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Reformpolitik und Emanzipation im Zeichen der Napoleonischen Kriege (1805–1815)

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Im ausgehenden 18. Jh. hatte sich Preußens Judenpolitik auch wegen der territorialen Veränderungen des Staates zu einem undurchschaubaren Geflecht einander z.T. widersprechender Bestimmungen entwickelt. Die zeitgemäße Lösung konnte eigentlich nur noch in der Beseitigung dieser Gesetze und in der rechtlichen Angleichung an die übrigen Untertanen bestehen. Von einem den Juden so ablehnend gegenüberstehenden Herrscher wie Friedrich II. war dies aber nicht zu erwarten. Sein Nachfolger Friedrich Wilhelm II. (1786–1797) empfand zwar anders, war aber zu schwach, um eine Emanzipation der Juden Preußens gegen die Bedenken der Bürokratie durchzusetzen. So versandeten zwischen 1787 und 1801 mehrere Anläufe zur Verbesserung der rechtlichen Lage der Juden. Immerhin wurde im Oktober 1801 die Solidarhaftung, nach der für ein Vergehen eines einzelnen Juden die gesamte Gemeinde haftete, abgeschafft. Hierin erschöpften sich jedoch bereits die Versuche zur Emanzipation der Juden im preußischen Ancien Régime.

Bis zur Niederlage bei Jena und Auerstedt von 1806 erwies sich der Hohenzollernstaat als unfähig, seine erstarrte Administration und veraltete Sozialstruktur mit zeitgemäßen Zügen auszustatten. Die gescheiterten Versuche zur Emanzipation der Juden waren nur einer der Aspekte dieser generellen Erstarrung.

Reformpolitiker wie Reichsfreiherr Karl vom und zum Stein (1757–1831) und Freiherr Karl August von Hardenberg (1750–1822) standen nach der Niederlage von 1806 vor der Herausforderung, den bedrängten Hohenzollernstaat so zu reformieren, daß er zunächst lebensfähig blieb, um später Frankreich und Bonaparte widerstehen zu können. Aussichtsreich konnte diese Hoffnung nur unter der Voraussetzung eines gründlichen Umbaus von Staat und Gesellschaft sein. Alle zur Verfügung stehenden Ressourcen mußten genutzt werden. In diesem Plan konnten für Hardenberg die Juden Preußens nicht ausgeklammert bleiben. Insbesondere für die Wirtschaft des Landes versprach er sich, ganz im Sinne der Überlegungen Dohms, von einer Gleichstellung der Juden wichtige Beiträge. Die Emanzipation der Juden nach den von Dohm vorgegebenen Leitlinien stellte somit ein Element der generellen Reformpolitik, die nun in die Wege geleitet wurde, dar.

Kein preußischer Politiker förderte die Emanzipation der preußischen Juden so nachdrücklich wie der ab 1810 als Staatskanzler amtierende Hardenberg. Schon am 6. März 1812 legte dieser dem König ein Emanzipationsgesetz zur abschließenden Besprechung vor. Friedrich Wilhelm III. (1797–1840) stimmte dem Entwurf grundsätzlich zu, lehnte aber eini ge Einzelbestimmungen, z.B. die Öffnung der Beamten- und Offizierslaufbahn für Juden, ab. Der vom König veränderte Wortlaut enthielt daher schließlich Einschränkungen, die der preußischen Bürokratie auch später noch dazu dienten, den Aufstieg von Juden in die Offiziersränge zu verhindern. Am 11. März 1812 wurde das 39 Paragraphen umfassende Edikt rechtskräftig. Alle in den damaligen Landesgrenzen Preußens legal lebenden Juden wurden durch dieses Edikt den Christen annähernd gleichgestellte „Einländer“. Das jahrzehntelange Ringen der preußischen Juden um die staatsbürgerliche Emanzipation hatte damit einen (vorläufigen) Abschluß gefunden.

Das Emanzipationsedikt von 1812 galt für das seit der Niederlage gegen Napoleon deutlich verkleinerte „restpreußische“ Gebiet. Der größte Teil Deutschlands stand zu dieser Zeit jedoch unter der Herrschaft anderer Staaten: Im Süden regierte Österreich, der Westen war bis zum Rhein direkt an Frankreich gefallen, und im Norden hatten sich französische Vasallenstaaten etabliert. Die im Rheinbund zusammengeschlossenen rechtsrheinischen Staaten waren ebenfalls von Frankreich abhängig. Wie überall in Europa wurde auch in Deutschland in den direkt oder indirekt unter der Herrschaft Napoleons stehenden Staaten unter dem französischen Einfluß die Emanzipation der Juden betrieben. So galten in den linksrheinischen Gebieten nun die französischen Emanzipationsgesetze von 1791, und im Königreich Westfalen, Napoleons Modellstaat für Deutschland, wurde ebenfalls die vollständige bürgerliche Gleichstellung der Juden gegen den heftigen Widerstand von Bürokratie, Kaufleuten und Handwerkern durchgesetzt. In den meisten Rheinbundstaaten hingegen kamen die Emanzipationsgesetze nur mit eingeschränkten Bürgerrechten für die Juden zustande. Vergleichsweise wenig änderte sich für die Juden in einigen am äußersten Rand des Rheinbunds gelegenen Staaten wie Sachsen, Mecklenburg-Strelitz und Mecklenburg-Schwerin.

Im Vergleich mit den in den übrigen deutschen Staaten erlassenen Emanzipationsedikten nahm das preußische Edikt von 1812 eine Art Mittelposition ein. Es war großzügiger als die Gesetze in vielen Rheinbundstaaten und schon gar als die in den eher abseits gelegenen Staaten wie Sachsen oder Thüringen, infolge einiger Beschränkungen aber auch nicht so umfassend wie das des Königreichs Westfalen. Aufs Ganze gesehen hatte Preußen 1812 seinen Juden – zumindest auf dem Papier – mehr zugestanden als das Gros der deutschen Staaten. Einen Überblick gibt die Tabelle auf der folgenden Seite.

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