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3.4 Fazit: Zentrale Befunde

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Im Beitrag wurde mithilfe von zwei verschiedenen Datenquellen, der Polizeilichen Kriminalstatistik (Hellfeld) und einer Dunkelfeldbefragung, die derzeitige Situation der Seniorenkriminalität analysiert, wobei folgende zentrale Befunde festgehalten werden können.

1. Senioren sind deutlich seltener kriminell als andere Altersgruppen: Personen ab 60 Jahren stellten im Jahr 2019 in Deutschland 28,2 % der Bevölkerung, aber nur 7,7 % aller Tatverdächtigen. In der Schweiz fallen die Anteile ähnlich aus. Wird die Anzahl an Tatverdächtigen je 100.000 Personen der jeweiligen Altersgruppe berechnet, so ergibt sich, dass nur unter 10-jährige, strafunmündige Kinder eine niedrigere Belastungszahl aufweisen als ab 60-jährige Altersgruppen. Diese sog. Alters-Kriminalitäts-Kurve mit Höchstwerten im Jugend- und jungen Erwachsenenalter und Niedrigwerten im hohen Alter zeigt sich in identischer Weise im Hell- wie im Dunkelfeld. Die geringere Kriminalitätsbelastung älterer Personen dürfte sich dabei mit verschiedenen Faktoren begründen lassen. So sind ältere Personen einer höheren sozialen Kontrolle aufgrund der Einbindung in verschiedene Bereiche wie Beruf oder Familie ausgesetzt. Sie haben zudem aufgrund ihrer physischen und psychischen Verfassung wie ihrer eher häuslich strukturierten Freizeitgestaltung weniger Möglichkeiten bzw. Gelegenheiten, Straftaten zu begehen. Ebenfalls von Bedeutung dürfte sein, dass sie weniger motiviert sind, Straftaten zu begehen, beispielsweise weil sie weniger risikoaffin und eher konservativ eingestellt sind.

2. Die Seniorenkriminalität ist rückläufig: Da bislang keine widerholt durchgeführten Dunkelfeldbefragungen zur selbstberichteten Delinquenz älterer Personen vorliegen, kann die Entwicklung der Seniorenkriminalität nur anhand der Polizeilichen Kriminalstatistik analysiert werden. Die Belastungszahlen belegen dabei für Deutschland einen Rückgang um acht Prozent; in der Schweiz steigen die Zahlen hingegen. Nicht für alle Seniorengruppen ergeben sich aber rückläufige Zahlen in Deutschland: Bei den ab 80-Jährigen steigt die Belastungszahl leicht an. Werden die einzelnen Delikte betrachtet, so ergeben sich rückläufige Zahlen vor allem im Bereich der Diebstahls- und Betrugsdelikte. Anstiege finden sich hingegen bei verschiedenen Gewaltdelikten (inkl. vorsätzliche, leichte Körperverletzungen). Der Anstieg der Gewaltdelikte könnte mit einem Anstieg der Anzeigebereitschaft in Zusammenhang stehen; d. h. die Toleranzschwelle gegenüber älteren Gewalttätern könnte gesunken sein, so dass auch deren Taten verstärkt zur Anzeige gebracht werden. Allerdings könnte sich in ansteigenden Belastungszahlen für Gewaltdelikte auch eine höhere Gewaltbereitschaft der älteren Bevölkerung widerspiegeln, was bspw. damit zu begründen wäre, dass die körperliche Gesundheit aufgrund des medizinischen Fortschritts länger erhalten bleibt, was eine gewisse Voraussetzung für körperliche Übergriffe ist. Der Rückgang im Bereich verschiedener Eigentumsdelikte könnte damit in Zusammenhang stehen, dass technische Vorkehrungen kriminelles Verhalten erschweren und damit Tatgelegenheiten reduzieren.

3. Seniorenkriminalität ist eher leichte Kriminalität. Die beidem am häufigsten von Senioren begangenen Delikte sind der Ladendiebstahl und die Beleidigung; jenseits davon werden Betrugsdelikte und leichte Körperverletzungen von älteren Personen häufiger ausgeführt. Schwere Gewaltstraftaten werden hingegen von dieser Altersgruppe seltener verübt. Diese Deliktsverteilung dürfte im Wesentlichen darauf zurückzuführen sein, dass ältere Menschen beschränkte Möglichkeiten der Straftatenbegehung haben; die Ausübung physischer Gewalt ist trotz des medizinischen Fortschritts aufgrund der physischen Konstitution Älterer bspw. begrenzt. Dass Kriminalität älterer Personen häufig eher leichte Kriminalität ist, wird mit Blick auf Straftaten, die Hochbetagte begehen, unterstrichen. Fast jeder vierte ab 80-jährige Tatverdächtige wurde wegen eines Ladendiebstahls polizeilich registriert, fast jeder zehnte wegen einer Straftat gegen das Waffengesetz.

4. Die Einflussfaktoren der Seniorenkriminalität unterscheiden sich weitestgehend nicht von den Einflussfaktoren in anderen Altersgruppen: Zunächst gilt für ältere wie gewöhnlich für jüngere Personen, dass Männer delinquenter sind als Frauen. Die Analysen der Dunkelfeldbefragung bestätigen dabei, dass der Geschlechterunterschied bei älteren Personen nicht durch spezifische Personen- oder Umfeldmerkmale erklärt werden kann – er bleibt im multivariaten Modell bestehen; bei jüngeren wird der Geschlechterunterschied hingegen vollständig erklärt. Laut Polizeilicher Kriminalstatistik ergibt sich zudem, dass eine nichtdeutsche Staatsangehörigkeit einen Risikofaktor darstellt; im Dunkelfeld zeigt sich dies bei Berücksichtigung verschiedener weiterer Merkmale hingegen nicht mehr. Generell relevanter als solche sozio-demografischen Faktoren sind aber folgende Einflussfaktoren – bei jüngeren wie bei älteren Personen: das Personenmerkmal der Risikosuche, die Bekanntschaft mit delinquenten Freunden, der Alkoholkonsum und das Opfererleben von Kriminalität. Allerdings gelingt es mit diesen Faktoren etwas schlechter, die Delinquenz von Senioren als die Delinquenz junger Menschen zu erklären. Weitere Studien zu möglicherweise spezifischen Einflussfaktoren der Seniorenkriminalität sind daher notwendig.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass anhand der vorgestellten Analysen auch die Bedeutsamkeit der Durchführung von Dunkelfeldbefragungen sichtbar wird, da sich die dargestellten Erklärungsfaktoren letztlich nur auf diesem Weg ermitteln lassen. Insofern Dunkelfeldstudien zur selbstberichteten Kriminalität unter Erwachsenen nach wie vor selten sind, erscheint es zukünftig notwendig, diesen Forschungsbereich noch weiter auszubauen.

Alter und Devianz

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