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Der dritte Schwerpunkt behandelt moderne Herausforderungen und Bedrohungen:
ОглавлениеIrene Schneider hat »das Verhältnis von Staat und Religion und Recht in der Moderne: Demokratie und Menschenrechte, Geschlechtergleichheit, und Religionsfreiheit« als Thema. Bereits der Titel nennt alle »heißen Eisen«, die in der deutschen Öffentlichkeit – vor allem in rechtspopulistischen Kreisen – die Diskussion bestimmen. Die Ausführungen des Beitrages zeigen, dass der Streit um die richtige Auslegung nicht nur ein Streit zwischen westlichen Forderungen und dem Islam ist, sondern die Debatten unter Muslimen in gleicher Weise bestimmt, sodass eine innerislamische Meinungs- und Deutungsvielfalt zutage tritt, die jede Vorstellung vom Islam als einem homogenen Block Lügen straft.
Dschihad, Terror, Märtyrertum sind Schlüsselbegriffe, die Rüdiger Lohlker behandelt. Er kommt zu dem Schluss: »Eine zielführende Analyse des Phänomens Dschihadismus darf zwar nicht den islamischen Aspekt des Phänomens vernachlässigen, kann aber nicht umhin, den Dschihadismus in all seiner Vielfalt als Teil einer globalen Ökonomie männlich geprägter Gewalt zu verstehen, die weit über den dschihadistischen Kontext hinausreicht. Charakteristika sind der Missbrauch und die Vernutzung von Körpern, sei es im Sinne des Menschenhandels, des Entführungsgewerbes, der Prostitution und Versklavung, des Mordes und der Verstümmelung, der Plünderung von Gesellschaften, des Schmuggels von vielerlei Gütern, eingebettet in die Interessen von Staatsapparaten und häufig in Verbindung mit kriminellen Unternehmungen, einer wahrhaft ›schwarzen‹ Ökonomie (mit allerdings fließenden Grenzen). In dieser Einbettung zeigt sich die erschreckende Modernität des Dschihadismus.«
Ilhan Ilkiliç: »Technik und Wissenschaft als Herausforderung an den Islam am Beispiel der modernen Medizin« verweist darauf, dass der Islam in seiner klassischen Periode für naturwissenschaftliche Erkenntnisse und entsprechende Technologien stets sehr offen gewesen ist. Religion und Wissenschaft wurden als Einheit begriffen. Dementsprechend vertritt auch heute die große Mehrheit der Theologen. der Fatwas und der staatlichen Regulierungen einen prowissenschaftlich-konsequentialistischen Ansatz, der naturwissenschaftliche Forschung und Technik positiv bewertet, während akademisch-intellektuelle Kreise eher wissenschaftskritisch eingestellt sind und betonen, dass die westliche Wissenschaft nicht losgelöst von ihrem weltanschaulich säkularen Kontext gesehen werden darf und folglich aus islamischer Sicht kritisch geprüft und bewertet werden müsse. Allerdings ist der Einfluss dieser zuletzt genannten Position sehr begrenzt. Etwas anderes ist dagegen der Umgang mit der Wissensproduktion und dem Wissenstransfer. Am Beispiel der Medizin wird gezeigt, welche theologischen und ethischen Probleme sich aus der Embryonen verbrauchenden Stammzellenforschung und aus der Intensivmedizin am Lebensende hinsichtlich der Bestimmung des Eintrittes des Todes ergeben und wie die Reaktionen darauf unter Naturwissenschaftlern, Ärzten und Theologen sind.
Reinhard Schulze: »Grundprobleme des Islam heute im internationalen und interkulturellen Vergleich« weist darauf hin, dass durch die Entstehung der Nationalstaaten dem Islam eine völlig neue Rolle zukam. Er musste sich als Sozialform neu begründen und wie jede andere Religion in die neue nationalstaatliche Ordnung einfügen. Diese weitgehende Vergesellschaftung von Religion führte in den einzelnen Ländern zu recht unterschiedlichen Modellen und zu einer Konfessionalisierung des Islam, wie sie vorher so nicht existiert hatte. Erstmals setzte sich eine umfassende soziale Trennung aller Lebensbereiche nach sunnitischer und schiitischer Identität durch. Die Konfessionen begannen vor allem ab dem 19. Jahrhundert die sozialen Lebenswelten der Muslime entscheidend zu prägen. Sie bewirkten nach dem Prinzip »belonging without believing« eine Homogenisierung der islamischen Öffentlichkeiten, für die als Trägerschichten die Mittelschichten nicht stark genug waren, um prägend zu sein. Anders als in West- und Nordeuropa, wo eine Entflechtung der Konfessionen von den sozialen Milieus stattgefunden hat, kam es ab den 1970er Jahren in der islamischen Welt zu einer schleichenden, sich immer mehr verstärkenden Islamisierung. Die Gründe dafür sind vielfältig und ergeben mit Blick auf die Zukunft unterschiedliche mögliche Szenarien. Die Palette reicht von ultraislamistischen Vorstellungen über liberale bis zu säkularen. Was letztlich sich dominant durchsetzen wird, ist nicht mit Sicherheit vorhersehbar, zumal die Wahl des Weges nicht nur von religiösen Autoritäten abhängt, weil zunehmend die Bildungseliten in die Diskussion eingreifen und die öffentliche Diskussion beeinflussen.
Erdal Toprakyaran: »Interreligiöser Dialog« zeigt die vielfältigen Versuche in Europa, zu einem Dialog zwischen Christen und Muslimen zu kommen. Der Beitrag verschweigt aber auch nicht die kritischen Einwände und Befürchtungen vieler Muslime gegenüber dem interreligiösen Dialog. Es fällt auf, dass die Länder mit islamischen Bevölkerungsmehrheiten weit weniger Anstrengungen in diese Richtung bislang unternommen haben, sei es, weil ihnen eine multireligiöse Vielfalt seit Jahrhunderten im Nebeneinander mehr vertraut ist als den Europäern oder weil ihnen das Miteinander bzw. Auf-einander-Zugehen in ihren traditionellen Milieus noch kein Anliegen ist.
Es fällt sicher auf, dass einige Bereiche nicht durch eigene Kapitel vertreten sind. So fehlt im Beitrag von Peter Heine ein Abschnitt zur Architektur. Darauf wurde verzichtet, weil die Architektur sich seit der klassischen Zeit großer Beliebtheit erfreut und in der Moderne nicht umstritten war. Des weiteren fehlt ein Kapitel zur Mystik, weil sie mehrfach in den Beiträgen angesprochen wird, so dass sie nicht eigens thematisiert zu werden braucht.