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Kurze Darstellung des Inhalts
ОглавлениеDas uns vorliegende „Edictum Theoderici“ ist, wie die Sprachanalyse bei Ernst Levy verdeutlicht, ein Reflex des „weströmischen Vulgarrechts“,139 das die „Vernachlässigung juristischer Fachausbildung“ ja „Gleichgültigkeit […] gegen präzise, eindeutig bestimmbare Rechtsbegriffe“ erkennen lässt (o.c. 5). So konnte er feststellen, dass die Juristen, die er gemeinhin als „Männer niedrigen Ranges“ bezeichnete, zwar Begriffe des klassischen Rechts verwendet haben, nicht selten jedoch in wesentlich unpräziserer Form. So zeigt Levy etwa in § 128 „Von der Privatstrafe zum Schadensersatz“ an Hand der Begriffe satisfactio und poena auf, dass die Juristen klassische Rechtsbegriffe „ausschrieben“, aber nicht immer im präzisen klassisch juristischen Sinn anwandten. Dies zeigt sich auch im ET, wo, wie Levy manchmal anmerkt, der (die) Verfasser – oder eher Kompilatoren – „unüberlegt“ Stellen nachgeschrieben hat (haben).140 Allein dieser Umstand zeigt, dass wir im ET keine neue Rechtsetzung oder auch nur Auslegung von „Kaisergesetzen“ vor uns haben, selbst wenn diese und deren interpretatio nicht selten im Wortlaut zitiert wurden.
Wie bereits angedeutet, lag der Sinn des ET nicht darin, ein neues Gesetzbuch zu schaffen oder gar neues Recht zu setzen, sondern eine Art „Handbüchlein“ vorzulegen, das die Art der Klagen (querelae), die Klageinhalte, die Verfolgung von Straftaten (actiones) und deren Bestrafung und Strafmaß regelte. Auffallend ist dabei, dass nicht wenige Paragraphen in ihrer jeweiligen Vorlage – seien es Gesetze, Constitutionen oder Rescripte – umfassender dargestellt waren, hier aber in teilweise stark verkürzter Form, nicht selten auch in mehrere Paragraphen aufgeteilt oder auch in veränderter Schwerpunktsetzung, vorgelegt wurden.141 Man erhält daher den Eindruck, das ET sei eine Art „Breviarium“, ein verkürzter Auszug zu Handen der Richter und Recht sprechenden Beamten (iudex, iudex ordinarius), um ihnen das umständliche Nachschlagen in den umfassenden römischen Gesetzeswerken, Gesetzessammlungen, Schriften (scripta) und Gutachten (sententiae) der klassischen Juristen zunächst zu „ersparen“.142 Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass das zu verhängende Strafmaß zwar immer noch zwischen honestiores und humiliores bzw. Sklaven und (seltener) Colonen unterscheidet, teilweise aber auch durch Verschärfung „vereinfacht“ wurde: eine Ausdifferenzierung war selten beabsichtigt, wie dies ein Vergleich zwischen den ET 56–58 und Digesta 47,14,1 (De abigeis = Von Viehdieben) zeigen kann. So wird auch klar darauf hingewiesen, dass nicht das Strafmaß Grundlage einer Diskussion oder gar einer entsprechenden Anfrage bei Hofe sein konnte, sondern lediglich ein im ET nicht angesprochener oder anhand von Analogieschlüssen nicht zu beurteilender Fall (quaestio, vgl. ET 10). Derartige Streitfälle, vor allem dort, wo der Richter (iudex) am Widerstand einflussreicher Personen (seu barbari, seu Romani) scheitern konnte, waren dann dem König vorzulegen (ET 10).143 Dies trifft vor allem dann zu, wenn Römer, die in Verwaltungsfragen und damit Gesetzesauslegungen geschult waren, die Rechtsprechung behinderten oder Barbaren sich, wie in ET 145 ersichtlich, weigerten, trotz offizieller Ladung vor Gericht zu erscheinen. Damit ist eindeutig formuliert, dass sich alle, Römer und Barbaren, den Gesetzen zu unterwerfen hatten (praefatio), die als Norm (trames legum, Schlussformulierung) vorgestellt werden.
Der Anfang des Ediktes lenkt die Aufmerksamkeit auf das Prozessverfahren. Aus diesem Grunde hebt das ET zunächst auf die Bestechlichkeit der Richter oder deren Büros ab, um Rechtsbeugung zu verhindern (ET 1–4). Eine Rechtsbeugung zum Nachteil eines Unschuldigen (adversum caput144) soll mit dem Tode des Richters (iudex) geahndet (ET 1: capite puniri), Bestechung oder Vorteilnahme mit der vierfachen Erstattung bestraft werden, wobei der zu leistende Schadensersatz nach dem Tode des iudex auf dessen Erben übergeht (ET 3). Ferner wird untersagt, einen Urteilsspruch in Abwesenheit der streitenden Parteien zu fällen, es sei denn, eine der Parteien weigert sich nachhaltig, vor Gericht zu erscheinen (ET 5); die Urteilsbegründung muss schriftlich niedergelegt werden, der iudex hat persönlich für die Durchführung des Urteils zu sorgen (ET 6). Die schriftliche Niederlegung des gesamten Vorgangs und des abschließenden Urteils soll im Falle eines Fehlurteils oder einer Appellation den Vorgang überprüfbar machen. Auch ist der Richter verpflichtet, nur anhand von persönlichen Aussagen und vorgelegten Dokumenten über die Rechtmäßigkeit einer Klage zu befinden und nach Recht und Gesetz zu entscheiden (ET 7). Verboten wird dem Kläger zudem, selbst einen frei Geborenen ohne richterliche Anordnung festzuhalten oder gewaltsam vor Gericht zu schleppen (ET 8); Zuwiderhandlung wird mit dem Tode bestraft (ET 9).
Die nachfolgenden Paragraphen zeigen hingegen eine weniger systematisierte Ordnung: gleichartige Sachverhalte werden in verschiedene, häufig in nach der Gruppe der jeweils Betroffenen (Freie, Unfreie, humiliores, honestiores) gegliederte Paragraphen aufgeteilt oder an anderer Stelle erneut angesprochen, was zeigt, dass es sich nicht um ein nach römisch-rechtlichen Ordnungsprinzipien (tituli) systematisiertes Handbuch, sondern um ein nach der Bedeutung und Häufigkeit der Rechtsfälle zusammengetragenes Sammelwerk (διάταξις?) handelt.145 Andererseits lässt sich feststellen, dass manche Abfolgen der Paragraphen doch eine gewisse innere Zusammengehörigkeit erkennen lassen.
