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Michael Agricola
(ca. 1507–1557) 1. Leben

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Der finnische Reformator Michael Agricola wurde um 1507 in der Gemeinde Pernaja (schwedisch Pernå), etwa siebzig Kilometer östlich von Helsinki, geboren. Dieser Teil der Provinz Uusimaa (schwedisch Nyland) war und ist bis heute schwedischsprachig. Daher ist die Frage der Muttersprache Agricolas sehr umstritten. Die meisten Sprachwissenschaftler schließen Schwedisch aus, während die Historiker Schwierigkeiten haben, inmitten einer schwedischsprachigen Umgebung eine Finnisch sprechende oder zweisprachige Familie anzunehmen. Wie immer es hiermit stehen mag, besteht über die außerordentliche sprachliche Begabung Agricolas kein Zweifel. Er beherrschte das Schwedische und das Finnische vollständig.

Agricola stammte aus einer wohlhabenden Bauernfamilie. Er wurde in die Lateinschule von Wiborg geschickt, wo er sich in den 1520er Jahren mit humanistischen und reformatorischen Ideen vertraut machte. Wiborg war eine Handelsstadt, in der neben Finnisch und Schwedisch auch Niederdeutsch und Russisch gesprochen wurde. Die Verbindungen zum Baltikum und den Hansestädten der südlichen Ostseeküste waren lebhaft. Den in deutschen humanistischen Kreisen üblichen Namen Agricola hatte er in der Schulzeit angenommen.

Schlossherr in Wiborg war von 1525 an Graf Johann von Hoya und Bruchhausen, ein deutscher Ritter und Abenteurer, der auf Seiten des Schwedenkönigs Gustav Vasa gegen die Dänen gekämpft und die Schwester des Königs geheiratet hatte. Er war ein Anhänger Luthers. Im Jahre 1528 wurde Johann Block, ein verheirateter Geistlicher aus Dorpat, sein Schlossprediger. Block besaß eine beachtliche Bibliothek: Kirchenväter, humanistische Autoren, neutestamentliche Kommentare von Erasmus, Schriften von Luther und anderen Reformatoren. Er stammte aus Hinterpommern, wurde Priester und siedelte nach Dorpat über, wo er sich mit der reformatorischen Bewegung vertraut und sich ihre Grundideen zu eigen machte. Er |10|blieb bis 1532 in Wiborg und wurde danach der Reformator der Stadt Barth in Mecklenburg. Es ist zu vermuten, dass der junge Agricola sich mit dem Schlossprediger und mit dessen Bibliothek vertraut machte.

Obwohl die ersten reformatorischen Einflüsse in Finnland aus den Ostseeländern stammten, wurde der Verlauf der Reformation im Königreich Schweden von Stockholm aus gelenkt. Es handelte sich um eine ausgeprägte Fürstenreformation. Schweden hatte schon 1523 die Verbindungen mit dem Heiligen Stuhl abgebrochen, und Gustav Vasa unterstützte den Reformator Olaus Petri und dessen Anhänger. Die lutherische Verkündigung gab dem Landesvater die Möglichkeit, die politische und wirtschaftliche Macht der mittelalterlichen Kirche zu brechen.

Zu Epiphanias 1528 bestieg der königliche Kandidat Martin Skytte, ein altgläubiger Dominikaner, den Bischofsstuhl von Turku (schwedisch Åbo). Er erwies sich als sehr anpassungsfähig und war bereit, das Bischofsamt aus der Hand des Königs zu empfangen. So wurde er mit dem traditionellen Zeremoniell zum Bischof geweiht – aber ohne päpstliche Bestätigung. Als der Rektor der Schule von Wiborg die Leitung von Martin Skyttes Kanzlei übernahm, nahm er seinen begabtesten Schüler mit: Agricola wurde Schreiber des Bischofs. In Turku traf er einen radikalen Lutheranhänger, den Schulmeister Peder Särkilax. Dieser hatte Erasmus in Löwen (Leuven) und Luther in Wittenberg gehört und sich in Deutschland ungeachtet seiner Priesterweihe verehelicht. Nach seiner Heimkehr fing er 1524 an, das „reine Evangelium“ zu verkündigen.

Agricola wurde zum Priester geweiht. Er kaufte sich 1531 die Postille Luthers (Benzing, Lutherbibliographie, Nr. 1150), machte sich damit gründlich vertraut, machte Unterstreichungen und schrieb über 1300 Glossen an den Rand. Die meisten sind auf Lateinisch; auf Schwedisch hat er 45 Anmerkungen geschrieben, auf Finnisch nur eine.

