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1.2.5 Anforderungsbezogene Ansätze

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Eine andere Position nimmt Robert Agnew im Rahmen seiner Strain-Theorie (1992) ein. Nach seinem Dafürhalten entsteht Devianz als unzureichende Reaktion auf Stress und Belastung. Die zugrundeliegenden Anforderungen werden dabei als derart aversiv empfunden, dass sich daraus ein enthemmtes und emotional aufgeladenes Verhalten Bahn bricht. Ziel einer solchen Reaktion ist es, die Belastungssituation zu beenden. Auch dieser Ansatz rekurriert auf subjektive Bewertungen und zugleich auf Lernerfahrungen. Ob die Beendigung eines als unangenehm erlebten Zustands zu konformen oder eben zu negativen Verhaltensweisen führt, wird vor diesem Hintergrund mit weiteren sozialen und biografischen Faktoren begründet und durch Persönlichkeitseigenschaften moderiert. Dazu zählen eine geringe Frustrationstoleranz und eine mangelnde Stressresistenz. All dies lässt sich unter dem Begriff einer unzureichenden Coping-Kompetenz (Heinrichs, Stächele & Domes, 2015) und mit fehlenden internen oder externen Ressourcen (vgl. Beesdo-Baum, 2011) zusammenfassen. Allerdings erscheint die Begründung von Stressanfälligkeit durch mangelnde Stressresistenz eher schlicht und weitgehend tautologisch.

Grundsätzlich ergibt sich nach Agnew eine unzureichende Bewältigungsfähigkeit durch biologische wie auch durch psychosoziale Ursachen. Multiproblemlagen wie das persönliche Erleben sozialer Ungleichheit, Krankheit oder Benachteiligung wirken sich entsprechend als verstärkende individuelle Belastungskomponenten förderlich auf antisoziales Verhalten aus. Begleitet wird Devianz nach dieser Theorie allerdings stets von negativen Gefühlszuständen und kann durch situative Faktoren zusätzlich verstärkt werden. Ob sich dieses affektive Befinden nun stets bei kriminellem Verhalten einstellt, darf bezweifelt werden. Wenn aber Kriminalität mit unzureichenden Ressourcen und steigenden Belastungen begründet wird, müssten kriminelle Verhaltensweisen im Alter eigentlich signifikant zunehmen. Das ist aber nicht der Fall. Plausibler erscheinen sie für Kurzschlusshandlungen oder eskalierendes Verhalten.

Überforderungen werden aber ebenfalls in ganz anderen theoretischen Diskursen angeführt. So finden sich etwa in psychoanalytischen Ansätzen durchaus passfähige Begründungszusammenhänge (vgl. Foulkes, 2013). Kriminalität kann hier als unzureichende Anpassung der emotionalen Triebregulation angesehen werden. Diese löst allerdings nicht negative Affekte aus, sondern soll eben diese reduzieren und ist eher mit einem Lustgewinn verbunden. Dies wäre mit einer kriminellen Person vereinbar, die eine Überforderung durch ein Verhalten zu lösen versucht, das beispielsweise kurzfristig mit dem Gefühl von Macht oder Überlegenheit einhergeht. Demzufolge wäre die umgekehrte emotionale Beteiligung wie in der Strain-Theorie zu erwarten. Daneben könnte man im so genannten »Psychischen Apparat« ein kriminelles Über-Ich anführen (Bernfeld, 1931). Eine solche Kontrollinstanz würde dann fälschlich anderslautende Normen vorgeben, die letztlich in ein kriminelles Verhalten münden, ohne als solches verstanden zu werden. Ein derartig deformiertes Über-Ich kann ebenfalls Folge chronisch andauernder Überforderung sein. Beide Fehlentwicklungen müssten allerdings bereits in der frühen Kindheit angelegt sein. Die Psychoanalyse ist jedoch gerade bezogen auf Veränderungsprozesse im Alter wenig anwendbar. Lange Zeit wurde das Alter in der Psychoanalyse sogar gänzlich vernachlässigt (vgl. Radebold, 1988).

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