So beschäftigen sich ET 10 und 11 mit Grundstücksstreitigkeiten, die grundsätzlich vor Gericht auszutragen sind. Dies gewinnt dadurch an Bedeutung, dass nun auch die Ostgoten zu den possessores gehörten. Selbsthilfe, eigenmächtige widerrechtliche Besetzung eines fremden Grundstückes, Vorgriff auf ein zu erwartendes Urteil oder die Weigerung, einem diesbezüglichen Urteilsspruch Folge zu leisten, werden geahndet. Im Falle, da der Richter (auch der in Rom ansässige) sich nicht durchsetzen kann, soll er sich an den König wenden (ET 10). Weigert sich der Verurteilte dennoch, das fragliche Grundstück herauszugeben, muss er alle Folgekosten tragen (ET 11). Andererseits wird eine Verjährung von Besitzansprüchen wie im klassischen Recht üblich nach Ablauf von 30 Jahren festgesetzt (ET 12).
Es folgt die Warnung vor ungerechtfertigter Beschuldigung: Anschuldigungen müssen grundsätzlich schriftlich bei Gericht eingereicht und dort vertreten werden. Dabei obliegt dem Kläger die Beweispflicht, widrigenfalls er selbst die dafür vorgesehene Strafe erleidet. Um dies zu gewährleisten, kann der Richter anordnen, beide Parteien in Untersuchungshaft zu nehmen (ET 13). In diesem Zusammenhang kann man ET 14 sehen, das verlangt, dass eine Klage persönlich vertreten werden muss. Bereits hier zeigt sich, dass Schriftlichkeit bei Anklage und Urteilsbegründung Voraussetzung ist. Ebenso ist davon auszugehen, dass die gesamte Verhandlung von einem Protokollführer (officium iudicis) festgehalten wird.
ET 15 und 16 beschäftigen sich mit gewaltsamem Eindringen – sei es ein bewaffneter Einzelner oder eine bewaffnete Schar – in fremdes Eigentum in räuberischer Absicht, wobei dem Eigentümer der Notwehrparagraph zuerkannt wird, selbst dann, wenn der Angreifer oder einer der Eindringlinge dabei zu Tode kommt.
Dies bildet die Überleitung zum Raub (Entführung) frei geborener Jungfrauen (virgines, ET 17–22), wobei auch die mit der Entführung Einverstandene Strafe zu gewärtigen hat (ET 17). Straffällig werden zudem Eltern wie Vormünder (parentes aut curator), die ihrer Aufsichtspflicht nicht nachkommen oder eine Entführung vertuschen wollen (ET 18); ein Sklave, der den Fall bei Gericht anzeigt, wird hingegen mit Freilassung belohnt (ET 19). Allerdings erlischt die Anzeigepflicht nach fünf Jahren: in der Zwischenzeit geborene Kinder werden danach als legitim (und damit erbberechtigt) erachtet (ET 20). Hart bestraft wird auch die Entführung von unfreien Frauen (ET 21: violentiae crimen); waren Pächter (conductor) und/oder Herr (dominus) Mitwisser der Entführung, werden diese ebenfalls zur Verantwortung gezogen (ET 22).
ET 23 stellt die Erbfolge von Verstorbenen, die keine (gültige) testamentarische Verfügung hinterlassen haben (intestati), fest, wobei an erster Stelle natürlich der Erbanspruch legitimer Kinder steht. Dies ist vor allem dann wichtig, wenn der Fiskus Ansprüche an das verfallende Erbe (caducus) geltend macht (ET 24). Für Grundbesitz gilt daher, dass Ansprüche des Fiskus vor Gericht geregelt werden müssen (ET 25).
Gerade die Frage der Erbnachfolge spielt in den folgenden Paragraphen eine erhebliche Rolle: Bei Klerikern und Curialen ohne gesetzliche Erben tritt die Kirche (ET 26) bzw. die Curia in das Erbe ein, aber, wie ausdrücklich vermerkt wird, unter Ausschluss des Fiskus (ET 27); ansonsten ist die freie Testamentserrichtung gesetzlich garantiert (ET 28), sofern der Erblasser dazu überhaupt berechtigt ist und das Testament ordnungsgemäß aufgesetzt, beglaubigt und versiegelt worden war. Die Tatsache, dass ein Erblasser schreibunfähig oder schreibunkundig ist, darf nicht als Hinderungsgrund gewertet werden (ET 29); Testamentsfälschung (ET 30) und absichtliches Behindern des Testators (ET 31), so dass dieser möglicherweise ohne (gültiges) Testament verstirbt, schließen den Schuldigen von der Erbnachfolge aus (ET 33: Erbunwürdigkeit). Das Erschleichen (Erbschleicherei) – aut Romanus, aut barbarus – eines Grundbesitzes ist unwirksam: Er muss mit allen erwirtschafteten Erträgen herausgegeben werden (ET 34). Interessant ist die eingeschobene Ergänzung, dass auch „Barbaren“, die im Militärdienst stehen (reipublicae militare), ein rechtsgültiges, wenn auch formloses Testament errichten dürfen (quomodo voluerint, ET 32). Obwohl militare eigentlich auch den „Staatsdienst“ allgemein bezeichnen kann, ist das beigefügte in castris eindeutig auf Soldaten im aktiven Dienst zu beziehen („unter Waffen stehend“). Es handelt sich also um die Ausweitung einer seit Trajan geltenden Regelung auf germanische Krieger.
Etwas unvermittelt wird dann das Denunziantentum angesprochen (ET 35), dem – wie bereits Trajan formulierte – die ganze Verachtung Theoderichs gilt.
Danach beschäftigt sich das ET mit illegitimen Eheverbindungen (nuptiae non legitimae, ET 36). Der Schwerpunkt dieses Gesetzes liegt jedoch auf dem Problem der illegitimen Geburt von Kindern, die in einem solchen Fall dem Stand der Mutter folgen, also aus der gesetzlichen Erbfolge ihres Vaters herausfallen. Einen derartigen Zusammenhang kann man auch in ET 37 erkennen, das die Wiederverheiratung einer Frau vor dem Ende des gesetzlich angeordneten Trauerjahres betrifft: Kinder aus einer verfrühten Verbindung können aus der Erbfolge „herausgeklagt“ werden. Die Frau selbst wird wegen Unzucht (stuprum) belangt, auch wenn sie nicht als Ehebrecherin (adultera) gilt, der die Todesstrafe ebenso droht (ET 38) wie demjenigen, der Ort und Gelegenheit zum ›Ehebruch bietet (ET 39).
