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Kurze historische Skizze
ОглавлениеNach der Absetzung des letzten weströmischen Kaisers Romulus Augustulus siedelte der Germane Odoakar seine eigenen Leute an strategisch und wirtschaftlich wichtigen Plätzen an nach dem Recht der hospitalitas, um Oberitalien bzw. Campanien und Bruttium seiner Herrschaft zu sichern. Gegen Zahlung von Jahrgeldern erhielt er zudem das von den Vandalen okkupierte wirtschaftlich bedeutende Sizilien zurück. Ferner suchte er die Zusammenarbeit mit dem Senat, d.h. den mächtigen senatorischen Familien, die gute Beziehungen nach Konstantinopel besaßen, sowie mit den Bischöfen, die sich wegen des schwelenden Kirchenstreits eher mit dem arianischen, aber katholikenfreundlichen Odoakar abgefunden hatten als mit einem als häretisch angesehenen Ostkaiser.70 So wurde Odoakar auch die militärisch notwendig gewordene Aufgabe der Provence zu Gunsten der Westgoten und die Preisgabe Ufernorikums an die Rugier, d.h. die Umsiedlung der Romanen nach Italien, nicht negativ angelastet.71 Schließlich konnte er auch den Senat bestimmen, durch eine Gesandtschaft nach Konstantinopel das weströmische Kaisertum für beendet zu erklären.72 Allerdings erhielt er von Ostrom nicht die erwünschte Bestätigung als „Verweser“ des Westreiches und die erbetene Würde eines patricius, verbunden mit der Stellung eines magister militum – vergleichbar mit der Stellung eines Ricimer73 –, sondern galt für den nunmehr allein herrschenden Kaiser als „Usurpator“ und seine Regierung als Ausscheren aus dem Reichsverband, da der König seine Handlungen (gesta und acta) nicht zur Billigung dem Kaiser vorlegte. Immerhin konnte Odoakar bis 493 unangefochten regieren, zumal Konstantinopel mit eigenen Problemen beschäftigt war. Zenos Herrschaft war durch die Usurpation seines Schwagers Basiliskos 475 in eine ernste Krise geraten, und nur durch die Hilfe der Amaler-Goten, d.h. Theoderichs, der dafür den Rang eines Heermeisters (magister militum praesentalis) und die Patricius-Würde zuerkannt erhielt, konnte er die Macht zurückgewinnen. Der Versuch Zenos, die römische Kirche zu einer Einheit mit der Ostkirche zu bewegen und mit Unterstützung des Patriarchen Akakios (471–489) 482 ein Unionsdekret, das „Henotikon“, als für das gesamte Imperium verbindlich zu verkünden, scheiterte an Papst Gelasius und dessen „Sekretär“ und späteren Nachfolger Felix: Akakios wurde von Felix III. gebannt. Damit drohte Italien dem Kaiser zu entgleiten. Hier aber kam ihm der Ehrgeiz des jungen Amalers Theoderich entgegen.74
Theoderich, der zehn Jahre als Geisel in Konstantinopel zugebracht hatte, konnte sich nach seiner Rückkehr zu den Ostgoten eine eigene Herrschaft (dicio) und Gefolgschaft aufbauen. Nach dem Tode seines Vaters Thiudimir 474 wurde er zudem als Erbe der amalischen Königswürde anerkannt, und nach dem Tode seines Rivalen Theoderich „Strabo“ schlossen sich ihm auch andere Gotenkrieger an: Er wurde zum mächtigsten Germanenführer im Osten.
