Читать книгу Besonderes Verwaltungsrecht - Группа авторов - Страница 134

b) Entwicklungsgebot

Оглавление

39

Das Konzept der Zweistufigkeit der Bauleitplanung wird am deutlichsten durch § 8 Abs. 2 BauGB zum Ausdruck gebracht, der in Form des Entwicklungsgebots das inhaltliche Verhältnis der beiden Bauleitpläne zueinander definiert. Dabei ist die Entwicklung nicht als bloßer Vollzug zu verstehen[138]. Schon der Zeithorizont des Flächennutzungsplans, der prognostisch in die Zukunft gerichtet ist und dementsprechend ein geringeres Maß an Verlässlichkeit bietet, erfordert einen Gestaltungsspielraum auf der Ebene des Bebauungsplans. „Entwickeln“ im Sinne des § 8 Abs. 2 BauGB bedeutet nicht, dass die Gemeinde das grobe Raster des Flächennutzungsplans lediglich mit entsprechenden Festsetzungen im Bebauungsplan fortsetzt oder ausfüllt. Die Planung erfolgt vielmehr eigenständig innerhalb des durch den Flächennutzungsplan vorgegebenen Rahmens[139]. Sofern im Bebauungsplan von den Darstellungen des Flächennutzungsplans abgewichen wird, muss nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Abweichung die Grundkonzeption des Flächennutzungsplans unberührt lassen[140]. Daneben müssen sich Abweichungen aus dem „Übergang in eine stärker verdeutlichende Planstufe“ rechtfertigen[141]. Diese Voraussetzungen lassen sich im Zweifelsfall nur aufgrund der Umstände des Einzelfalles beurteilen[142]. Dabei ist zu beachten, dass eine weniger detaillierte Darstellung im Flächennutzungsplan die Freiheit der Gemeinde bei der Aufstellung des Bebauungsplans erhöht, weil ihr ein größerer Spielraum zur Feinabstimmung bleibt[143]. Verletzt ein Bebauungsplan das Entwicklungsgebot, ist dieser Fehler gemäß § 214 Abs. 2 Nr. 2 BauGB unbeachtlich, wenn die sich aus dem Flächennutzungsplan ergebende städtebauliche Ordnung nicht verletzt wird[144].

40

Das Gesetz kennt einige Modifikationen und Ausnahmen vom Entwicklungsgebot. § 8 Abs. 2 S. 2 BauGB regelt den Fall des sogenannten selbstständigen Bebauungsplans. Danach ist es möglich, auf den Flächennutzungsplan zu verzichten, wenn der Bebauungsplan ausreicht, um die städtebauliche Entwicklung zu ordnen[145], es deshalb also insgesamt keines Flächennutzungsplans bedarf[146]. Dies kommt vor allem in kleinen Gemeinden mit abgeschlossener oder allenfalls geringer Siedlungstätigkeit in Betracht. Die praktische Relevanz der Regelung ist damit gering[147]. Hierbei handelt es sich um eine echte Ausnahme vom Prinzip der Zweistufigkeit[148].

41

Dies gilt hingegen nicht für das in § 8 Abs. 3 BauGB vorgesehene Parallelverfahren. Hiernach ist es möglich, Bebauungsplan und Flächennutzungsplan gleichzeitig aufzustellen, wobei das Kriterium der Gleichzeitigkeit nicht streng zu verstehen ist, wie auch § 8 Abs. 3 S. 2 BauGB zeigt[149]. Das Prinzip der Zweistufigkeit ist hier jedenfalls insofern gewahrt, als das Verfahren zu einem Bebauungsplan führen muss, der sich, wenn die Inhalte der abgeschlossenen Planwerke betrachtet werden, als aus dem Flächennutzungsplan entwickelt darstellt. Inhaltlich ist damit dem Entwicklungsgebot insofern Genüge getan, als der Bebauungsplan sich in eine im Flächennutzungsplan dargestellte städtebauliche Gesamtkonzeption einfügen muss. Betrachtet man hingegen den planerischen Prozess, stellt sich dies anders dar. Der Anstoß für ein Parallelverfahren geht in vielen Fällen von einem konkreten städtebaulichen Projekt aus, das einer planungsrechtlichen Grundlage in Form eines Bebauungsplans bedarf. Die Änderung des Flächennutzungsplans ergibt sich in dieser Konstellation lediglich als weiterer Anpassungsbedarf[150]. Die inhaltliche Komponente des Entwicklungsgebots wird gegenüber den prozeduralen Elementen betont.[151] Letztlich sind dieses Vorgehen und die faktische Durchbrechung des Entwicklungsgebots jedoch insofern legitim, als das Konzept der zweistufigen Bauleitplanung mit dem Entwicklungsgebot als dem zentralen Element der Verknüpfung der städtebaulichen Realität nur eingeschränkt entspricht. In der Stadtentwicklung treten immer wieder akute Probleme in Teilbereichen auf, die nicht vorhersehbar waren und in dem im Flächennutzungsplan verkörperten Gesamtkonzept nicht berücksichtigt werden konnten[152]. In diesen Fällen ist es erforderlich, eine Balance zwischen dem Erfordernis einer geordneten gesamtstädtischen Entwicklung und lokalem Veränderungsdruck herzustellen. Ein Verstoß gegen § 8 Abs. 3 BauGB kann gemäß § 214 Abs. 2 Nr. 4 BauGB unbeachtlich sein[153].