Die nächsten Paragraphen betreffen Fälschungen und deren Gebrauch, wobei zwischen unbewusster Benützung (ET 40) und bewusster Teilnahme an einer Fälschung (ET 41) unterschieden wird. Angefügt wird eine Verordnung gegen falsche Zeugenaussagen (ET 42),
Thematisch davon getrennt sind die nachfolgenden Paragraphen zur Prozessübertragung ad potentem Romanum aut barbarum: Eine einflussreiche Person (potentem) mit einem Prozess zu beauftragen, um auf diese Weise Forderungen gegenüber Dritten durchsetzen zu können (Prozessabtretung), ist verboten (ET 43). Hierbei ist zu beachten, dass sowohl Römer als auch „Barbaren“ als defensores aut suffragatores (Prozessvertreter oder Bevollmächtigte) auftreten dürfen, also prozessrechtlich auf gleicher Stufe stehen (ET 44).
Die nächsten Bestimmungen betreffen das Verbot, auf eigenem oder fremdem Besitz (Besitzer-)Namen anzuschlagen: Dieses Recht steht allein dem Fiskus zu (ET 45). Wer sich bei einem Grundstücksprozess zudem hinter dem Namen eines einflussreichen Mannes (titulus potentis) zu verstecken trachtet, verliert wegen Betrugs fraus) zusammen mit dem Besitz auch jede Möglichkeit eines Wiederaufnahmeverfahrens (ET 46). Auch die gewaltsame Inbesitznahme fremder Grundstücke wird verboten (ET 47).
Verboten wird ferner, das Gesinde zu Aussagen zu zwingen, da deren juristische Abhängigkeit vom Herrn und bzw. ihre eingeschränkte oder fehlende Rechtsfähigkeit eine prozessrelevante Befragung verbieten (ET 48). Eine Ausnahme bildet – unter Bezug auf das Gesinde (familiares) – lediglich eine Anzeige wegen Majestätsverbrechens (ET 49). Daran schließt fast logisch der Paragraph über ein Verbot anonymer Anzeigen an: Jeder Denunziant hat seine Anzeige persönlich dem Gericht vorzulegen (ET 50), ein Paragraph, der die Bestimmung von ET 35 wieder aufgreift.
Ein wichtiges Kapitel betrifft Schenkungen (ET 51–53), die bei beweglichen Sachwerten – wozu auch der Sklave zählt – durch die bloße Übergabe (sola traditione) rechtsgültig vollzogen werden; dennoch sollen traditiones zur Sicherheit auch schriftlich und vor Zeugen festgehalten werden (ET 51). Anders verhält es sich bei Immobilienschenkungen, vor allem bei Grundstücken, da diese sowohl das Gemeindekataster als auch die Steuerveranlagung betreffen. Hier muss eine von drei offiziellen Zeugen unterzeichnete Schenkungsurkunde ausgefertigt und den städtischen Akten (gestis municipalibus) einverleibt werden (ET 52). Anschließend hat die persönliche Übergabe (corporalis introductio) vor Zeugen im Magistratsrang unter Benachrichtigung der Nachbarn zu erfolgen (ET 53).
Der Paragraph über Ehescheidungen (ET 54) fasst zwei frühere Gesetze, CTh 3,16,1 (Jahr 331) und CTh 3,16,2 (Jahr 421) zu einem einzigen zusammen, wobei einerseits die Kriterien für eine Scheidung aufgelistet werden – eine Trennung ist nicht erlaubt! –, andererseits großer Wert auf die Güterregelung zu Gunsten des unschuldigen Partners und eventuell gemeinsamer Kinder gelegt wird.
Der nächste Paragraph (ET 55) beschäftigt sich mit der Pflicht der Richter und ihrer Büros (scrinia), Appellationen entgegenzunehmen, da nur eine sachgerechte Überprüfung erweisen kann, ob eine solche gerechtfertigt ist. Eine Verweigerung des Appellationsrechtes oder gar Repressalien gegen den Appellierenden werden als Amtsmissbrauch gewertet. So wird auch einer Person, der das Recht auf Appellation verweigert wird, der Weg in die Öffentlichkeit gestattet.
Das Delikt des Viehdiebstahls wird in mehrere Paragraphen gegliedert (ET 56–58), wobei wie in den benützten Vorlagen bei Paulus, Ulpian und Callistrat nach Anzahl und Haltung der Tiere unterschieden wird (ET 56). Auch die Art der gestohlenen Tiere wird genau bezeichnet (ET 57). Hingegen bleibt das Einfangen streunender Tiere dann straffrei, wenn der Finder diese umgehend und während einer vollen Woche (nundinum) öffentlich aufgeboten hat (ET 58).
Umfangreicher gestalten sich die Bestimmungen bei Gewalt gegenüber Jungfrauen (virgines) und Frauen/Witwen (viduae, ET 59–64), die grundsätzlich zu ahnden ist. Wenn ein Mann mit Vermögen und/oder vornehmer Herkunft eine Jungfrau verführt, muss er diese heiraten und ihr (vor Gericht) ein Fünftel seines Besitzes überschreiben. Ist er bereits verheiratet, muss er ihr ein Drittel seines Vermögens als künftiges Heiratsgut übereignen. Ist er jedoch ohne Vermögen und nicht von „Adel“ (nobilis), droht ihm die Todesstrafe (ET 59). Vergewaltigung einer unverheirateten Frau entspricht dabei dem Delikt adulterium (Ehebruch, ET 60). Als besonders verwerflich wird hierbei die Verführung einer verheirateten Frau (matrona vidua) durch einen Sklaven gewertet (ET 61), da diese damit ihre Würde einbüßt und sich infolgedessen auf das Niveau einer Dirne begibt. Lässt sie sich hingegen absichtlich von einem Sklaven verführen, wird sie wegen Unzucht (stuprum) bestraft. Für den Sklaven bedeutet dies aber hinsichtlich der zu erwartenden Strafe (flammis ultricibus exuratur) keinen Unterschied. Hingegen sind Intimkontakte mit einer käuflichen, registrierten Dirne straffrei (ET 62). Aber auch die Vergewaltigung von freien Frauen durch fremde Sklaven oder Abhängige wird strengstens geahndet (ET 63).
