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1.2.2 Kognitive Ansätze

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Eine kriminelle Handlung unterliegt in der Regel einem Willens- und Wahlprozess. Wann aber entscheidet sich eine Person aktiv dafür, etwas Unrechtes zu tun und wie gelingt es ihr, dieses Wissen zu verkraften? Behilflich können dabei gedankliche Umstrukturierungen sein, die zu normabweichenden Urteilsbildungen führen. Dazu schätzen Straftäterinnen und Straftäter ihre eigenen Verhaltensweisen im Vorfeld oder auch im Nachhinein neu ein. So kann in einem derartigen Bewertungsvorgang das Risiko einer Haftstrafe mit einem möglichen finanziellen Gewinn etwa durch Raub oder Veruntreuung in einem anderen Licht erscheinen. Die Tat lässt sich auch im Nachgang kognitiv verharmlosen, indem Konsequenzen umbewertet werden. Dabei kommen auch pseudorationale oder sehr einseitige Formen der Vernunft zum Tragen, in denen Argumente augenscheinlich falsch eingeschätzt oder Handlungsfolgen schlichtweg geleugnet werden. Besonderen Bekanntheitsgrad hat vor diesem Hintergrund die Rational-Choice-Theory erlangt, die auf persönlichen Kosten-Nutzen-Abwägungen aufbaut. Clarke und Cornish (1989, S. 104) weisen darauf hin:

»[…] the decision-making processes in question will not necessarily be sophisticated, or be based upon adequate or accurate information: the offender characteristically displays limited rather than normative rationality. The nature of the decision task (for example, whether to become involved in, continue, or desist from a particular form of criminal activity or, once the decision to commit has been made, the problems of target selection) will also have an important bearing upon these processes.«

Fällt es nun älteren Menschen schwerer als jüngeren, gedankliche Umstrukturierungen in Richtung Kriminalität zu machen oder können sie sich selbst nicht mehr so einfach hinters Licht führen und entlarven auf diese Weise früh entsprechende Verlockungen einer Umkodierung?

Kognitive Theorien sind noch in anderer Hinsicht bemerkenswert. So sind in dieser Rubrik auch all jene Taten zu subsumieren, die unter Berufung auf religiöse, kulturelle oder politische Überzeugungen erfolgen und sich zugleich explizit gegen bestehende Rechtsstaatlichkeit richten. Zeugnisse geradezu infamer Umkehrungen und Verdrehungen von Recht und Unrecht finden sich in vielen Tatrechtfertigungen von Gräueltaten. Darunter fallen Links- und Rechtsextreme ebenso wie Glaubensfanatiker, die sich auf ein anderes Geltungssystem beziehen und geltende Rechtsnormen radikal zu bekämpfen versuchen. Zu nennen sind aber ebenso Unrechtsstaaten, in denen nicht der Einzelne, sondern ein ganzes Regime Recht und Logik außer Kraft setzt und damit gegen seine Bürger oder andere Staaten richtet. Um die eigene totalitäre Macht zu sichern, werden Gewalt, Repressalien und die Beschränkungen von Freiheiten eingesetzt. Dazu bedarf es häufig einer kruden und wahrheitsverachtenden Urteilsbildung. Dies kann wider besseres Wissen aber auch aufgrund von Indoktrination und Druck, mangelndem Intellekt, Desinteresse, emotionaler Beteiligung, falschen Vorbildern oder auch anderen Faktoren heraus geschehen. Warum und wie genau sich solche Tendenzen im Lebenslauf verändern oder zementieren ist nicht hinreichend untersucht.

Bizarre Züge hat innerhalb digitaler Gesellschaften auch die Berufung auf alternative Fakten selbst in demokratischen Staaten angenommen. Wenn ohne Korrektiv wissenschaftliche Fakten verleugnet und Behauptungen ohne Belege vorgenommen werden können, ist auch der Rechtsbruch nicht weit entfernt. In den letzten Jahren haben sich hier auch die Strafverfahren oder doch zumindest die Versuche einer Strafrechtsverfolgung von verschiedenen Staatsmännern und -frauen gehäuft. Viele von ihnen gehören dabei zur Gruppe älterer Menschen. Das macht diesen Teil krimineller Phänomene auch für die Alterskriminalität künftig besonders spannend.

Alter und Devianz

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