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2. Werk
ОглавлениеDas Werk Andreaes fasste sein Schwager Lukas Osiander in der Leichenpredigt treffend zusammen:
„Er hat auch seinem Herren Christo redlich Trawen vnd Glauben gehalten/biß in sein seligs End. Dann er sich von der einmal auß Gottes wort erlehrneten vnnd |27|erkandten reinen Religion, kein menschliche Spitzfindigkeit/noch gelehrter leuth Sophisterey hat jrr machen lassen: sonder die reine Lehr/wider die Papisten/Calvinisten/vnd andre Secten/beständig biß ans End vertha[e]diget“ (Fama Andreana reflorescens, 1630, 409f.).
Diese Verteidigung des Luthertums gegen alle potentiellen Gegner äußert sich in einer Fülle von Gelegenheitsschriften. So sind fünfzig akademische Disputationen von Andreae erhalten, die Zentralthemen des reformatorischen Glaubens (De Trinitate, Tübingen 1568; De iustificatione, Tübingen 1572; De bonis operibus, Tübingen 1572; De homine ad imaginem Dei creato, Tübingen 1571) ebenso behandeln wie kontroverstheologische Fragen (De Antichristo, Tübingen 1572) und Hauptpunkte der innerprotestantischen Auseinandersetzungen (De sacramento Eucharistiae, Tübingen 1565; De duabus naturis in Christo, 1569; De persona Christi, Tübingen 1572).
Bedeutsamer als diese Stücke aus dem akademischen Wirken, die Ausdruck der Nähe der Tübinger Theologie dieser Zeit zu aktuellen Debatten sind, ist aber das Predigtwerk Andreaes. „Die eigentliche kirchliche Gabe Andreaes war wohl zunächst das Predigen“ (Brecht, Andreae, 673). Auch diese Ansprachen stehen vornehmlich im Dienst der Entfaltung der lutherischen Lehre, sowohl in Auseinandersetzung mit den innerreformatorischen Gegnern wie mit den Katholiken. Charakteristischer Ausdruck dessen sind die Drey und dreissig Predigen von den fürnemsten Spaltungen in der christlichen Religion, Tübingen 1573, die, auf 1567/1568 in Esslingen gehaltene Ansprachen zurückgehend, kompendienhaft die Auseinandersetzungen der Lutheraner mit ihren Gegnern zusammenfassen.
Zentral wurde dann die konsequente Anwendung dieser Predigtweise auf die innerlutherischen Streitigkeiten in den Sechs Christlicher Predig von den Spaltungen, Tübingen 1573. Andreae formulierte hier sein Anliegen, dass „wa miiglich/durch Gottes Gnad/vnder den Theologen Augspurgischer Confession/on allen Abbruch der Go[e]ttlichen warheit/widerumb ein Christliche einigkeit angestelt werden mo[e]cht“ (Andreae, Predigten von den Spaltungen, 1573, A2v). Die sechs Predigten behandelten zehn Lehrstücke: 1. Gerechtigkeit des Glaubens, 2. Notwendigkeit der guten Werke, 3. Erbsünde, 4. Freier Wille, 5. Kirchengebräuche, 6. Gesetz Gottes, 7. Unterscheidung von Gesetz und Evangelium, 8. Dritter Gebrauch des Gesetzes, 9. Notwendigkeit oder Freiheit der guten Werke, 10. Person und Majestät Christi. Andreae umriss damit die möglichen Konfliktfelder. Dies tat er einerseits mit dem klar erkennbaren Profil eines von Brenz geprägten württembergischen Theologen, andererseits aber mit einer großen Gesprächsbereitschaft, die es ihm ermöglichte, immer wieder an Formulierungen zu feilen und von einmal gefundenen Lösungen wieder zurückzuweichen. Diese meisterhafte Diplomatie wurde von den Zeitgenossen nicht ohne Skepsis gesehen, ließ sie doch in einer Zeit, |28|die von einer Fülle von Streitkreisen geprägt war, den Eindruck einer wenig regulierten Kompromissbereitschaft erkennen. Doch gilt hier ähnlich wie in der Generation zuvor für Melanchthon, dass Andreae, kenntlich an seinen Auseinandersetzungen mit Katholiken und Reformierten, durchaus Grenzen des Kompromisses kannte und anerkannte. Innerhalb des so abgesteckten Bereiches aber blieb ein hohes Maß an Flexibilität – die letztlich die Grundlage dafür bildete, dass Andreae eben jene Schlüsselstellung gewinnen konnte, durch die er, im Verein mit anderen, insbesondere mit Martin Chemnitz, eine weitgehende Einheit des Luthertums bewirken konnte.
Dass vor diesem Hintergrund seine Theologie sich weniger durch charakteristische Originalität auszeichnet als durch die Gabe der Zusammenfassung und analytischen Durchdringung, liegt nahe. In welchem Maße er aber diese Fähigkeiten besaß, zeigt sein letztlich wohl bedeutendstes Werk, die Epitome der Konkordienformel, die in großer Souveränität die entscheidenden Punkte der lutherischen Lehrbildung in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zusammenfasste.