Rechtlich komplizierter stellt sich die Vergewaltigung einer fremden Sklavin oder Abhängigen durch einen Freigeborenen (ingenuus) dar: Der Herr der Geschändeten darf verlangen, dass der Vergewaltiger eine Verbindung auf Lebenszeit mit der Abhängigen eingeht oder zumindest zwei gleichwertige Sklavinnen stellt (huius meriti, ET 64). Wichtig ist dabei der Zusatz nulli civitati obnoxius, d.h., falls er keiner städtischen Zwangskorporation angehört. Dadurch wird eindeutig vorausgesetzt, dass es sich bei dem ingenuus um ein Mitglied der Gesellschaftsschicht der humiliores handelt. Zumindest folgen Kinder, die aus der Verbindung mit einer Sklavin entspringen, immer dem Rechtsstatus der Mutter, d.h., sie geraten in die Gewalt ihres dominus (ET 65). Gleiches gilt auch bei einer Verbindung eines fremden Sklaven oder Freien mit einer Abhängigen (originaria, ET 66). Bei einer Verbindung zweier fremder Colonen (originarii) bleibt der obige Grundsatz dahin gehend bestehen, dass die aus einer solchen Verbindung hervorgegangenen Kinder unter die jeweiligen Herren (domini) aufgeteilt werden nach dem Schema zwei zu eins, aber zu Gunsten des dominus der Colonin (ET 67).
Dieses Problem berührt auch die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt ein Herr (dominus) eine Colonin (originaria), die ihren angestammten Grund und Boden widerrechtlich verlassen hat um einem Mann zu folgen, zurückfordern darf: Dieses Recht erlischt nach zwanzig Jahren, betrifft jedoch nicht die in der Zwischenzeit aus der Verbindung hervorgegangenen Kinder (ET 68). Nach dreißig Jahren geht zudem ein Sklave, ein Abhängiger oder auch ein Curiale, der sich einem Herrn überantwortet hat, um so der Steuerpflicht seines Herkunftsortes zu entgehen, in den Besitz seines augenblicklichen Herrn über, d.h., irgendwelche Ansprüche der Steuergemeinde sind – und darauf legt Theoderich Wert – danach als verjährt anzusehen (ET 69).
In diesem Zusammenhang kommt das ET auch auf das Asylrecht zu sprechen, das allerdings nicht für flüchtige Sklaven gilt. Die Kirche ist verpflichtet, Asyl suchende Sklaven umgehend, d.h. spätestens nach einem Tag, auszuliefern unter Zusicherung von Straffreiheit (veniam promittere) durch den Herrn; andernfalls muss von ihr ein gleichwertiger Ersatzsklave (mancipium eiusdem meriti) gestellt werden. Interessanterweise verbleibt aber dem Herrn das Recht, den Flüchtigen, sollte er das schützende Kirchenareal (asylum) verlassen, erneut als Eigentum zu ergreifen (ET 70). Auch für Steuerflüchtlinge war das Asylrecht bzw. der Eintritt in den kirchlichen Stand eingeschränkt: Zunächst ist die Kirche gehalten, ihm das Asyl zu verweigern. Wird dies nicht getan, muss sie alle von ihm eingebrachten Vermögenswerte herausgeben, widrigenfalls die Kirche – hier wird der archidiaconus speziell angesprochen – gezwungen ist, die Schuld aus eigenem, d.h. dem Kirchenvermögen zu begleichen (ET 71).
Eingeschoben ist hier ein Paragraph über die Rechtsgültigkeit von Testamenten (ET 72), ein Passus, den man eigentlich im Zusammenhang mit ET 32 erwartet hätte, obwohl der dort angesprochene Komplex sich eher auf intestati bezieht.
Die nächste Vorschrift beschäftigt sich mit der Verbindlichkeit von Gerichtsurteilen und richterlichen Anordnungen, deren Durchführung dem Gerichtspersonal obliegt. Weder das Gerichtspersonal noch andere damit nicht befasste Beamte dürfen eigenmächtig handeln oder eingreifen (ET 73). Angesprochen wird auch der Fall mutwilligen Prozessierens. In diesem Fall wird der Kläger zur Erstattung der Gerichtskosten, des von Gutachtern geschätzten Streitwertes sowie den anfallenden Auslagen des Beschuldigten verurteilt (ET 74); hier ist ein Berührungspunkt zu ET 13 gegeben.
Mit dem nächsten Paragraph geht das ET zum Tatbestand gewaltsamer Besitzstörung über (unde vi): Das Vertreiben eines Grundstückseigners mit bewaffneter Hand wird als Gewalttat (violentia) gewertet. Diese Bestimmung wird überraschenderweise mit dem Verbot verbunden, die Bestattung eines Schuldners bis zur Tilgung der Schuld zu verhindern: ein Toter darf nicht vom Gläubiger als eine Art Faustpfand gegenüber den Erben erachtet werden (ET 75). Diese Bestimmung bedeutet, dass ein Gläubiger weder den Besitz des Schuldners noch dessen Leichnam als Pfand gewaltsam an sich reißen darf. So wird auch die Rückerstattung des gewaltsam besetzten Gutes binnen Jahresfrist angeordnet, unbeschadet des Rechtes, einen Prozess um die Besitzrechte führen zu dürfen (ET 76). Wurden die eigenen Sklaven mit einer derartigen Gewalttat beauftragt, so wird ihr Herr wegen violentia verurteilt, die Sklaven als Ausführende jedoch hingerichtet (ET 77).
Ein weiterer Komplex betrifft den Menschenraub (plagium, ET 78–81), wobei zunächst die Entführung von Freien (ingenui), um sich so eine Dienstleitung (servitium) zu erzwingen, angesprochen wird (ET 78). Wird der Freie als Sklave festgehalten, muss der (vorgebliche) „Herr“ diesen Rechtszustand vor Gericht beweisen, andernfalls wird er wegen calumnia und iniuria belangt (ET 79). Offen bleibt hier die Frage, von wem die Klage auf Freiheit eingereicht werden muss (s. dazu ET 96). Auch das Abspenstigmachen von Sklaven ist strafbar: der Schuldige muss für jeden zurückgeforderten Sklaven zusätzlich drei weitere Sklaven gleichen Wertes erstatten. Hat sich ein entflohener Sklave allerdings als Freier (ingenuus) ausgegeben, soll der Aufnehmende (suscipiens) diese Behauptung sich schriftlich bestätigen lassen, um späteren Ansprüchen des früheren Besitzers begegnen zu können (ET 80). Dies kann natürlich nicht zutreffen, wenn ein Sklave direkt von einem Menschenräuber (plagiator) käuflich erworben wurde (ET 81): der Erwerb bona fide gilt als straflos, die Vorlage des Kaufvertrages ist somit ausreichend.
