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Der Erste Weltkrieg – Europas Selbstmord
ОглавлениеDer Erste Weltkrieg hat die Herrschaft Europas beendet und Wunden geschlagen, die nie verheilt sind. Heute gibt es ein breites Gedenken an diese Katastrophe, zugleich von Staaten wie von Individuen, fast so, als fülle es in Gesellschaften, in denen Institutionen zerfallen, ein religiöses Vakuum und befriedige ein Bedürfnis nach den eigenen Wurzeln und der Herkunft.
Der französische Präsident Emmanuel Macron begeht am 8. November 2018 das Gefallenenmahnmahl für den Ersten Weltkrieg in Notre-Dame de Lorette. Mehr als 580.000 Namen von Gefallenen sind eingraviert auf diesen ‚Buchseiten‘ des „Anneau de la Mémoire“, des „Rings der Erinnerung“, in alphabetischer Reihenfolge, ohne Nationalität, Dienstgrad und ohne Religionszugehörigkeit.
Seit 2014 hat sich eine Flut von Gedenkveranstaltungen über die Länder, die am Ersten Weltkrieg beteiligt waren oder aus ihm hervorgegangen sind, ergossen. Andere Staaten, die von dem Gemetzel der Jahre 1914–1918 weniger direkt betroffen waren, haben ebenfalls an der Diskussion über sein Wesen, seine Ursachen und seine Folgen teilgenommen.
Diese weltweite Welle von Gedenkfeiern ist keineswegs überraschend: Der Große Krieg hat die internationale Staatenordnung radikal verändert, er hat eine neue Ära eröffnet, die wir als „Kalten Krieg“ zwischen dem Kommunismus und seinen Gegnern bezeichnen, und der europäischen Vorherrschaft über die Angelegenheiten der Welt ein Ende gesetzt. Wie von Alexis de Tocqueville vorhergesagt, sind es nunmehr die Vereinigten Staaten und Russland (das zum Kern der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken geworden war), die einen europäischen Kontinent einrahmen, dessen Kriegswunden nie gänzlich verheilt sind. Eine dezentralisierte Weltwirtschaft ersetzte eine eurozentrierte Wirtschaft, die die Kosten ihrer Präsenz in ihren Kolonien und ihren Einflussgebieten nicht mehr unbegrenzt tragen kann. Die Alliierten gewannen zwar den Krieg zum Teil dank ihrer imperialen Macht, aber dieser Konflikt markierte zugleich den Höhepunkt und den Anfang vom Ende der Imperien.