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2.4 Fazit: Was fehlt, was gut ist, was besser werden könnte

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Was – jenseits einzelner Ereignisse – als ›Kriminalität‹ wahrnehmbar wird, ist Ergebnis eines mehrstufigen Prozesses der Sichtbarmachung, Auslese, Definition und selektiven Verarbeitung durch die Instanzen und schließlich des Niederschlags als prozessproduzierte Daten im System der Kriminalstatistiken. Nach der lange vorherrschenden Fokussierung auf Jugendkriminalität gilt die Aufmerksamkeit angesichts der demografischen Entwicklung neben den Opferrisiken im höheren Alter22 auch dem Umgang mit Delinquenz und Delinquenten der zahlenmäßig wachsenden Gruppe der Senioren.

• Eingeschränkt sind die Erkenntnismöglichkeiten durch den fehlenden Nachweis der Verkehrsdelinquenz in der PKS. Auf sie entfällt im Seniorenalter der größte Teil der schwerwiegenden Delikte. Zugleich ist die Verkehrsdelinquenz weit besser als die ›klassischen‹ Delikte gegen Leib und Leben durch situations- und zielgruppenbezogene Prävention zu beeinflussen. Hierzu bedarf es aussagekräftiger Daten.

• Die vollständige (täter- und opferbezogene) Erschließung der im polizeilichen Fallbearbeitungssystem erfassten Angaben zu Opfern, Täter-Opfer-Beziehung und besonderen Vorgehens- und Tatkonstellationen würde den Informationsgehalt der PKS hinsichtlich Fällen, Tatverdächtigen und Präventionsmöglichkeiten erheblich erweitern.

• Strukturmangel des kriminalstatistischen Systems ist neben der unkoordinierten Delikts- und Altersgliederung der Tabellenwerke die fehlende Konnektivität der polizeilichen (PKS) und justiziellen (StA- und StVerf-) Statistiken.

• Ein erheblicher Teil der Rechtsfolgen, ihres Vollzugs und Erfolgs ist nicht, nicht mehr oder nur undifferenziert in amtlichen Statistiken dokumentiert. Nachweisdefizite betreffen die große Zahl der ›informellen‹ Sanktionen ohne Gerichtsurteil durch staatsanwaltliche und gerichtliche Opportunitätseinstellungen, das Täter-Opfer-Ausgleichsverfahren, die vielen uneinbringlichen Geldstrafen mit Ersatzfreiheitsstrafen oder ambulanten Ersatzsanktionen, die Verfahren ambulanter Betreuung und Überwachung (Bewährungs-, Führungsaufsicht) und den Maßregelvollzug. Hier bedarf es, ebenso wie für eine Verstetigung der Rückfallstatistik, einer bundesstatistikgesetzlichen Regelung.23

Aufgeklärte, evidenzbasierte Kriminal- und Sozialpolitik ist angewiesen auf regelmäßig erhobene und verfügbare Statistikdaten. Wesentlich verbessert wurden die Auswertungsmöglichkeiten durch den Ausbau des PKS-Tabellenprogramms des BKA und durch die Möglichkeit, aus anonymisierten Mikrodaten beim Statistischen Bundesamt und den Forschungsdatenzentren benutzerdefiniert altersdifferenzierte Tabellen zu generieren. Vergleichbare Auswertungsmöglichkeiten anhand anonymisierter Mikrodatensätze aus dem Bestand des Bundeszentralregisters würden die Erkenntnismöglichkeiten in Hinblick auf Legalbiografien und Legalbewährung im Alter erheblich erweitern.

Die Erhebung von Daten zum Dunkelfeld nicht registrierter Delikte und zum Anzeigeverhalten der Bevölkerung im 2-Jahres-Turnus ab 2020 stellt eine wichtige Ergänzung der Hellfelddaten dar; sie sollte Anlass werden, die Zusammenführung und wissenschaftlich begleitete Bewertung der Erkenntnisse aus den verschiedenen Datenquellen – wie im 1. und 2. Periodischen Sicherheitsbericht der Bundesregierung (BMI/BMJ 2001; 2006) – wiederaufzunehmen. Ein koordiniertes und fachlich aufbereitetes System kriminalstatistische Daten kann Aufschluss geben über Bewährung, Reformbedarf und Reformmöglichkeiten unseres Umgangs mit Alter und Devianz.

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