Natürlich wird auch der (Selbst-)Verkauf eines Freien (ingenuus) angesprochen: Selbstverkauf bleibt für ihn hinsichtlich seines früheren Status ohne Nachteil, solange er, als Volljähriger, den Käufer auf diesen Umstand aufmerksam gemacht hat, d.h., er kann zu einem späteren Zeitpunkt seine Freiheit erneut in Anspruch nehmen: homo enim liber pretio nullo aestimatur (= Für einen freien Menschen gibt es keinen Preis) formuliert ET 94. Hat der betreffende allerdings den Käufer über seinen wahren Status getäuscht und sogar den vereinbarten Verkaufspreis mit dem Verkäufer geteilt, kann er später gegen seinen Verkäufer weder Klage wegen Menschenraubes erheben noch einen Prozess um seine Freiheit anstrengen: Er verliert seinen vormaligen Status als ingenuus wegen absichtlicher Täuschung (dissimulatio, ET 82). Auch die Aufnahme, das Verstecken (celare), der wissentliche Erwerb oder Verkauf eines Freien, um ihn in Sklaverei zu halten, wird streng bestraft (ET 83). Der Paragraph wird ergänzt durch das Verbot, entlaufene Sklaven oder Colonen aufzunehmen: Der Aufnehmende (susceptor) wird zur Rückerstattung des Flüchtigen sowie zur Stellung eines zusätzlichen Sklaven verurteilt. Aber das Edikt erkennt auch die Möglichkeit, dass ein Sklave im Auftrag seines Herrn „entflohen“ war, damit dieser in betrügerischer Absicht an „zusätzliche“ Sklaven gelangt. In einem solchen Betrugsfall (fraus) verfällt der Sklave dem Fiskus (ET 84). Als Diebstahl (furtum) hingegen wird gewertet, wenn jemand fremde Sklaven zur Flucht aufwiegelt, solche „gestohlenen“ Sklaven wissentlich aufnimmt (ET 85) oder gegen den Willen des Herrn einbehält (ET 86): Einen solchen auf der Flucht gestellten fremden Sklaven darf man weder verkaufen noch verschenken (ET 87).
Nur scheinbar spricht ET 88 einen anders gelagerten Fall an: Sollte ein überführter Dieb oder Aufwiegler sterben bevor das Gerichtsurteil öffentlich verkündet worden war, waren dessen Erben lediglich zur Herausgabe des Diebesgutes – dies konnte auch ein Sklave sein – verpflichtet, nicht jedoch zu weiter gehendem Schadensersatz, da, wie in ET 120 festgehalten wird, die Tat an den (verstorbenen) Täter gebunden ist.
ET 89 verbietet jegliche Form von Amtsanmaßung (militiam confingere), um auf diese Weise, d.h. durch Erregung von Angst seine Absichten durchzusetzen. Die Strafe für humiliores – hier viliores genannt – ist Auspeitschen und Deportation (relegatio), für honestiores Exil. Allerdings erscheint der gleiche Passus in den Sententiae des Paulus unter der Rubrik „Ad legem Corneliam testamentariam“ und trifft sich so mit ET 90, wo unter Bezug auf die gleiche Paulusstelle von Fälschungen aller Art (so Testaments- oder Urkundenfälschungen zum Nachteil eines Dritten, Fälschung offizieller Schreiben, aber auch von Münzen) gesprochen wird. Auch die Bestechung von Zeugen oder Richtern wird angesprochen, was bei humiliores die Todesstrafe, bei honestiores Vermögensverlust zur Folge hat (ET 91). Interessant ist, dass in diesem Zusammenhang die bereits in den Anfangsparagraphen angesprochene Bestechung von Richtern (iudices) noch einmal erwähnt wird.
Wie ein Rückgriff auf ET 59ff. erscheinen zunächst die folgenden Bestimmungen zum Familienrecht: Das freiwillige Zusammenziehen von Verlobten vor der Ehe bleibt straffrei, Eltern können nicht auf Entführung klagen (ET 92). Allerdings darf ein Hausvater nicht gezwungen werden, seine Tochter jemandem zur Ehe zu geben (ET 93), wobei das ET vermutlich stillschweigend davon ausgeht, dass es sich bei dem, der Zwang ausübt, um praediti potestate, d.h. um Amtsträger, handelt (CTh 3,11).
Auch das Problem, dass frei geborene Eltern ihre Kinder aus Not verkaufen (cogente necessitate), wird angesprochen. Hierbei wird festgehalten, dass dadurch der Status der Kinder keinesfalls beeinträchtigt wird (ET 94): Hier wird auch der bereits zitierte Grundsatz festgeschrieben homo enim liber pretio nullo aestimatur = Für einen freien Menschen nämlich gibt es keinen Preis. Auch ist es nicht erlaubt, die eigenen Kinder zu verpfänden; lediglich ihre Arbeitskraft darf vermietet werden (ET 95). Logischerweise schließt sich hier eine Bestimmung über den Prozess um die persönliche Freiheit an: Wird ein frei Geborener als Sklave beansprucht, so gilt er vor Gericht zunächst als Angeklagter, d.h., sein Prozessgegner hatte die Beweislast zu tragen. Wenn umgekehrt der Sklave auf Wiedergewinnung seiner Freiheit klagt (in libertatem reclamare), muss er als Kläger durch einen Rechtsbeistand (defensor) den Beweis dafür erbringen: als Sklave (alieni iuris) kann er sich natürlich nicht selbst vertreten (ET 96).
Absichtliche Brandstiftung aus Rache (inimicitiarum causa) durch einen Sklaven oder Halbfreien wird mit dem Feuertod geahndet, ein Freier aus gleichem Grund zur Wiedergutmachung und zu Schadensersatz verurteilt, sofern er über die entsprechenden Mittel verfüg, andernfalls wird er ausgepeitscht und zwangsdeportiert (relegatio, ET 97). Bei fahrlässiger Brandstiftung soll der Herr des Sklaven oder Colonen den Schaden ersetzen oder den Verursacher dem Gericht überantworten (ET 98).