42

Demgegenüber stellt der vorzeitige Bebauungsplan nach § 8 Abs. 4 BauGB wiederum – auch inhaltlich – eine echte Ausnahme vom Entwicklungsgebot dar[154]. In Betracht kommt ein vorzeitiger Bebauungsplan allein in dem Fall, dass ein Flächennutzungsplan – etwa in Folge der Unwirksamkeit des bestehenden Plans – gänzlich fehlt. Anderenfalls entfaltet der Flächennutzungsplan seine Steuerungswirkung[155]. Soll diese möglichst kurzfristig durchbrochen werden, bleibt – abgesehen von den Fällen des § 13a Abs. 2 Nr. 2 BauGB – nur der Weg über § 8 Abs. 3 BauGB. Weiterhin ist ein zwingender Grund für die Durchbrechung des Entwicklungsgebots erforderlich. Die Entscheidung hierüber trägt Züge einer Abwägung. Auf der einen Seite steht das Risiko einer städtebaulichen Fehlentwicklung durch die Planung ohne ein in einem Flächennutzungsplan festgeschriebenes städtebauliches Gesamtkonzept. Dem steht das Risiko einer fehlgeleiteten Entwicklung gegenüber, etwa durch die Realisierung unverträglicher Projekte auf der Grundlage der §§ 34 oder 35 BauGB, bevor die Gemeinde planend eingreifen kann. Nur im Fall des Überwiegens des letztgenannten Risikos sind dringende Gründe im Sinne des § 8 Abs. 4 S. 1 BauGB anzunehmen, die den vorzeitigen Bebauungsplan rechtfertigen[156]. Fehler bei der Beurteilung des Vorliegens von dergestalt zu bestimmenden dringenden Gründen sind gemäß § 214 Abs. 2 Nr. 1 BauGB für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans unbeachtlich. Überdies verlangt § 8 Abs. 4 BauGB, dass „der Bebauungsplan der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung des Gemeindegebiets nicht entgegenstehen wird“. Erforderlich ist also ein hinreichend konkretes, beispielsweise in dem Entwurf eines Flächennutzungsplans oder einem informellen Plan zum Ausdruck kommendes Entwicklungskonzept, in das sich der Bebauungsplan einfügt[157]. Liegt ein solches nicht vor, kommt ein vorzeitiger Bebauungsplan nicht in Betracht, da die Gefahr einer zusammenhangslosen Ad-hoc-Planung zu groß wäre. Zugleich fehlte die Grundlage, auf der die Gemeinde städtebauliche Gründe geltend machen könnte.

43

Eine besonders gravierende Abweichung vom Entwicklungsgebot enthält der 2007 ins Gesetz aufgenommene § 13a Abs. 2 Nr. 2 BauGB für die sogenannten Bebauungspläne der Innenentwicklung sowie die Bebauungspläne nach § 13b BauGB, für die zugleich das beschleunigte Verfahren geschaffen wurde. Bei allen Lockerungen des Entwicklungsgebots galt stets, dass die gesetzlich vorgesehene Abfolge der Planungsstufen nicht in dem Sinne verkehrt werden darf, dass es zu einer faktischen Bindung des Flächennutzungsplans an den Bebauungsplan kommt[158]. Genau dies geschieht, wenn aufgrund der genannten Regelung mit dem Bebauungsplan von den Vorgaben des Flächennutzungsplans abgewichen werden kann und der Flächennutzungsplan lediglich im Wege der Berichtigung angepasst wird. In diesem Bereich verliert der Flächennutzungsplan seine Steuerungswirkung[159]. Das Gesetz verlangt zwar als einschränkende Voraussetzung, dass „die geordnete städtebauliche Entwicklung des Gemeindegebiets nicht beeinträchtigt werden“ darf. Dies wäre jedoch grundsätzlich auf der Grundlage der Darstellungen des Flächennutzungsplans zu beurteilen[160]. Der Umstand, dass die Berichtigung des Flächennutzungsplans überdies lediglich ein redaktioneller Vorgang sein soll, der auch keines Bauleitplanverfahrens bedarf[161], wirft überdies die Frage auf, wie die Kohärenz des Flächennutzungsplans, insbesondere im Hinblick auf das zugrunde liegende Abwägungsgefüge gewahrt werden soll. Der Einwand, der Flächennutzungsplan leide nach einer derartigen Berichtigung an einem Abwägungsfehler, liegt jedenfalls nahe. Zu Recht wird verlangt, dass die in dem Bebauungsplan enthaltene „Änderung“ des Flächennutzungsplans auch als solche planbar sein müsste[162]. Das setzt aber eine abwägende Auseinandersetzung mit dem planerischen Konzept des Flächennutzungsplans voraus, was wiederum dem Zweck des beschleunigten Verfahrens zuwiderläuft und dieses überfrachten dürfte. Es bleibt zu konstatieren, dass der Gesetzgeber sich mit der Regelung des § 13a Abs. 2 Nr. 2 BauGB für die gemäß § 13a Abs. 1 und § 13b BauGB infrage kommenden Bereiche von dem Prinzip der Zweistufigkeit der Bauleitplanung verabschiedet[163]. Dies erscheint umso bedenklicher, als der Bebauungsplan der Innenentwicklung in der Praxis intensiv eingesetzt wird[164]. Dies geschieht ohne Not. Die mit dem Verfahren des § 13a BauGB intendierte Beschleunigung ließe sich wohl ohne allzu große Abstriche auch über die Regelung des § 8 Abs. 3 BauGB erreichen. Der Gesetzgeber folgt mit der Regelung des § 13a BauGB hingegen dem Leitbild einer projektorientierten Einzelfallplanung (siehe dazu oben Rn. 8).

Besonderes Verwaltungsrecht

Подняться наверх