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Der zweite Schwerpunkt ist Theologie, Philosophie, Recht und Kultur gewidmet.
ОглавлениеIn »Islamische Theologie heute: Orte, Gesichter und Tendenzen« zeichnet Ömer Özsoy zunächst die Entstehung der islamischen Theologie und ihrer Disziplinen nach. Danach bietet er einen weit gespannten Überblick an ausgewählten Beispielen zum Spannungsfeld zwischen Erbe und Moderne über aktuelle Orte islamischer Theologie und ihrer jeweiligen gesellschaftlichen Eingebundenheit, vor allem im indisch-pakistanischen Kontext, in der Arabischen Welt, in der Türkei, in ex-sowjetischen und ex-jugoslawischen Ländern sowie in Westeuropa und Deutschland.
In dem Beitrag »Muhammad als Vorbild. Entwicklungen seit dem 19. Jahrhundert und Typen der imitatio Muhammadi« zeigt Cüneyd Yildirim, dass trotz aller Kritik an traditionellen Ausprägungen des Islam und an einer starken Konzentration auf den Koran Muhammad noch immer für die meisten Muslime Vorbildfunktion hat. Allerdings sind die Typen der imitatio Muhammadi recht unterschiedlich. Sie reichen von der Nachahmung des Propheten im praktischen Vollzug der religiösen Pflichten über die peinlich genaue Beachtung aller Details in Alltagssituationen bis hin zu mystischen Formen im Wunsch, mit dem Wesen des Propheten eins zu werden, oder ihn als Leitbild für politisches Handeln zu sehen, sei es als Kämpfer wie ʿAbd al-Wahhāb gegen jede Form »fehlgeleiteter Frömmigkeit« oder wie Tariq Ramadan als ethisches Vorbild im Einsatz für einen menschenfreundlichen Umgang mit allen Menschen, für Gewaltlosigkeit, Demokratie und den interreligiösen Dialog.
Robert Langers Beitrag: »Innerislamische und Islam bezogene religiöse Minderheiten« verweist auf die sehr breit gefächerte Vielfältigkeit und Heterogenität, insbesondere hinsichtlich nicht-Scharia-orientierter Gemeinschaften einerseits und anderer »non-konformistischer« Religionstraditionen in mehrheitsislamischen Kontexten. Sie sind dort entstanden und konnten sich unter dem Dach des Islam eigen- wenn auch nur randständig entwickeln. Dies gilt für arabischsprachige Gruppen wie die Alawiten (Nusairī/ʿAlawīyūn) oder die Drusen ebenso wie für die Gruppen aus iranisch-türkischen Kontexten wie die Aleviten, Schabak, die Kākāʿi oder die Ahl-e Ḥaqq (Yāresān). Je nach Interesse und Vorkenntnissen der sie untersuchenden wissenschaftlichen Disziplinen werden sie – wie der Beitrag zeigt – unterschiedlicher religiöser bzw. weltanschaulicher Herkunft zugeordnet. Erst im 19. Jahrhundert ist es zur Bildung von sich unabhängig vom islamischen Kontext entwickelnden, aus dem Islam hervorgegangenen Religionsgemeinschaften wie dem Babismus und der Bahai-Religion sowie zur sich selbst als islamisch verstehenden, vom Mainstream des Islam aber als islamisch abgelehnten Aḥmadiyya gekommen.
»Themen und Orte nahöstlicher Philosophie (19.-20. Jahrhundert)« von Anke v. Kügelgen zeigt, wie in zunehmendem Maße die Philosophie im Nahen Osten und Nordafrika an Bedeutung gewinnt und sich viele – u. a. angeregt durch ihre Studien in Europa – damit auseinandersetzen und teilweise sehr eigene Wege gehen. Diese Denkansätze sind bislang im Westen noch wenig zur Kenntnis genommen worden und verdienen eine stärkere Rezeption und Auseinandersetzung damit.
»Themen und Orte des islamischen Rechts im 20./21. Jahrhundert« von Hakki Arslan geht davon aus, dass die Auseinandersetzung des Islam mit der Moderne, vor allem mit dem Kolonialismus und der neuen Realität von Nationalstaaten, sowie die Einführung westlichen Rechts und die Kodifikation des islamischen Rechts nach europäischen Vorbildern in den meisten Staaten mit islamischer Bevölkerungsmehrheit die Scharia und die islamischen Gelehrten marginalisiert haben. Die Kodifizierung hat bewirkt, dass das islamische Recht als etwas Fixes wahrgenommen wurde, was zu einer Erstarrung und Konservierung des zuvor durchaus dynamischen Rechtsstoffes geführt hat. Es kam zu einer dynamischen Auslegung der traditionellen Rechtsquellen jenseits der Rechtsschulen. Zudem machte infolge des Buchdrucks die Veröffentlichung bislang unbekannter Texte aus der Vergangenheit neue Interpretationsansätze bekannt. Der Iğtihād wurde neu belebt, die Folge waren innerislamische Rechtsvergleiche, ein kollektiver Iğtihād und die Entstehung von Fatwa-Gremien mit hoher Fachkompetenz sowie unterschiedliche Schwerpunkte für die Länder, wo die Muslime in der Minderheit sind, und die, wo sie die Mehrheit der Bevölkerung bilden. Es kam zu einer Fülle von Ansätzen wie Traditionalismus, Reformismus, Modernismus, Islamismus, Salafismus oder Liberalismus, die miteinander in Konkurrenz stehen. Abgesehen von radikalen und extremistischen Positionen sind dabei zwei Kriterien von besonderer Bedeutung, die es miteinander zu vereinbaren gilt: die Islamizität, also die Betonung des spezifisch Islamischen, bei gleichzeitiger Beachtung der Praktikabilität, d. h. der konkreten Umsetzbarkeit der Prinzipien.
Peter Heines Beitrag: »Kulturgeschichte muslimischer Gesellschaften im 19. und 20. Jahrhundert« behandelt Musik, Bildende Kunst (Kalligraphie und Malerei, einschließlich der Thematik Frauen als Kunstschaffende) und Sport. Er vermittelt dadurch ein Bild gelebter Wirklichkeit, das mit dem oft in der deutschen Islamdebatte vermittelten Eindruck einer ausschließlich am Koran und der Glaubenslehre orientierten Lebensweise wenig gemeinsam hat.