Die Tötung eines Menschen ohne Verhör, Gerichtsbeschluss oder entsprechende amtliche Befugnis (sine potestate) – auch ein Auftragsmord – gilt als Totschlag/Mord (homicidium, ET 99). Auch die Folterung eines fremden Sklaven in einem Kapitalprozess auf Wunsch des Klägers, um so seine Anklage beweisen zu können, war nur dann gestattet, wenn der Kläger zuvor den Wert des Sklaven als Entschädigung für dessen Herrn hinterlegt hatte (pretium inferre, ET 100). Andererseits war verboten, einen Sklaven zu kaufen, um so dessen peinliche Befragung in eigener Sache zu verhindern: der Kaufvertrag wird als ungültig gewertet, der Käufer wegen betrügerischer Absicht belangt (ET 101). Ähnliches gilt, wenn dem Sklaven aus gleichem Grunde die Freiheit geschenkt wurde: die peinliche Befragung darf dennoch erfolgen (ET 102). Ferner ist festgehalten, dass der Tatort auch der Gerichtsort sein muss: auf diese Weise soll eine Flucht des Angeklagten auf dem Weg in eine andere Provinz – Gerichtssprengel – verhindert werden (ne per longum iter eripiantur, ET 103). Nicht angesprochen wird in diesem Zusammenhang die Möglichkeit einer veränderten Urteilsfindung oder eines milderen Urteils durch den „ortsfremden“ Richter, da das ET von der allgemeinen Verbindlichkeit einer einmal festgesetzter Strafe ausgeht.
Wie in früheren Gesetzgebungen bildet auch die absichtliche Verletzung von Grenzmarkierungen einen Strafbestand: Ein Sklave oder Colone, der dies ohne Wissen des Herrn (dominus) vornimmt, wird getötet. Hat er aber im Auftrag des Herrn gehandelt, verliert der dominus zudem ein Drittel seines Vermögens an den Fiskus (ET 104). Bei der Veräußerung von einzelnen Liegenschaften gelten die vom Verkäufer nunmehr gesetzten Grenzmarkierungen, nicht alte Katastereinträge (ET 105).
Die nächsten Paragraphen scheinen einigermaßen ungeordnet, d.h. ohne erkennbaren Bezug zum Vorhergehenden, angefügt zu sein:
Ein Rechtsstreit, der durch Eid der streitenden Parteien oder einen von beiden Seiten anerkannten Schiedsspruch beigelegt wurde, darf nicht wieder aufgenommen werden, auch nicht wegen (später nachgewiesenen?) Meineids (ET 106). Aufwiegeln von Volk oder Militär wird mit Feuertod bestraft (ET 107). Durchführung heidnischer Opfer, aber auch Wahrsagerei und Geisterbeschwörung werden mit dem Tode bestraft, Zauberei bei honestiores mit Vermögenseinzug und Exil, bei humiliores ebenfalls mit dem Tode (ET 108). Bei einem von einem Sklaven oder Colonen ohne Wissen des Herrn begangenen Raub (rapina) haftet, wenn die Klage innerhalb eines Jahres erhoben wird, sein Herr mit dem vierfachen Ersatz, danach nur noch mit dem einfachen. Will er nicht dafür einstehen, so muss er die Schuldigen dem Gericht übergeben. Entflieht der Schuldige, kann ihn (der Kläger?) nach Ergreifen hinrichtet (ET 109).
Nun wendet sich das ET der Bestattung zu: Grabschändung wird mit dem Tode bestraft (ET 110), Bestattungen innerhalb der Stadt Rom sind verboten. Zuwiderhandlung wird mit Vermögensstrafe – Verlust eines Viertels an den Fiskus – oder Prügelstrafe mit anschließender Ausweisung geahndet (civitate pellatur, ET 111). Bereits ET 54 hatte Grabschändung als Scheidungsgrund aufgeführt, und seit jeher war die Bestattung von Toten innerhalb der Sakralgrenze Roms (pomerium) streng verboten.146
Zusammen gelesen werden können die Bestimmungen über die Erbnachfolge bei verurteilten Verbrechern (damnati) und den Zugriff des Fiskus bei Majestätsverbrechen. Im ersten Fall bleibt die gesetzliche Erbfolgeregelung in Kraft (ET 112), bei Curialen sind die Kinder die Erben, da sie, d.h. die männlichen Kinder in die Stellung des Vaters eintreten müssen. Bei Kinderlosigkeit fällt das Vermögen an die Curia. Nur bei Hochverrat (crimen laesae maiestatis) fällt das gesamte Vermögen unter Ausschluss sonstiger Erbansprüche an den Fiskus (ET 113). Angefügt ist die Warnung vor der gewaltsamen (violenter) Befreiung von Schuldpflichtigen und Verurteilten durch Kleriker oder andere Personen: sie sollen dieselbe Strafe erleiden wie der Entkommene. Geschah dies zudem mit Billigung oder im Zusammenspiel (conniventia vel conludio) mit dem Richter (iudex), so hatte dieser fünf Pfund Gold Strafe zu bezahlen (ET 114). Dieser Passus bezieht sich, wie bereits ET 71 erläutert, vor allem auf Steuerflüchtlinge. Hier wird auch die Entwendung oder Unterschlagung öffentlicher Gelder (furtum) mit vierfacher Erstattung bestraft (ET 115).
Mit Diebstahl (furtum) setzen sich die folgenden Paragraphen auseinander: Zunächst wird festgehalten, dass der Hehler auf gleicher Stufe steht wie der Dieb, also auch die gleiche Strafe zu gewärtigen hat (ET 116). Ein Sklave, der einen Diebstahl begeht oder einen anderen Schaden (damnum) verursacht, den sein Herr nicht zu ersetzen bereit ist, muss dem Geschädigten übergeben werden. Gleiches gilt für Tiere (Tierschaden, ET 117). Auf jeden Fall muss der Herr, vor allem wenn er davon wusste oder gar den Auftrag dazu erteilt hat, das ihm aus dem Diebstahl Zugewachsene herausgeben (ET 118). So sind auch Gastwirte, Schiffer oder Mietstallbesitzer für das ihnen anvertraute Gut haftbar. Allerdings bietet ihnen das ET die Möglichkeit des (germanischen) Reinigungseides für sich und die Ihrigen (sui): damit bleiben sie straflos, doch muss dem Kläger das ersetzt werden, was er nach eidlicher Versicherung als Verlust benennt (kein Haftungsausschluss; ET 119). Wichtig ist aber auch, dass ein Sklave, der nach dem Diebstahl verschenkt, verkauft oder freigelassen wird, dennoch haftbar bleibt: Der hier formulierte Grundsatz, dass „der Schaden immer dem Haupte folgt“ (noxa enim semper caput sequitur), bedeutet, dass dann der neue Herr (dominus) mit einer Schadensklage konfrontiert wird, bzw. der Freigelassen selbst vor Gericht zu erscheinen hat. Aber nicht nur der Dieb, auch sein Helfer oder Anstifter (ope vel consilio) wird belangt (ET 120).