Obwohl Kaiser Zeno versuchte, Theoderich durch die Verleihung des Consulats 484 und des Amtes eines „Reichsfeldherrn“ (magister militum praesentalis et patricius) an Byzanz zu binden, und dessen Ostgoten Siedlungsland in der Dacia Ripensis und Moesia inferior (Nordbulgarien) anbot, schraubte der Amaler seine Forderungen immer höher. So entschloss sich Zeno, die Ostgoten gegen Odoakar zu senden, jedoch ohne Ansiedlungsvertrag im Rahmen des Einquartierungsrechtes (hospitalitas). Hingegen sollte Theoderich vorübergehend eine Art Vizekaisertum (loco imperatoris) ausüben.75 Im Jahr 488 zog der Amaler mit etwa 100.000 Ostgoten – Kriegern und deren Angehörigen – aus Novae (Sistova/Schwischtow) ab, wobei sich ihm unterwegs auch Rugier anschlossen. Odoakar hatte zunächst am Isonzo Stellung bezogen, wurde jedoch in der Schlacht am 28. August 489 auf Verona zurückgeworfen. Die kriegerischen Auseinandersetzungen zogen sich bis 493 hin (die so genannte „Rabenschlacht“). Durch Vermittlung oberitalischer Bischöfe, vor allem des Bischofs Johannes von Ravenna, wurde schließlich eine gemeinsame Regierung des Amalers und Odoakars vereinbart, doch beseitigte Theoderich diesen umgehend durch eigenhändigen Totschlag.76 Da Byzanz während des Kriegsverlaufs eine offizielle Anerkennung Theoderichs hinauszögerte, entschlossen sich die Ostgoten, Theoderich selbst die Königsherrschaft über Italien zu bestätigen, das sie als „speergewonnenes“ Territorium betrachteten.77 Dennoch erfolgte die anschließende Ansiedlung nach den Richtlinien der hospitalitas, wobei die Goten an strategisch wichtigen Orten militärische Zentren bildeten.78 Erst durch Kaiser Anastasius, dem Nachfolger des am 9. April 491 verstorbenen Zeno, wurde durch die Übersendung der vestis regia auch offiziell die Anerkennung von Theoderichs Königtum durch Byzanz ausgesprochen.
Theoderich hatte, wie er selbst schreibt, im Osten die Effektivität der Reichsverwaltung kennen gelernt,79 und so behielt er die Zentralverwaltung des weströmischen Reiches in der Zivil- wie in der Steuerverwaltung bei. Für die zivilen Ämter wurden die in Rechtsfragen erfahrenen Römern herangezogen,80 die militärischen Aufgaben blieben zumeist Goten vorbehalten.81 Aber der König trachtete, seine Goten in die römische Verwaltungsordnung zu integrieren, indem er sie als Landbesitzer ebenso steuerpflichtig machte wie die Romanen.82 Ähnlich dem kaiserlichen Consistorium bildete Theoderich aus den höchsten Beamten (iudices) einen „Staatsrat“, zudem einen aus dem gotischen Stammes- und Schwertadel (comites) gebildeten Beraterstab. Grundlage des Rechts blieb der „Codex Theodosianus“, der nach und nach ein Übergewicht über das gotische Stammesrecht (belagines) erlangte. Der König selbst beanspruchte für die romanische Bevölkerung das Ediktrecht, empfand sich gegenüber Romanen und Ostgoten als „Hort der Gerechtigkeit“. Die kaiserliche Gerichtsbarkeit für Italien und die Appellation an den Kaiser aber bestand nicht mehr.
Wir haben Anzeichen dafür, dass Theoderich nach staatlicher Eigenständigkeit strebte und dies auch durch ein weit gespanntes Bündnissystem in Form von Heiratspolitik abzusichern trachtete: Der König plante auf diese Weise eine germanische „Völkerfamilie“, basierend auf dem arianisch-germanischen Glauben (so genannte gotische Liturgie),83 die zu politisch stabilen Verhältnissen im Westen führen sollte, ein politisch weit blickendes Ziel, das ihn zu Recht in die Reihe der „Großen“ der Weltgeschichte stellte. Er selbst aber empfand sich als Schiedsrichter in dieser „Familie der Könige“, da er, im Besitz Italiens, sich als Erbe der römischen, auch rechtspolitischen Kultur fühlte.84
Der Aufbau der gotischen Herrschaft war begünstigt von den bereits angesprochenen kirchlichen und innenpolitischen Schwierigkeiten Roms mit Konstantinopel, zumal der neue Kaiser Anastasius sich der Sekte der Eunomianer zugewandt hatte. Papst Gelasius (492–496) hatte in einem scharfen Schreiben an Kaiser Anastasius die Lehre von den zwei Gewalten formuliert, die die geistliche Macht der weltlichen überlegen und damit dem kaiserlichen Einfluss entzogen definierte.85 Als aber dessen Nachfolger Papst Anastasius II. (496–498) wiederum das Gespräch mit Byzanz suchte, reagierte der Kaiser damit, dass er das Königtum Theoderichs anerkannte und damit Italien wieder als Teil des Imperiums zu definieren suchte.
