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1.2.1 Lern- und bindungstheoretische Ansätze

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Auch in demokratischen Ländern gibt es klare Bezüge zu den oben genannten Vorstellungen einer gelingenden Sozialisation in Richtung auf rechtskonformes Verhalten. Entsprechend finden sich in der Ursachenforschung von Kriminalität zahlreiche Überlegungen, die sich mit Fragen einer kriminellen oder eben erfolgreichen Sozialisierung (vgl. Brumlik, 1993) auseinandersetzen und stimmiges Verhalten als Resultat einer gelungenen Anpassung an gesellschaftliche Denk- und Gefühlsmuster interpretieren (vgl. Hurrelmann & Bauer, 2015). Damit kommen zusätzlich lerntheoretische wie auch bindungstheoretische Ansätze ins Spiel (vgl. McCord, 1991). Ronald Akers (1998) hat durch seine Weiterentwicklungen im Bereich des sozialen Lernens sehr direkte Bezüge zur Kriminalität hergestellt. Imitation und differenzielle Assoziation und Verstärkung devianter und zugleich attraktiv erscheinender Handlungen und ihre als positiv gedeuteten Konsequenzen bilden die wesentlichen Säulen seiner Theorie. Wenngleich Konditionierungen zur isolierten Erklärung komplexer krimineller Handlungen als unzureichend betrachtet werden können, lassen sich doch zumindest für bestimmte asoziale Verhaltensweisen durchaus gelernte Mechanismen und Modelle sowie kontraproduktive Belohnungserfahrungen in Familie, Schule oder innerhalb von Peer-Gruppen heranziehen (Suhling & Greve, 2010, S. 1332). Ferner führt eine verstärkte Bindungsfähigkeit zu einer höheren sozialen Verantwortungsübernahme und einer rückläufigen Tendenz für Devianz (vgl. Robinson, 2020).

Das elterliche Verhalten, die Bindungsmuster und auch weitere frühkindliche Erfahrungen und Umwelteinflüsse bis zum jungen Erwachsenenalter wären demnach als relevante Größen für kriminelles Verhalten zu interpretieren (vgl. Hopf, 2005). Die Mehrheit der heutigen Ansätze, die solche Komponenten heranzieht, berücksichtigt aber noch weitere Faktoren und kommt damit zu einer Vielzahl von interdependenten Risikobedingungen für Heranwachsende (z. B. Beelmann & Raabe, 2007). Wenig sagen aber auch diese erweiterten Theorien über das höhere Lebensalter aus. Hier müssen dann offenbar noch weitere Korrekturmechanismen auf gesellschaftlicher oder aber Verstärkungsaspekte auf Individualebene greifen, um Veränderungen im Lebenslauf wie auch fortlaufende antisoziale Verhaltensweisen ausreichend erklären zu können.

Zugleich bleibt unklar, was für wen als ausreichender Verstärker krimineller Verhaltensweisen fungiert und wie man diese verhindern kann. Zudem bleibt offen, inwieweit Lernprozesse einem Alterungsprozess unterliegen. Wie genau werden früh geformte Lernerfahrungen etwa im Sinne von Gegenkonditionierung und Modelllernen getilgt, um die Verlaufskurven der Alterskriminalität hinreichend begründen zu können? Eine potenzielle Antwort darauf geben die bereits in den 1960er Jahren erschienenen Ausführungen von Gresham Sykes und David Matza (1968). Sie haben sich gegenüber lerntheoretischen Erklärungen mit der Neutralisierung von Rechtsnormen befasst. Mit dieser Regelaussetzung lassen sich sonst akzeptierte Konventionen unter bestimmten Umständen außer Kraft setzen. Ob und wie Neutralisierungstechniken gelernt werden, haben die Autoren nicht weiter bestimmt. Eindeutig handelt es sich aber um verschiedene Varianten der Rechtfertigung, die auf kognitive Zusatzmechanismen hinweisen. Eben diese sind im nächsten Abschnitt genauer zu beleuchten.

Alter und Devianz

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