Ein weiterer Komplex gilt den Schuldverschreibungen und der Schuldhaftung. Für Darlehen, die ohne Wissen des Herrn einem Sklaven oder Abhängigen gewährt werden, ist der Herr nicht haftbar: die Forderung darf lediglich aus dem „Privatvermögen“ (peculium) des Abhängigen befriedigt werden (ET 121). Auch die Möglichkeit, eine Forderung zwecks besserer Durchsetzung einflussreichen Personen (potentes) zu übertragen, ist verboten (vgl. ET 43): Der Gläubiger verliert dadurch jeden Anspruch (ET 122). Ebenso ist jegliche willkürliche Pfandnahme (arbitrium pignoris) zur Absicherung einer Schuldverschreibung untersagt und kann gerichtlich unterbunden werden (ET 123). Vor allem dann, wenn der Gläubiger gewaltsam (violenter) Pfänder nimmt, die ihm nicht zugestanden wurden, muss er innerhalb eines Jahres den vierfachen Schadensersatz leisten, nach der Verjährung nur noch den einfachen. Die Pfandnahme von Feldfrüchten aber ist grundsätzlich untersagt (ET 124).
Garantiert wird auch der Schutz des Kirchenasyls, soweit nicht in früheren Paragraphen für bestimmte Personenkreise (Sklaven, ET 70, Steuerflüchtlinge, ET 71) das Recht auf Asyl verweigert war. Personen gewaltsam aus dem Kirchenasyl zu holen (trahere) wird mit dem Tode bestraft (ET 125). Andererseits wird Curialen oder mit Steuereinzug befassten Personen untersagt, aus der Sicherheit des Kirchenasyls heraus Forderungen (pittacia) zu verschicken (ET 126). Verboten wird zudem die Veräußerung von Schuldverschreibungen an Dritte, ohne den Schuldner zuvor darüber zu informieren. Stimmt der Schuldner der Übertragung zu, muss er zudem eine schriftliche Schuldanerkennung mit Tilgungsversprechen abgeben. Hält er sich nicht an die Vereinbarung, bietet das Gesetz die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung (cogatur exsolvere, ET 127).
Die nächsten Paragraphen sind wiederum einigermaßen zusammenhangslos aneinander gefügt, offenbar so, wie sie in der Praxis (nach und nach) auftraten.
Ein Hausvater (pater familias) und Herr (dominus) steht zwar in der Verantwortung bei Straftaten seiner Angehörigen, Sklaven und Colonen, doch steht es ihm frei, die Schuldigen vor Gericht zu vertreten oder aber dem Gericht zu übergeben: In diesem Falle muss sich der Haussohn (filius familias) in eigener Sache verteidigen, während der Herr seinen Anspruch auf den Sklaven oder Abhängigen verliert.
Das Erschleichen (subreptio) von Besitztiteln gilt als nichtig und bleibt daher ohne Nachteil für den davon Betroffenen (ET 129).
Eine für die Ergreifung eines Diebes ausgesetzte Belohnung ist verbindlich (ET 130).
Vom Gericht verfügte Schuldbegleichungen sind innerhalb von zwei Monaten nach Urteilsverkündigung zu erledigen, widrigenfalls der Gläubiger mit richterlicher Genehmigung zur Pfändung schreiten darf (pignora capere et distrahere), um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen (ET 131).
Einem auf Herausgabe von Eigentum klagenden Grundbesitzer war untersagt, vom Beklagten den Nachweis des Eigentumserwerbs zu verlangen. Vielmehr obliegt dem Kläger, den Nachweis seines Anspruches zu erbringen (ET 132).
Die Haftung (cautio) einer Frau (mulier) für Verbindlichkeiten Dritter ist ausgeschlossen (ET 133), so dass auch etwaige Forderungen an Gattinnen nicht erfüllt werden können, selbst wenn sie vorher ihr Einverständnis dazu gegeben hatten.
Geldverleih gegen Wuchserzinsen ist verboten: der Wucherer verliert den Anspruch auf sein Darlehen (ET 134).
Wenn ein Dritter die Pfänder eines Schuldners auslöst, so gehen diese nicht automatisch in sein Eigentum über sondern können vom Schuldner ausgelöst werden (ET 135).
Erneut verweist das ET auf Probleme des Grundbesitzes: Da es vorkommen kann, dass bei unsicheren Besitzverhältnissen (mangelhafte oder fehlende Katasterunterlagen) jemand sein Eigentum pachtet, kann er vor Gericht die Eigentumsfrage klären lassen, ohne dass vormals abgeschlossene Pachtverträge ihm zum Nachteil gereichen (ET 136). Sollte er ferner (in Unkenntnis der Besitzverhältnisse) auf fremdem Grund und Boden ein Bauwerk errichten, hat er lediglich Anspruch auf Erstattung des Aufwandes, nicht auf das Bauwerk selbst, das als mit dem Boden verbunden gewertet wird (ET 137). Wird ein und dasselbe Grundstück von zwei verschiedenen Personen gleichzeitig oder zu unterschiedlichen Zeiten erworben, so gehört es nicht automatisch dem Erstkäufer sondern jenem, dem, wie bereits in ET 52. 53 angeordnet, der Besitz persönlich (corporaliter) übergeben wurde (ET 138). Bei einer Kaufanfechtung ist der Gerichtsstand des Käufers verbindlich (ET 139), und im Streitfall muss der Verkäufer persönlich vor Gericht Rede und Antwort stehen, d.h., er darf sich nicht auf einen Dritten (Vorbesitzer), in dessen Auftrag er handelte, beziehen (ET 140; vgl. bereits ET 43). Als Beispiel einer solchen Klage könnte man den Verkauf eines gewohnheitsmäßig flüchtenden Sklaven anführen, wobei der Verkäufer gegenüber dem getäuschten Käufer (ignorans) außer zur Rückgabe der Kaufsumme auch zum Schadensersatz verpflichtet wird (ET 141).
