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Johannes Brenz
(1499–1570) 1. Leben

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Johannes Brenz gehört zu den wenigen Akteuren der Reformation, die von ihren Anfängen bis in den Übergang in die Zeit der Konfessionen wichtige Gestaltungsaufgaben wahrnahmen. Am 24. Juni 1499 in der Reichsstadt Weil der Stadt als Sohn des Richters und Schultheißen Martin Hess mit dem Beinamen Prentz und seiner Frau Katharina, geb. Henig, geboren, erhielt er seinen Vornamen nach dem Tagesheiligen Johannes dem Täufer. Er war zweimal verheiratet: 1530 ehelichte er Margarete, geb. Gräter, verwitwete Wetzel. Aus dieser Ehe ging der spätere Tübinger Theologieprofessor Johannes Brenz d. J. hervor. Nach dem Tod seiner ersten Frau im Jahre 1548 heiratete Brenz im Jahr 1550 Katharina Eisenmenger.

Als er in Heidelberg und vor allem in Vaihingen a. d. Enz die Schule besuchte, kam er unter den Einfluss des Humanismus. Dieser verstärkte sich, als er am 13. Oktober 1514 an der Universität Heidelberg immatrikuliert wurde, wo u.a. der spätere Basler Reformator Johannes Oekolampad zu seinen Lehrern zählte. 1516 erwarb er den Grad eines Baccalaureus Artium, 1518 den eines Magisters.

Im selben Jahr wurde er auch Zeuge der Heidelberger Disputation, die offenbar für ihn wie für andere spätere Reformatoren im Südwesten die Initialzündung für eine Hinneigung zur reformatorischen Theologie bedeutete, auch wenn man den Zeitpunkt einer reformatorischen Wende nicht genau datieren kann. Noch 1520 erhielt er die Stelle eines Vikars und Kanonikus am Heidelberger Allerheiligenstift. Aus dieser Zeit sind keine eigenen Zeugnisse von Brenz erhalten, doch war 1522 seine reformatorische Haltung schon so notorisch, dass es in der Folge des Wormser Ediktes zu einem ihm und Theobald Billican geltenden Verbot von Predigten und Vorlesungen an inoffiziellen Orten kam, was wohl als Indiz für „Vorlesungs- und Predigttätigkeit […] in reformatorischem Sinne“ gewertet werden kann (Brecht, Frühe Theologie, 13).

Als er 1522 als Prediger an die Stiftskirche der Reichsstadt (Schwäbisch) Hall berufen wurde, konnte man also einen humanistisch gebildeten und der Reformation |53|geöffneten Gelehrten erwarten. Bald war Brenz auch in diesem umfassenden Sinne tätig: Einerseits galt seine Sorge der Besserung der schulischen Ausbildung in Hall durch die Berufung von Sebastian Coccyus zum Rektor der städtischen Schule, andererseits zeigen schon seine ersten Predigten Ansätze zur Reform, insbesondere durch die Kritik am Heiligenkult.

Die Durchsetzung der Reformation erfolgte dann, wie in vielen anderen Städten, infolge einer Disputation, die freilich in Hall nur eine begrenzte Reichweite hatte: Brenz stand 1524 den Mitgliedern des Franziskanerklosters gegenüber – das Gespräch hatte zum Ergebnis, dass in der Folge deren Niederlassung geschlossen und die evangelische Predigt toleriert wurde. Dennoch erfolgte die erste evangelische Abendmahlsfeier in Hall erst Weihnachten 1526. Zu diesem Zeitpunkt hatte Brenz seine Position zum Abendmahl schon deutlich artikuliert: Das Syngramma Suevicum, in dem sich 1525 mehrere schwäbische Theologen zugunsten einer Betonung der leiblichen Gegenwart Christi gegen die Abendmahlsdeutung durch Brenz’ früheren Lehrer Oekolampad wandten, geht im Wesentlichen auf ihn zurück; die Vorrede, die Luther hierzu verfasste (WA 19, 457–461; vgl. ebd., 529f.), begründete eine enge Gemeinschaft in dieser Sache, welche sich auch fortsetzte, als Brenz auf Seiten der Wittenberger im Oktober 1529 am Marburger Religionsgespräch teilnahm.

Die Einführung des evangelischen Abendmahlsgottesdienstes bildete den Auftakt für sein umfassendes reformatorisches Werk in der Reichsstadt. Anfang 1527 wurde die Reformation der Kirchen in dem Hellischen Land erlassen. Hier wurden die evangelische Predigt, die Feier von Taufe und Abendmahl sowie – Ausdruck des starken Interesses von Brenz an Fragen der Kirchenzucht – der Kirchenbann geregelt. Noch im selben Jahr verfasste Brenz auch seinen ersten Katechismus, die in einem Druck von 1528 überlieferten Fragstuck des Christenlichen glaubens für die Jugendt zuo Schwebischen Hall, welche einen Catechismus minor für Kinder und einen Catechismus maior für die Erwachsenen umfassten. 1535 legte Brenz eine neue, später durch die Aufnahme in die Große Württembergische Kirchenordnung verbreitete Fassung des Katechismus vor, die sich vor allem durch ihre Knappheit und die eigenwillige Gliederung von anderen reformatorischen Katechismen – auch denen Luthers – abhob: Brenz behandelte nacheinander Taufe, Glaubensbekenntnis, Vaterunser, die Zehn Gebote und das Abendmahl.

