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1. Parlamentarisches Budgetrecht
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Der Haushaltsplan, der die staatliche Haushaltswirtschaft rechtsverbindlich anleitet, wird in Bund und Ländern durch das periodisch (Rn. 134 ff.) zu erlassende Haushaltsgesetz festgestellt; dies nach Maßgabe der verfassungsrechtlichen Grundlagen, des ebenfalls bindenden Haushaltsgrundsätzegesetzes und der einschlägigen Haushaltsordnung. Weil die Haushaltsordnung und das Haushaltsgesetz normativ gleichrangig stehen, kann das zeitlich später erlassene Haushaltsgesetz allerdings – für die Zeit seiner Geltung – nach dem lex posterior-Grundsatz von der Haushaltsordnung abweichen[269].
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Das Budgetrecht des Parlaments (Etathoheit), das sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts, nach langem Ringen zwischen (monarchischer) Exekutive und Volksvertretungen, etabliert hatte, wird seither zu Recht als eines der vornehmsten parlamentarischen Rechte angesehen[270]. Das Parlament trifft mit dem Beschluss über den Haushaltsplan eine „wirtschaftliche Grundsatzentscheidung für zentrale Bereiche der Politik während des Planungszeitraums“[271]. Es wirkt mit der Haushaltsgesetzgebung gestaltend auf die Politik ein und begründet mit ihr zugleich einen Kontrollmaßstab. So korrespondiert mit dem Haushaltsrecht des Parlaments dessen Pflicht, sich selbst und der Öffentlichkeit in einer den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechenden Weise Rechenschaft über die Einnahmen und Ausgaben des Landes abzulegen.
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Ein effektives Einwirken und eine effektive Kontrolle setzen allerdings voraus, dass das Parlament seine Budgethoheit tatsächlich wahrzunehmen vermag. Dies lenkt den Blick auf die rechtlichen und faktischen Grenzen der parlamentarischen Beratung und Willensbildung über den Haushalt.
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An erster Stelle stehen dabei die außerbudgetären Bindungen, die der Haushaltsgesetzgeber zu beachten hat. So ist ein ganz erheblicher Teil der Staatsausgaben durch – zeitlich typischerweise unbefristete – Leistungsgesetze determiniert. Weil die außenrechtlichen Ansprüche nicht in Abhängigkeit vom haushaltsrechtlichen Mittelansatz stehen, hat der Haushaltsgesetzgeber, will er es nicht zu Gesetzesverstößen kommen lassen, Titel in entsprechender Höhe auszuweisen. Gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass sich Leistungsgesetze durchaus dem finanziellen Leistungsvermögen des Staates anpassen lassen[272]. Die Vielzahl an Haushaltssicherungs-, Haushaltsstruktur- und Haushaltsbegleitgesetzen der letzten Jahre, die gerade auch diesem Ziel dienen, gibt Zeugnis davon, dass der Fortbestand von Leistungsgesetzen – vorbehaltlich verfassungsrechtlicher Anforderungen – keine juristische Zwangsläufigkeit ist, sondern im Kern auf politischem Willen beruht. Weitgehend indisponibel sind neben den Leistungsgesetzen im engeren Sinne die beamtenrechtlich abgesicherten Gehälter und Pensionen, die Ausgaben für die wesentlichen staatlichen Einrichtungen und Infrastrukturen, nicht zuletzt auch die Zins- und Tilgungslasten aus vormaliger Staatsverschuldung. Außerbudgetäre rechtliche Bindungen ergeben sich für den Haushaltsgesetzgeber schließlich auch aus der Einbindung Deutschland in den Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt (siehe Art. 109 Abs. 2 GG) und aus der Schuldenbremse nach Art. 109 Abs. 3 und Art. 115 Abs. 2 GG.
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Faktischen Grenzen unterliegt die Beratung und Willensbildung des Parlaments über den Haushaltsplan insoweit, als dieser einen solchen Umfang und einen solchen Detailreichtum aufweist, dass sich die Abgeordneten und Fraktionen zumeist nur stichprobenartig und in Konzentration auf je eigene Schwerpunktbereiche inhaltlicher Arbeit mit dem Haushaltsplanentwurf der Regierung befassen können. So dient insbesondere die erste Lesung zum Haushaltsgesetz im Parlament im Ergebnis auch anderen Zwecken als der sachlichen Beratung über einzelne Titelansätze, namentlich der Generalaussprache über das Regierungshandeln.
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Begrenzt ist das tatsächliche Wirksamwerden der parlamentarischen Willensbildung über den Haushaltsplan schließlich auch, soweit es infolge der jüngeren Entwicklungen zu einer stärkeren Budgetierung und Flexibilisierung des Haushalts kommt (Rn. 19 ff.). Je gröber sich die Titelstruktur darstellt und je deckungsfähiger die Titel gestaltet sind, desto weniger kann das Parlament über die Mittelverwendung im Einzelnen entscheiden[273].