Der Dissens mit Byzanz brach jedoch erneut aus, als 498 in einer Doppelwahl Symmachus, Vertreter der Politik des Gelasius, und Laurentius, Vertreter des Ausgleichs und zugleich Exponent der Senatsmehrheit, als Päpste nominiert wurden.86 Beide Parteien wandten sich an den Arianer Theoderich, nicht aber an den Kaiser. Zwar entschied der Amaler nach rein juristischen Gesichtspunkten – es „siegte“ der zuerst Gewählte, Symmachus –, aber auch seine politische Sympathie musste naturgemäß auf der Seite dieses Papstes liegen. Als Theoderich dann im Jahre 500 in Rom sein 30-jähriges Regierungsjubiläum feierte, schien sein Herrschertum unangefochten.
Aber auch dann, als nach dem Tode des Symmachus mit Hormisdas (514–523) ein Papst gewählt wurde, der bereit war, mit Byzanz über die Fragen der Orthodoxie zu sprechen, hielt sich der Amaler in der Kirchenpolitik zurück, begann aber zunehmend innenpolitisch nervös zu reagieren. Zudem verursachte die ungehemmte Eroberungspolitik des Franken Chlodwig außenpolitische Schwierigkeiten. So unterwarf dieser 497 die Alamannen, ein Sieg, in dessen Folge sich der bislang heidnische Chlodwig an Weihnachten 498 mit Zustimmung des fränkischen Adels zum Katholizismus bekehrte, der Religion seiner romanischen Untertanen. Damit unterlief er Theoderichs Plan einer Einheit der arianischen Könige: Die Balancepolitik war zerstört.
Dies zeigte sich sofort, als Bischof Avitus von Vienne (Burgund) den Übertritt Chlodwigs zum Katholizismus als Erlösung und beginnende Einigung des Westens wertete,87 und auch der Kaiser ehrte Chlodwig durch Verleihen eines Ehrenconsulats.88 Vor allem das Verhalten der Burgunden ab 500 zeigt, dass sie bereit waren, die Vorherrschaft Chlodwigs in Gallien anzuerkennen, um von der Feindschaft zwischen Franken und Westgoten zu profitieren. Alarich II., Schwiegersohn Theoderichs, hatte zwar mit Chlodwig einen Freundschaftspakt geschlossen, doch 507 brach der fränkisch-westgotische Krieg aus, in dem Alarich II. auf dem „vogladensischen Feld“ (Vouillé) Schlacht und Leben verlor. Im Zuge dieses Krieges besetzten die Burgunden die westgotische Provence. Theoderich, durch ein byzantinisches Flottenunternehmen gegen Unteritalien gehindert, konnte erst Mitte 508 die Provence den Burgunden und Septimanien den Franken wieder abnehmen, aber das Bündnissystem war endgültig gescheitert.
Hier ist es notwendig, noch einmal auf die Einträge in der „Collectio Admontensis“ zu sprechen zu kommen. Natürlich ist es schwierig, die Herkunft der Einträge und unterschiedlichen „Capitula“ zu bestimmen, zumal mehrere Schreiber („Hände“) erkennbar sind. Winfried Stelzer neigt dazu, den Ursprung der Einträge in den südfranzösischen Schulen von Valence und Die zu suchen. Damit müsste die Vorlage für die uns interessierenden Paragraphen des ET ebenfalls an der Grenze zwischen „Burgund“ und „Provence“ gesucht werden. Aber selbst dies ist, da diese „Provincia“ ab 508 zum Herrschaftsgebiet von Theoderich dem Großen gehörte, kein sicheres Indiz dafür, dass die Äußerung Pithous, es handle sich um ein „ius Ostrogothicum“, irrig ist.