Mit der rasch voranschreitenden inneren reformatorischen Gestaltung in Hall hielt die äußere Parteinahme nicht immer Schritt: Die Stadt folgte dem Drängen von Brenz, 1530 die Confessio Augustana zu unterzeichnen, nicht und trat dem Schmalkaldischen Bund erst 1538 bei. Gleichzeitig konnte Brenz seinen Einfluss aber schon über die Grenzen der Reichsstadt hinaus ausdehnen, in welcher er ab 1543 das gut dotierte Amt des obersten Prädikanten innehatte und durch eine |54|zweite Kirchenordnung sein Werk absichern konnte: Gemeinsam mit dem Nürnberger Reformator Andreas Osiander arbeitete er 1530–1532 an der 1533 in Kraft gesetzten Brandenburg-Nürnbergischen Kirchenordnung; insbesondere gelang es ihm dabei, die von Osiander für möglich gehaltene Erlaubnis von Messen ohne Kommunikanten zu verhindern. Vor allem aber trat er seit Einführung der Reformation in Württemberg im Jahre 1534 in Verbindung mit dem Herzogtum. Hier war es infolge der Wiedereinsetzung Herzog Ulrichs in seine Herrschaft durch das Wirken von Erhard Schnepf und Ambrosius Blarer zu einer eigenen Gemengelage aus einer inhaltlich stark an der Wittenberger Reformation orientierten Ausrichtung einerseits und einer eher oberdeutschen äußeren Gestaltung andererseits gekommen, durch welche Herzog Ulrich einerseits den Anschluss an die mitteldeutschen Zentren der Reformation erlangte, andererseits aber den benachbarten Reichsstädten symbolisch deutlich machen konnte, dass er das gemeinsame Lager nicht verließ. Brenz verstärkte in seiner beratenden Tätigkeit die lutherische Seite, so etwa durch seine Option für die Beibehaltung der Bilder auf dem sog. „Uracher Götzentag“ 1537 oder durch seine Wirksamkeit als Commissarius der Tübinger Universität 1537/1538.

Die Verbindung mit dem Herzogtum intensivierte sich, als Brenz am 24. Juni 1548 infolge der Besetzung der Stadt durch die Truppen des Kaisers Hall verlassen musste; bis dahin hatte er die Reichsstadt als sein eigentliches Aufgabenfeld gesehen und etwa Rufe an die Universitäten Tübingen und Leipzig abgelehnt. Er beriet nun sowohl Ulrich selbst als auch dessen Sohn Christoph, der in der Grafschaft Mömpelgard (Montbéliard) regierte. Gegenüber den Bestimmungen des Interims äußerte er sich schon seit dem ersten Bedenken der Haller Prädikanten im Mai 1548 kritisch; eine Lösung erwartete er sich von einem allgemein christlichen Konzil, dessen Bedingungen er jedoch durch das päpstliche Konzil von Trient nicht erfüllt sah. Als Berater der württembergischen Herzöge aber entwickelte er Bereitschaft zu einer evangelischen Beschickung des Konzils. Entsprechend nahm er selbst hieran 1552 als Gesandter des seit 1550 regierenden Herzogs Christoph von Württemberg teil und verfasste hierfür die Confessio Virtembergica, deren Hauptanliegen es war, die Übereinstimmung der lutherischen Lehre mit dem biblischen Befund und den Vätern nachzuweisen. Die sorgsam erarbeitete Schrift fand allerdings auf Seiten des Konzils keine Beachtung, die württembergischen Gesandten wurden nur in einer Kongregation am Rande gehört, nicht im Rahmen einer offiziellen Sessio.

Entsprechend kehrte Brenz unverrichteter Dinge nach Württemberg zurück, wo er in führende Positionen der Kirche einrückte. Ab 1553 war er Stiftspropst in Stuttgart und damit, unterstrichen durch das Amt eines herzoglichen Rats, faktisch der höchstrangige Superintendent der entstehenden Landeskirche. Als solcher trieb |55|er eine umfassende Reorganisation der Kirche voran, die 1559 in die Große Kirchenordnung mündete. In diesem Gesamtwerk, aus dem neben der Aufnahme und Verbreitung des erwähnten Katechismus die Kirchenordnung und Visitationsordnung von 1553 sowie die für das württembergische Bildungswesen so folgenreiche Umfunktionierung von Klöstern in Klosterschulen 1559 herausragen, kann man durchaus eine zweite Grundlegung der württembergischen Kirche nach den ersten Reformationsmaßnahmen der dreißiger Jahre sehen.

Gegenüber der gewaltigen Organisationsarbeit, die Brenz hier zu leisten hatte, tritt seine Beteiligung an den nachinterimistischen Streitkreisen des Luthertums etwas zurück. Seine individuelle Charakteristik ergibt sich hier vor allem daraus, dass er zu den wenigen gehörte, die Verständnis für die Rechtfertigungslehre Andreas Osianders aufbrachten. Hinzu kam sein vehementer Einsatz für die leibliche Präsenz Christi im Abendmahl. Als in Württemberg in der Pfarrerschaft – insbesondere bei dem am Hof tätigen Prediger Bartholomäus Hagen – calvinistische Neigungen auftraten, führte Brenz auf einer Synode in Stuttgart 1559 ein Bekenntnis zur Omnipräsenz der Menschheit Christi herbei, und 1564 sorgte er in einem Gespräch in Maulbronn mit den Pfälzer Theologen für eine klare Abgrenzung des lutherischen Abendmahlsverständnisses vom reformierten. Sechs Jahre später, am 11. September 1570, ist er gestorben.

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