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3.1 Einleitung

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Unter Alterskriminalität soll dabei die Kriminalität von Menschen verstanden werden, die 60 Jahre oder älter sind (Einführung in diesem Band); im Folgenden werden Personen dieser Gruppe auch als »Senioren« bezeichnet. Diese Festlegung deckt sich mit den meisten in der Literatur zu findenden Definitionen, ist aber nicht unproblematisch, da biologische, psychologische und soziale Merkmale, die charakteristisch für Ältere sind, nicht starr von bestimmten Altersgrenzen abhängen (u. a. Laubenthal 2005) und sich neben gesellschaftlichen Vorstellungen und Einstellungen zum Alter auch das Selbstverständnis und die Lebenssituation von Senioren wandeln (u. a. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2010).

Die nachfolgend vorgestellten Auswertungen beruhen einerseits auf der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). Diese Statistik bildet die sogenannte Hellfeldkriminalität ab, d. h. jene Delikte, von denen die Polizei durch Anzeige oder eigene Ermittlungsarbeit Kenntnis erlangt. Dementsprechend kann die PKS keine Aussage über die gesamte Kriminalität machen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass Auswertungen zu den Tatverdächtigen und deren Merkmalen (Alter, Geschlecht, Nationalität) nur in Bezug auf die Straftaten möglich sind, die tatsächlich aufgeklärt wurden, d. h. bei denen mindestens eine tatverdächtige Person ermittelt werden konnte. Dies ist für ca. jede zweite Straftat der Fall, wobei die Spannbreite der Aufklärungsquote stark mit dem Delikt variiert: Fälle des Mords bzw. Totschlags werden bspw. nahezu alle aufgeklärt; bei Diebstahlsdelikten trifft dies hingegen teilweise nur auf jedes zehnte Delikt zu. Angaben zu Tatverdächtigen sind für Delikte mit nur geringer Aufklärungsquote insofern weniger valide, da unklar ist, ob diese Merkmale bei den nicht aufgeklärten Fällen analog zu den aufgeklärten Fällen verteilt sind. Darüber hinaus können Änderungen in der Kriminalitätsbelastung auch durch eine Änderung des Anzeigeverhaltens und/oder polizeilicher Strategien verursacht sein.24

Zusätzlich zur PKS wird andererseits auf eine Dunkelfeldstudie zurückgegriffen. Der Begriff der Dunkelfeldstudie ist etwas irreführend, weil solch eine Studie nicht nur beansprucht, den nicht der Polizei zur Kenntnis gelangten Anteil der Kriminalität sichtbar zu machen, sondern sowohl die Hell- als auch die Dunkelfeldkriminalität (u. a. Prätor 2014). Statt von Kriminalität wird dann meist von Delinquenz gesprochen.25 Bei einer Dunkelfeldstudie wird i. d. R. eine repräsentative Auswahl der Bevölkerung bzw. einer Bevölkerungsgruppe über eigene Täterschaften befragt. Die Vorteile eines solchen Ansatzes sind vielfältig: Es handelt sich um eine von der Anzeigebereitschaft, den polizeilichen Kontrollaktivitäten, den Gesetzänderungen usw. unabhängige Quelle zur Kriminalität. Dunkelfeldbefragungen erlauben es, differenzierte Gruppenauswertungen bspw. auch nach Migrationshintergrund, Bildungshintergrund oder sozialer Schicht vorzunehmen. Zudem können umfangreiche Analysen zu den Einflussfaktoren der Täterschaften angestellt werden, die beispielsweise Persönlichkeitsmerkmale ebenso wie Merkmale des sozialen Umfelds einschließen.

Allerdings sollten die Herausforderungen dieses Zugangs nicht unerwähnt bleiben: So besteht eine Schwierigkeit aller Dunkelfeldbefragungen darin, die gesetzlich definierten Straftaten in verständliche Deliktsbeschreibungen zu übersetzen (u. a. Heinz 2015). Da dies nur zu einem gewissen Grad gelingen kann, sind die Befunde zu einzelnen Delikten nicht exakt vergleichbar mit den Befunden der Polizeilichen Kriminalstatistik. Zudem ist das Antwortverhalten von verschiedenen Faktoren abhängig. Insbesondere sozial erwünschtes Antwortverhalten stellt in einem solch sensiblen Themenbereich eine Schwierigkeit dar (u. a. Waubert de Puiseau et al. 2015). Nicht zuletzt ist die Rücklaufquote von entscheidender Bedeutung. Diese liegt nie bei 100 Prozent, d. h. ein mehr oder weniger großer Anteil an für Befragungen ausgewählter Menschen wird letztlich nicht erreicht.

Insofern sowohl Kriminalstatistiken als auch Befragungsstudien ihre spezifischen Vor- und Nachteile haben, erscheint es gerade sinnvoll, bei Betrachtung eines spezifischen Phänomens – hier der Seniorenkriminalität – auf beide Datenquellen zurückzugreifen. Im Fokus stehen dabei im Folgenden Daten aus Deutschland bzw. aus Niedersachsen, wo die Dunkelfeldbefragung durchgeführt wurde. An ausgewählten Stellen wird zudem die Situation der Schweiz mit beleuchtet.

Alter und Devianz

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