Eine Neuregelung des ET bedeutet die Erlaubnis, dass ein Herr (dominus) über seine Sklaven und Abhängigen beiderlei Geschlechts (utriusque sexus) dahin gehend verfügen kann, dass er ohne Rücksicht auf etwaige persönliche Bindungen der Betroffenen diese dorthin verlegen darf (ad loca transferre), wo ihm ihre Dienste notwendig erscheinen. Der Sklave oder Abhängige wird also nicht mehr als orts- oder schollengebunden gesehen, vielmehr kann er nach Belieben absque terrae aliqua portione (= auch wenn der zugehörige Grund und Boden fehlt) verschenkt oder veräußert werden, allerdings mit Beglaubigung des Vorgangs (sub scripturae adtestatione; ET 142).
Juden wurde die bereits existierende Eigengerichtsbarkeit mit eigenen Richtern (servanda privilegia; ET 143) bestätigt.
Steuerquittungen für Grundstückseigentümer müssen den Namen des Eigentümers der Grundstücke, die genaue Lage der Grundstücke und die empfangene Summe enthalten, Gleiches gilt für Quittungen von Rechnungsprüfern. Nur vollständig ausgestellte Quittungen können bei einem entsprechenden Steuerprozess vor Gericht standhalten; bei einer erfolgreichen Klage des Steuerpflichtigen muss das Vierfache des gezahlten Betrages dem übervorteilten Kläger erstattet werden (ET 144).
Einen ausschließlich auf barbari bezogenen Strafbestand betrifft deren Weigerung, trotz dreimaliger Ladung nicht vor Gericht zu erscheinen (ET 145). Dies greift zwar ET 5 noch einmal auf, betont hier aber den Aspekt der Widerspenstigkeit (contumacia) von „Langhaarigen“ (capillati), sich einem ordentlichen Gerichtsverfahren nach römischem Prozessrecht zu unterwerfen. In einem solchen Fall kann auch das gewaltsame Vorführen per richterliche Anordnung (pulsare) verfügt werden, sofern der widerspenstige barbarus/capillatus nicht nachweisen kann, dass er einen Bürgen gestellt hat oder beglaubigte Zeugenaussagen von Freien – möglichst honestiores – für ein begründetes Fernbleiben beibringen kann.
Auch die folgenden Paragraphen erscheinen eher nachgetragen worden zu sein, als dass sie mit den vorhergehenden einen engeren Zusammenhang bilden.
Bei Diebstahl von Feldfrüchten steht sowohl dem Herrn (dominus) wie dem Pächter (colonus) ein Klagerecht zu, da ja beiden ein Schaden zugefügt wurde (ET 146).
Verkäufe auf der Basis von Treu und Glauben sind verbindlich und dürfen vom Verkäufer nicht rückgängig gemacht werde. Lediglich die Einklage des Verkaufspreises steht ihm zu (ET 147; vgl. dazu auch ET 139–141).
Das Rückkehrrecht (ius postliminii) von Sklaven und Colonen aus Feindeshand wird dahin gehend geregelt, dass betroffene Personen in die entsprechende Abhängigkeit von ihrem früheren Herrn zurückgeführt werden müssen. Eine Ausnahme ist es, wenn der Abhängige vom Feind (a hostibus) einem anderen Herrn verkauft worden war: In einem solchen Falle können keine diesbezüglichen Ansprüche gestellt werden (ET 148).
Der folgende Paragraph lässt sich mit ET 144 in Verbindung bringen: Betrügerisches Vorgehen von Steuereinnehmern durch Verwendung von falschen Maßen und Gewichten wird mit vierfacher Erstattung bestraft. Wichtig ist dabei, dass der Steuereinnehmer zusammen mit den von ihm verwendeten Maßen dem Gericht zur Überprüfung überstellt wird, da sich derartige Vergehen meist nur durch exakt ausgefüllt Steuerquittungen vor Gericht belegen lassen. Diese Verordnung gilt auch für Händler, die falsche Maße und Gewichte statt der fiscales species, d.h. Eichgewichte, verwenden (ET 149).
Verboten war die Inanspruchnahme der Arbeitskraft fremder Bauern/Landarbeiter (rusticus), Sklaven oder Vieh ohne Zustimmung von deren Herrn (invito domino). In diesem Falle musste pro Tagesleistung ein Solidus Strafe bezahlt werden (ET 150).
Absichtliche Schädigung der Ernte oder Baumfrevel wird mit der vierfachen Schadenssumme bestraft (ET 151; vgl. auch ET 146).
Tötung eines Sklaven oder Bauern (rusticus) durch einen Fremden konnte der Herr entweder auf dem Wege der Kapitalklage verfolgen (homicidam capitaliter accusare), oder aber eine Schadensklage (obnoxium) anstrengen (civiliter actionem). In diesem Falle standen ihm zwei gleichwertige Sklaven/Colonen (duo tales) zu (ET 152). Dabei wird deutlich, dass sich der Schadensersatz auf die Arbeitskraft des Getöteten bezieht, nicht auf die Person.
Eine Ehefrau haftet nicht für die Schulden ihres Ehemannes. Ihr persönlicher Besitz muss unangetastet bleiben. Hingegen ist ein Zugriff auf das ihr vom Ehemann testamentarisch hinterlassene Vermögen, wozu auch die Verlobungs- und Ehegeschenke (sponsalis munificentia) zählen, erlaubt (ET 153). Diese Bestimmung kann als Ergänzung von ET 133 gewertet werden.
Das ET schließt mit einer Bestimmung, dass an Sonntagen und dem Osterfest keine Gerichtsverfahren stattfinden dürfen (offizielle Gerichtsferien); ein Verstoß wird als sacrilegium geahndet (ET 154).
Das Edikt endet mit dem nochmaligen Hinweis, dass das Recht unterschiedslos für alle, Römer wie „Barbaren“, Niedrig- wie Höherstehende (humiliores, honestiores) verbindlich ist, dass aber alle Bestimmungen auf den früheren leges et novellae beruhen. Dies bedeutet, wie bereits mehrfach gesagt, dass das hier vorliegende „Edictum“ keinen Ersatz für frühere Kodifizierungen und Kaiserkonstitutionen darstellt, sondern lediglich „Kurzfassungen“ bietet – wenn auch mit manchmal unterschiedlichen Strafandrohungen –, die eine schnellere Handhabung ermöglichen als die umfangreichen Gesetzessammlungen und deren Kommentare. Damit wird auch eine Art „Schnellverfahren“ bei Gericht beabsichtigt, da Theoderich Prozessverschleppungen und langjährige Verfahren unterbinden möchte (vgl. ET 12). In jedem Fall aber wird hervorgehoben, dass der König in Streitfällen letztinstanzlich entscheidet, also eine Appellation an ein Kaisergericht (in Konstantinopel) unzulässig war, von Bedeutung vor allem für Romanen.