Sorge bereitete Theoderich auch die eigene Nachfolge: 515 hatte er seine Tochter Amalaswintha mit dem Westgoten Eutharich verheiratet, einem überzeugten Arianer, der trotz seiner Romfreundlichkeit Konflikte mit der Kirche heraufbeschwor. Lediglich der Kirchenstreit zwischen Ost und West verhütete, dass Rom sich auf der Seite des Kaisers engagierte. Als aber nach dem Tod des Anastasius am 9. Juli 518 der damalige comes excubitorum Justinus Nachfolger wurde, bot sich die Möglichkeit eines Ausgleichs. Der neue Kaiser betrieb unter dem Einfluss seines Neffen Justinian eine romfreundliche Kirchenpolitik, was den Wünschen des Papstes Hormisdas entgegenkam, der in der „Formula Hormisdae“ die Beschlüsse des Konzils von Chalcedon als Grundlage der Rechtgläubigkeit hervorhob. Am 28. Mai 519 ließ Justinus den Patriarchen von Konstantinopel, Johannes II., die „Formula“ unterschreiben, die religiöse Einheit war wiederhergestellt. Für Theoderich aber bedeutete dies eine mögliche Zusammenarbeit des Senates mit dem Kaiser, eine Haltung, die Eutharich offenbar durch Überreaktion gegen die Katholiken zu verhindern suchte. Wenig später (vor 523) erließ dann Justinus ein Gesetz, das allen Nichtorthodoxen verbot, Staats- und Militärämter zu bekleiden.89 Als dann im Jahr 523 Eutharich und Hormisdas gleichzeitig starben, wuchsen die Spannungen: Die Thronfolge war ungesichert, römische Senatoren nahmen Kontakt auf zu Konstantinopel. In dieser Situation wurden Briefe des patricius Albinus an Konstantinopel abgefangen und Theoderich ließ Anklage wegen Hochverrats erheben. Gleichzeitig schickte er den neuen Papst Johannes I. (523–526) mit einer hochrangigen Delegation nach Byzanz, um gegen die arianerfeindlichen Maßnahmen zu protestieren. Schließlich wurde 524 der angesehene Senator Boethius, ehemals notarius des Königs, wegen Hochverrats hingerichtet, 525 traf Symmachus, den Schwiegervater des Boethius und Führer des Senats (caput senatus), das gleiche Schicksal. Im gleichen Jahr kehrte Johannes I. nach Ravenna zurück, um den König von den wenig erfolgreichen Verhandlungen zu unterrichten. Der Amaler ließ ihn daraufhin in Ungnade fallen – er entzog ihm Huld und Schutz –, und als der schwerkranke Papst kurz darauf starb, wurde er wie ein Märtyrer verehrt.90 Theoderich überlebte Johannes nur um Wochen: sein Tod am 30. August 526 wurde von den Römern als gerechte Strafe Gottes angesehen. Nachfolger wurde offiziell Amalaswinthas achtjähriger Sohn Athalarich.
Es lässt sich feststellen, dass trotz des Lobes, das der Byzantiner Prokop wie auch der „Anonymus Valesianus“ Theoderichs guter Regierung zuteil werden ließen, dessen Herrschaft auf unsicherem Fundament stand: Während die führende Senatorenschicht sich um Annäherung an Byzanz bemühte, suchte der Amaler sein Herrschaftsgebiet, das Romanen und Germanen gleichermaßen beherbergte, einigermaßen zu einen. Was dem Franken Chlodwig durch Bekehrung zum Katholizismus gelang, die römischen Provinzialen auf seine Seite zu ziehen, war dem Arianer nicht leicht möglich, zumal er mit den Vertretern altrömischen Selbstbewusstseins umzugehen hatte.91 Die Einigung seiner unterschiedlichen gentes und damit die Herrschaftssicherung schien ihm aber am ehesten dadurch erreichbar, dass er seine Goten an das überlegene Rechtssystem Roms heranführte, ohne jedoch ihre Eigenständigkeit zu beseitigen. Die Akzeptanz des „Edictum“ sollte ein Schritt auf diesem Wege sein: utilis Gothus imitatur Romanum = „ein ‚guter‛ – oder nützlicher – Gote lernt von einem Römer“ (AV 61).
Das Thema Ordnung und Verwaltung des ostgotischen Reiches Theoderichs haben außer Wilhelm Enßlin92 auch John Moorhead93 und Herwig Wolfram94 voll umfänglich diskutiert, so dass sich eine Wiederholung ihrer Darstellungen erübrigt. Wenn daher Wolfram sagt, dass Theoderich „den spätantiken Staat mit seiner differenzierten Provinzialverwaltung bruchlos fort(setzte)“95 und dafür die rechtskundigen Römer heranzog, so trifft sich dies mit einer Formulierung Cassiodors. In seinem „Edictum ad provincias“ schreibt Theoderich: Priscorum mos fuit nova iura decernere, ut succedenti populo aliquid quod omissum videbatur adiungerent: nunc autem sufficiens satis conscientiae veterum decreta servare.96