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Der Schatten des Zweiten Weltkriegs
ОглавлениеEuropa hat sich auf den Trümmern des Zweiten Weltkriegs als befriedeter Kontinent konstituiert. Nach Jahrhunderten interner Kämpfe musste es sich neu erfinden, um zu überleben. Der Krieg als Matrize seiner Geschichte schwebt von Neuem wie ein warnender Schatten über einer politischen und juristischen Konstruktion, der es schwerfällt, sich weiterhin herauszuhalten.
Eine Christusstatue umringt von den Ruinen des durch die Wehrmacht 1944 zerstörten Warschaus.
„Wohin sind die Soldaten verschwunden?“ Diese Frage stellte sich der US-amerikanische Historiker James J. Sheehan in einem vor Kurzem erschienenen Buch. Der friedliche way of life, der an der Wende zum 21. Jahrhundert von Lissabon bis Tallinn und von Dublin bis Bukarest vorherrscht, scheint zu bestätigen, dass das Konsumdenken und die Sorglosigkeit nunmehr weit entfernt sind von jeglicher Kriegskultur und diesem traditionellen „Kult der Nation in Waffen“ (Jakob Vogel), der die europäischen Gesellschaften so lange mobilisiert hat, um sie in einem ähnlichen Stechschritt aufeinander losmarschieren zu lassen. Heute mobilisiert das Nein zum Krieg die Massen. Die bislang größte transeuropäische Menschenansammlung hat am 15. Februar 2003 stattgefunden, um gegen die US-amerikanische Intervention im Irak und die Beteiligung mancher europäischer Staaten an dieser Koalition zu protestieren. Eine Million Demonstranten in London, Rom und Barcelona, 500.000 in Madrid, Berlin und Paris sowie Demonstrationen in allen europäischen Städten, in Wien, Budapest, Prag und Warschau bis hin nach Minsk und Moskau.
Die reenactments, diese kostümierten und spielerischen Wiederholungen großer Schlachten der Römerzeit, des Mittelalters oder der napoleonischen Zeit, die Mode des histotainement oder auch die Videospiele lassen wie früher die Zinnsoldaten und die Kartenspiele die Kriege von einst im Gedächtnis lebendig bleiben. Doch das große Narrativ ist heute das der Demokratisierung und der Pazifizierung des Kontinents, die Jacques Derrida und Jürgen Habermas nach den großen Demonstrationen von 2003 in ihrem gemeinsamen Plädoyer mit dem Titel „Nach dem Krieg: die Wiedergeburt Europas“ deutlich zum Ausdruck brachten. Der Friedensnobelpreis, der 2012 der Europäischen Union verliehen wurde, bestätigt diese vorherrschende Sicht der Dinge.