Читать книгу Das ›Dritte Reich‹ 1933–1945 - Группа авторов - Страница 20
Konservative Rechte zwischen traditionellem Machtdenken und NS-Weltanschauung
ОглавлениеAuch von der Gedankenwelt der traditionellen Rechten gibt es wie generell von dem bürgerlichen Lager kaum Berichtenswertes zu verzeichnen. Kennzeichnend für den Bankrott in Form des Machttransfers an Hitler im Januar 1933 war ein Leitartikel der traditionsreichen preußischen Kreuzzeitung. Vorherrschend war Freude, dass die Macht bei der Rechten, auf der richtigen Seite fixiert wurde. Zurückgestellt wurden Bedenken, dass die NSDAP als „neue Rechte“ wesensmäßig etwas fundamental anderes als die traditionelle Rechte darstellte, darauf ausgerichtet, mit einer revolutionären und hybriden Gewaltpolitik konservativen und christlichen Werten schwersten Schaden zuzufügen. Hierbei spielte – bei eklatanter Überschätzung der eigenen Machtmittel – der Gedanke eine Rolle, man könne Hitler als Krisenbewältiger testen, indem man ihm als zeitlich begrenztem Auftrag eine Kommunisten-Verfolgung gestatte und dabei das „vaterländische“ Potential der SA nutze. Doch mit der Gleichschaltung, binnen Jahresfrist, wurden die Machtverhältnisse für alle sichtbar zugunsten der Nationalsozialisten geklärt. Franz von Papen, nominell noch Vizekanzler, versuchte auf sein Programm einer christlich-konservativ-nationalen Erneuerung zu pochen, doch mehr als ein punktuelles Aufmucken kam nicht heraus. Fortan war, wenn es nicht zu Verfolgungsmaßnahmen gegen die Konservativen und die bürgerliche Mitte kam oder wenn von dieser Seite Widerstand geleistet wurde, Anpassung angesagt; Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk als letzter Regierungschef des NS-Staates demonstrierte dies noch 1945.38
Eine bündnisartige Beziehung zu Hitler und dem NS-Staat gingen demgegenüber Militärs um Werner von Blomberg ein; politische Führung und Reichswehr sollten die zwei tragenden Säulen des Staates sein. Doch Offiziere wie Blomberg entwickelten beim Wegbrechen ihrer konservativen Partner in der politischen Führung eine so erhebliche, an Identifikation grenzende geistige Nähe zu Hitler, dass früh eine Unterordnung unter den „Führer“ angesagt und 1938 vollzogen wurde. Beim Abschluss des Paktes zwischen Hitler und Reichswehrführung dominierten nostalgische Erinnerungen an das alte Preußen und die Kaiserzeit. Berühmt-berüchtigt ist der von der Hindenburg-Seite inszenierte und von Goebbels für die Nationalsozialisten ausgeschlachtete „Tag von Potsdam“, der einen vermeintlichen Brückenschlag zwischen traditioneller und neuer Rechter, zwischen Konservativen und Nationalsozialisten symbolisieren sollte, der in Wahrheit aber den Abgesang auf die Hindenburg-Jahre darstellte und auf die Ausschaltung des Reichstages einstimmte. Suggeriert wurde der den Realitäten Hohn sprechende Gedanke, dass der Hitler-Staat in die Tradition Preußens trete, eines Beamten- und Militärstaates mit viel Rechtsstaatlichkeit und Biederkeit. Hinzu kam bei den Militärs, dass keine realitätsnahe Aufarbeitung des verheerenden Ersten Weltkrieges gelungen war, was sie dazu verleitete, auf eine „verbesserte“ Wiederaufnahme der militärgestützten Machtpolitik des späten Kaiserreichs zu setzen. Hierbei lag es allzu nahe, auf einen Tatmenschen als Retter zu setzen, was die Affinität der Leute um Blomberg zum „heilbringenden Führer“ begründete. Dessen ungeachtet blieb das Offizierscorps auch ein Reservoir für konservative Köpfe, die rechtschaffenen, nicht selten christlichen Maximen verhaftet blieben oder diese beim Toben des Ostkrieges und bei drohender Niederlage wiederentdeckten. Sie wurden zu Widerstandskämpfern oder doch zu Offizieren, die sich mehr schlecht als recht bemühten, bei Beteiligung am Vernichtungskrieg einen „anständigen Krieg“ zu führen.39