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1.2.4 Personenbezogene und biologische Ansätze

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Terrie Moffitt (1993) geht in seiner Zwei-Wege-Theorie von zwei verschiedenen kriminellen Karrieren aus. Auf der Personenebene unterscheidet Menschen, die zeitlich begrenzt kriminell sind, und Wiederholungstäter. Dieser letztgenannte Typus zeigt Verhaltensauffälligkeiten über einen langen Zeitraum – möglicherweise sogar lebenslang. Grund dafür sind nach Einschätzung von Moffitt neurologische Defizite. Kriminalität erscheint damit als biologisches Substrat einer Pathogenese. Bezüge werden damit zu Kriminalitätstheorien hergestellt, die sich vor allem auf Lern- und Kontrollmechanismen beziehen. Schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gingen die ersten Theorien zur Kriminalität von genetischen Dispositionen aus, die eine angeborene Veranlagung für strafbare Handlungen unterstellten (Lombroso, 1887). Grundlage dafür sind bereits frühe Vorstellungen eines »homo homini lupus« (ein Wolf ist der Mensch dem Menschen), die schon Plautus in der Antike oder Thomas Hobbes im 17. Jahrhundert (vgl. Radbruch & Gwinner, 1951) verwendet haben. Solche Vorstellungen haben zu der Annahme einer wesensbezogenen Böswilligkeit von Straftätern geführt. Vor allem die auch von Moffitt untersuchten wiederholten Rechtsverstöße, die so genannte persistente Kriminalität einzelner Personen, fasziniert die Kriminalitätshistorie von je her.

Kriminalanthropologische Annahmen einer angeborenen Kriminalität und die damit verbundenen fatalen Interpretationen in Bezug auf Resozialisierung und Bestrafung vermeintlicher Berufsverbrecher können dagegen aus heutiger Sicht als widerlegt gelten (Gibson, 2002). Damit wurden Vorstellungen personenzentrierter Ansätze der Kriminalität aber keineswegs aufgegeben und erhielten auch neben den Arbeiten von Moffitt durch weitere Studien in den 1990 Jahren einen deutlichen Aufschwung (vgl. Stelly & Thomas, 2001). Vor allem der sehr populäre Ansatz einer an der kriminellen Persönlichkeit angelehnten und mit einem umfassenden Geltungsanspruch geltenden Theorie von Michael Gottfredson und Travis Hirschi (1990) ist hier anzuführen. Als Ursache von Kriminalität unterstellen die Autoren einen Mangel an individueller Selbstkontrolle. In vielen nachfolgenden Untersuchungen konnte indessen ein allenfalls mittlerer Zusammenhang zwischen Devianz und Kontrollverlust hergestellt werden, der zudem nur in bestimmten Kontexten zu greifen scheint (Akers & Sellers, 2004). Eine inhärente oder gar genetisch angelegte Neigung zur Impulsivität greift als grundlegende Erklärung für Kriminalität damit nicht. Weniger umstritten ist, dass biologische Faktoren als Mitauslöser für Straffälligkeit zu berücksichtigen oder gar bei psychischen Erkrankungen als kausale Begründung für Devianz zu betrachten sind. Zu nennen sind vor allem biochemische und auch endokrinologische Prozesse, die dabei eine Rolle spielen (vgl. McMurran, Khalifa & Gibbon, 2008). Dies hat fraglos wichtige Implikationen in Bezug auf Schuld- und Haftfähigkeit von straffälligen Personen.

Nun wissen wir, dass die Biologie des Alterns unbestreitbar Veränderungen mit sich bringt, die neben normalen Alterungsprozessen eben auch pathologische Entwicklungen enthalten kann. Funktionsverluste betreffen das Organsystem ebenso wie auch die psychische Verfassung älterer Menschen. Mentale Erkrankungen, die sich auf das Urteilsvermögen oder den Affekt auswirken, könnten Kriminalität befördern. Andere Einbußen, etwa im Bereich der Motorik, würden dementgegen auch die Gelegenheiten und Umsetzungen von Straftaten erschweren oder vereiteln können. Insgesamt kann aber nicht von einem einheitlichen Alterungsprozess ausgegangen werden (vgl. Pohlmann, 2016). Daher braucht es bei der Ursachenbestimmung weniger eine Bezugnahme auf das Alter als vielmehr auf den – durch das Alter beeinflussten – zugrundeliegenden Gesundheitsstatus einer Person.

Alter und Devianz

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