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2. Beteiligung eines Garantenpflichtigen durch Unterlassen an einem Begehungsdelikt

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Die Beteiligung eines Garantenpflichtigen durch Unterlassen an einem Begehungsdelikt betrifft die Fälle, in denen ein Garant nicht gegen die täterschaftliche Begehungstat einschreitet, obwohl er dazu verpflichtet ist. Würde die Gefahr beispielsweise von der Natur herrühren und der Garant es trotz Handlungsmöglichkeit unterlassen, den Erfolg abzuwenden, würde er als Täter bestraft. Beispiel: Der Vater verhindert nicht (obwohl er es könnte), dass sein Sohn von einem Stein erschlagen wird. Problematisch sind jedoch die Fälle, in denen ein Garantenpflichtiger es unterlässt, die bewirkte Rechtsgutsverletzung eines anderen (Nichtgaranten) zu verhindern. Im Gegensatz zu den Fällen, in denen eine Naturgefahr droht, ist hier zu berücksichtigen, dass eine verantwortliche Person als Täter die Tat begeht. Es treffen damit die Dogmatik der unechten Unterlassungsdelikte mit der Beteiligungslehre aufeinander.[229] Dabei können insbesondere vier mögliche Ansätze unterschieden werden. Die Kriterien der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme beim positiven Tun werden auf die Unterlassungsdelikte übertragen (Rn. 118 ff.). In der Literatur weden die Unterlassungsdelikte zum Teil als Pflichtdelikte angesehen, so dass jede Beteiligung durch Unterlassen als täterschaftliches zu werten ist (Rn. 122 f.). Auch besteht die Möglichkeit, nach Qualität und Inhalt der Garantestellungen zu differenzieren (Rn. 124 f.). Schließlich wird in Teilen der Literatur bei der Beteiligung an Unterlassungsdelikten grundsätzlich eine bloße Gehilfenstellung angenommen, sog. Lehre von der Einheitsbeihilfe (Rn. 126 ff.).

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a) Die Rechtsprechung grenzt in den Fällen der Beteiligung eines Garantenpflichtigen durch Unterlassen entweder nach denselben Kriterien ab wie bei den Erfolgsdelikten, nämlich in Form einer normativen Gesamtbetrachtung oder sie nimmt eine Täterschaft an.[230]. In den erstgenannten Fällen soll abgewogen werden, ob die innere Einstellung davon geprägt ist, dass sich der Unterlassende dem Handelnden im Willen unterordnet und das Geschehen ohne innere Beteiligung und ohne Interesse am drohenden Erfolg im Sinne bloßen Gehilfenwillens lediglich ablaufen lässt.[231] In anderen Fällen hat die Rechtsprechung hingegen, ohne nähere Begründung, eine Täterschaft des unterlassenden Garanten angenommen.[232] Vgl. hierzu → AT Bd. 3: Roxin, § 52 Rn. 242 ff. insbes. Rn. 245 ff.

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Der Rechtsprechung ist entgegenzuhalten, dass sie nicht einheitlich abgrenzt, sondern in manchen Fällen auf das subjektive Element abstellt, in anderen wiederum, ohne eine nähere Begründung von der Täterschaft des Garanten ausgeht. Insofern gewinnt man den Eindruck, dass sie eher intuitiv, denn nach allgemeinen Kriterien vorgeht. Auch ist ein Abstellen auf die subjektive Seite bei Unterlassungsdelikten insofern schwieriger als Begehungsdelikten, als über den Willen auf eine Tatmacht geschlossen wird, dieser sich aber in keinster Weise aufgrund des Nichthandelns in der Außenwelt in Erscheinung tritt. Vgl. auch die Kritik von Roxin unter → AT Bd. 3: Roxin, § 52 Rn. 246.

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Die Literatur hält in Teilen bei einer Beteiligung durch Unterlassen am Kriterium der Tatherrschaft fest und grenzt nach dem Grad der („potenziellen“)[233] Einflussmöglichkeiten des Garanten ab.[234] Dabei solle von indizieller Bedeutung sein, ob der Unterlassende, hätte er seine Handlungspflicht erfüllt, als Täter oder Teilnehmer einzuordnen wäre.

