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1.3 Fazit: Theoriebedarf

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Die hier zusammengefassten Theorien führen uns deutlich vor Augen, warum die Devianz im Alter dringlich weiter zu beforschen ist. Devianz im Alter ist kein einheitliches Phänomen. Das gilt sowohl für das weite Feld der Straftaten wie auch für die Heterogenität von Straftäterinnen und Straftätern. Gleiche Rechtsverstöße können unterschiedliche Ursachen haben – und unterschiedliche Abweichungen auch gleiche Ursachen. Vor dem Hintergrund eines solch enormen Facettenreichtums braucht es auch nicht eine, sondern verschiedene Deutungsmuster. Erst dann kann man der Vielgestaltigkeit einer Devianz im Alter gerecht werden.

Vor diesem Hintergrund sei dem oder der eingangs genannten anonymen Gutachter/-in ausdrücklich gedankt. Die damalige Rückmeldung ist bis zum heutigen Tag eine erhebliche Motivation, den Dingen auf den Grund gehen zu wollen. Trotz einer Reihe amtlicher Statistiken, Projektdaten und Dunkelfeldbefragungen, die gemeinsam über Tatverdächtige, Strafverfolgungen und Verurteilungen Auskunft geben, lassen diese teilweise eine gesonderte Ausweisung von älteren Erwachsenen vermissen. Diese ist im Erwachsenenstrafrecht auch nicht zwingend gefordert. An anderen Stellen wurden zwar Altersgruppen unterschieden, die jeweiligen Altersgrenzen aber auf föderaler Ebene sehr unterschiedlich festgelegt. Daneben stellt sich die Frage, inwieweit die verfügbaren Daten reale Tatbestände oder, aufgrund des großen Dunkelfelds, lediglich Erhebungsartefakte darstellen. Bei einer derart ungenügenden Datenbasis kann man nicht von einer ausreichenden Beurteilungsgrundlage sprechen. Die schon genannten Autoren Hirschi und Gottfredson haben daher schon vor mehr als vier Jahrzehnten auf die Schwierigkeit der Interpretation dieser Daten hingewiesen:

»Still, the statement that age is an easy fact to study is decidedly misleading. When attention shifts to the meaning or implications of the relation between age and crime, that relation easily qualifies as the most difficult fact in the field.« (1983, S. 552)

Es war und ist daher nicht ausreichend, auf der Basis von Metaanalysen bestehende Befunde zu ordnen und aus dem bestehenden Material vermeintlich einfache Schlussfolgerungen zu ziehen. Valide Aussagen erfordern saubere Erhebungen von Altersvariablen und parallele Untersuchungsansätze im Dunkelfeld der Kriminalität. Es braucht insofern zusätzliche Erhebungsprozeduren und zugleich konzeptionelle Neuorientierungen, um Alterskriminalität adäquat zu beschreiben sowie ihre Ursachen und Auswirkungen zu verstehen.

Im besten Falle finden sich Erklärungsansätze, die einen möglichst großen Anteil von Kriminalität zu bestimmen vermögen. Die oben skizzierten Theorien weisen eine mitunter starke Überlappung auf und können nur einen Teil der Realität abbilden. Aus Sicht von Franziska Kunz (2014) sind Kriminalitätstheorien deshalb jedoch keineswegs nutzlos. Gleichwohl brauchen wir eine möglichst offene und breite Sicht auf die Devianz im Alter. Dazu müssen die Motive, die Straftaten und die Sanktionierungen von Alterskriminalität deutlich stärker als in der Vergangenheit in den Fokus gerückt werden. Nötig sind dazu multidisziplinäre Ansätze, die Theorie und Praxis gekonnt miteinander verzahnen und theoretische Überlegungen auch immer wieder an neuen Untersuchungen messen. Diesen Aufgaben widmen sich deshalb die nachfolgenden Kapitel.

Alter und Devianz

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