Bei der Hälfte der Glossen handelt es sich um Hinweise auf Bibelstellen. Sie zeigen, dass der Leser fleißig seine Vulgata durchgeblättert hat. Aus einigen Versen, die er an den Rand schrieb, geht hervor, dass er auch den lateinischen Text des Neuen Testaments von Erasmus benutzte. Die insgesamt 167 Worterklärungen veranschaulichen die Sprachfertigkeit des jungen Agricola. Er erklärte griechische und lateinische Wörter sowohl auf Lateinisch als auch auf Schwedisch. Bei der Erklärung von griechischen Wörtern bediente er sich zweier großer Wörterbücher. Dies bezeugt, zusammen mit der Tatsache, dass er einige Wörter mit griechischen Buchstaben an den Rand schrieb, wie energisch Agricola sich in das Studium des Griechischen vertiefte, das er eben zu lernen begann. Es ist kaum anzunehmen, dass er sich die Wörterbücher nur wegen einiger in der Postille verstreut auftretender griechischer Wörter beschafft hätte. Diese sollten ihm vielmehr helfen, einen gewichtigeren Text zu verstehen, und hierfür kommt wohl nichts anderes in Frage |11|als der von Erasmus erstmals 1516 herausgegebene griechische Text des Neuen Testaments, das Novum Instrumentum omne. Umfang und Niveau der Übersetzungsversuche Agricolas bleiben allerdings ungeklärt.

Unter den Glossen finden sich auch Bemerkungen zur Reformation. Die positive Einstellung des jungen Agricola geht schon daraus hervor, dass er sich die Postille überhaupt beschaffte. Die Randbemerkungen entstanden, als er seine Predigten vorbereitete, die klar von lutherischem Geist durchdrungen waren. Aus den Randglossen geht hervor, dass er sein Hauptaugenmerk auf die positive Seite von Luthers Botschaft legte und die Verkündigung des Evangeliums in den Vordergrund stellte.

Ein Universitätsstudium blieb den Schweden in den 1520er Jahren verwehrt, weil die noch dem alten Glauben anhängenden Domkapitel die neue lutherische Lehre fürchteten. Anfang der 1530er Jahre drehte sich der Wind, und die Studenten wurden jetzt direkt nach Wittenberg geschickt. So wurde Michael Agricola de Villand Svetiae im Wintersemester dort 1536 als vierter Finne immatrikuliert. Am 11. Februar 1539 wurde er zum Magister promoviert.

Zwei Briefe Agricolas an Gustav Vasa sind erhalten geblieben. In dem ersten preist er in servilem Ton die königlichen Tugenden, besonders die Bereitwilligkeit des Landesvaters, die armen Studenten reichlich zu unterstützen. Das habe dem Schwedenkönig überall hohen Ruhm eingetragen. Agricola wusste wohl, dass seine Worte nichts mit der Wirklichkeit zu tun hatten. Der Brief blieb ebenso wie ein anderer gleichen Inhalts ohne Erfolg. Die Begründung Agricolas, mit Hilfe des Stipendiums „könnte man im Laufe der Zeit das Neue Testament ins Finnische übersetzen, eine Arbeit, mit der bereits begonnen wurde“ (Agricola an Gustav Vasa, 3. März 1538, Skrivelser till Konung Gustav I, Risarkivet, Stockholm), half nichts.

Agricola hörte Vorlesungen bei Luther und Melanchthon und war gelegentlich Gast an Luthers Tisch. Die Reformatoren schrieben ihm Empfehlungen an Gustav Vasa. Den Einfluss der beiden kann man in den Schriften Agricolas feststellen. Das Wichtigste für ihn war die Lutherbibel, aber er übersetzte ebenfalls aus dem Kleinen Katechismus, dem Gebetbuch und dem Trau- und Taufbüchlein und auch aus den Kommentaren zu Jesaja, Sacharja und den Kleinen Propheten. Von Melanchthon übersetzte er einige Gebete.

Nach seiner Rückkehr wurde Agricola Rektor der Domschule in Turku. Er war zugleich Kanonikus und Sekretär des Domkapitels und leitete die Schule bis 1548, dann wurde er entlassen, weil er mit der königlichen Schulpolitik nicht einverstanden war, deren Ziele sich auf die Ausbildung von guten Schreibern für die königliche Kanzlei und Steuerkammer beschränkten. Im Laufe der 1540er Jahre zog sich der alte Bischof allmählich zurück, und Agricola erhielt eine |12|leitende Stellung im Domkapitel. Nach dem Tode des Bischofs 1550 galt er als dessen selbstverständlicher Nachfolger. Gustav Vasa ließ aber den Bischofsstuhl zunächst unbesetzt, und als Agricola endlich vier Jahre später ernannt wurde, war das Bistum nicht mehr dasselbe. Der König hatte es geteilt. „Das hat dem Magister Michael nicht sehr gefallen“, berichtet Paulus Juusten, der erste Bischof des neuen Stifts Wiborg (P. Juusten, Catalogus et ordinaria successio episcoporum Finlandensium, hg. v. S. Heininen, 1988, 76f.). Die Absicht des Königs war es, die Macht des Bischofs von Turku zu beschränken. Die erste Amtshandlung Agricolas, die Missa episcopalis im vollen Ornat in der Turkuer Domkirche, war eine Demonstration für die libertas ecclesiae; der König war hierüber sehr verärgert, wie der untertänige Juusten zu berichten weiß.

Agricolas Zeit als Bischof blieb kurz und wurde vom Krieg zwischen Schweden und Russland überschattet. Er wurde Mitglied der Delegation, die Gustav Vasa zu Friedensverhandlungen nach Moskau schickte. Auf der Rückreise erkrankte Agricola und starb am 9. April 1557. Drei Tage später wurde er in Wiborg beerdigt.

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