter den Eliten zeitweise an Bedeutung verloren (wenn auch nie im gleichen Maße wie in Westeuropa). Bei der großen Mehrheit der Bevölkerung war die Gültigkeit religiöser Normen und Ideen jedoch nie wirklich hinterfragt worden. Im Zuge der raschen Verstädterung nach 1960 suchten diese Menschen den von ihnen erfahrenen sozialen Wandel für sich verständlich zu machen. Ein um Antwort auf die politischen wie sozialen Fragen der modernen Welt bemühter Islam, wie ihn die Islamisten anboten, war für sie eine große Hilfe. Die Islamisten schienen zudem vielfach von hoher persönlicher Integrität und Überzeugungskraft, was für die meisten Vertreter der Regime ab den 70er Jahren nicht mehr gelten konnte. Sehr schnell entstand so mit dem Islamismus eine Oppositionsideologie, die weitaus wirkmächtiger war als die aus Europa übernommenen Ideologien, die seit dem 19. Jahrhundert vorgeherrscht hatten. Der ideologische Wandel wird nicht allein in der Stärke islamistischer zivilgesellschaftlicher Oppositionsbewegungen deutlich, sondern auch in der politischen Ausrichtung der Militärregime, die sich ab den 70er Jahren neu etablierten: Bei den Militärputschen in Pakistan 1977 und im Sudan 1985 waren auf jeweils verschiedene Weise islami(sti)sche Ideen zentral für die Legitimierung der neuen Machthaber. Auch die laizistischen türkischen Generäle förderten nach ihrem Putsch von 1980 zunächst islami(sti)sche politische Ideen zur ideologischen Absicherung einer neoliberalen Wirtschaftspolitik.