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Diese Lehre vermag deswegen nicht zu überzeugen, weil sie keine klaren Kriterien benennen kann. Unbestimmt bleibt hier insbesondere die Frage, wie sich der Grad bemessen soll, wonach die Einflussmöglichkeit gegenüber dem Handelnden als besonders schwierig oder einfach eingestuft werden kann.[235]

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b) In der Literatur wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass die unechten Unterlassungsdelikte Pflichtdelikte sind. Das führt dazu, dass bereits die Verletzung der rechtlichen Sonderpflicht (die Erfolgsabwendungspflicht) Täterschaft begründet. Täter ist dann derjenige, der „in einer sozialen Pflichtenstellung als Garant für die Nichtabwendung des Erfolges einzustehen hat“. Unterlässt der Garant die Abwendung des Erfolges ist er Täter, auch wenn ein anderer den Tatbestand durch aktives Tun realisiert.[236]

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Gegen diese Lehre greifen die bereits oben gegenüber den Sonderdelikten dargelegten Einwände (vgl. Rn. 46). Zudem führt dieser Ansatz dazu, dass dadurch, dass allein die Garantenstellung über die Form der Beteiligung bestimmt, die Regelungen über Täterschaft und Teilnahme (§§ 25 ff. StGB) nicht zur Anwendung kommen. Das hat zur Folge, dass auch die im Rahmen der Beihilfe vorgesehene Strafmilderung ebenso wenig zur Anwendung kommen kann, wie die grundsätzliche Straflosigkeit der versuchten Beihilfe. Insgesamt unterliegt so die Beteiligung durch Unterlassen strengeren Kriterien als die Beteiligung durch aktives Tun.[237]

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c) Teilweise wird eine Differenzierung nach Inhalt und Qualität der Garantenstellung vorgenommen. So weise der Beschützergarant im Verhältnis zum Überwachergarant einen anderen Pflichtigkeitsgrad auf. Er sei dem Rechtsgut unmittelbar verpflichtet mit der Folge, dass er stets Täter sei. Der Überwachergarant habe demgegenüber nur eine mittelbare Pflicht hinsichtlich des Rechtsguts, da er nur bestimmte Gefahrenquellen zu überwachen habe. Er sei daher bloßer Gehilfe durch Unterlassen, wenn er die Verletzung eines Dritten nicht verhindere.[238]

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Diese Lehre nimmt die Besonderheiten der Unterlassungsdelikte auf und verbindet sie mit der Beteiligungsdogmatik. Problematisch ist jedoch, dass die vorgenommene Differenzierung in Beschützer- und Überwachergaranten in § 13 StGB keine Entsprechung findet, sondern jeder Garant zur Erfolgsabwendung verpflichtet ist. Ferner ist die Unterscheidung zwischen Beschützergarant und Überwachergarant nicht immer klar zu treffen, so können insbesondere auch beide zusammentreffen.[239]

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d) Die sog. Lehre von der Einheitsbeihilfe geht davon aus, dass neben der Tatherrschaft eines Begehungstäters dem nicht hindernden Garanten an der Erfolgsherbeiführung nur die Rolle eines Gehilfen zukommen könne.[240] Der Unterlassende sei gerade, anders als der aktiv Handelnde, nicht „Zentralgestalt“ des Geschehens (vgl. auch → AT Bd. 2: Horst Schlehofer, Einwilligung, § 40 Rn. 41). Täterschaftliches Unterlassen sei erst dann anzunehmen, wenn der Handelnde das Geschehen nicht mehr beherrsche, also der Garant z.B. das schwer verletzte Opfer finde und nicht handle.[241]

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Die Annahme bloßer Beihilfe verbunden mit einer obligatorischen Strafmilderung nach § 27 StGB werde, so wird gegen die Lehre eingewendet, dem Unwertgehalt des Unterlassens nicht gerecht.[242] Es sei nicht nachvollziehbar, dass der untätige Garant bei menschlichen Angriffen besser gestellt würde, als bei Naturereignissen.[243] Die Beihilfelösung komme zu willkürlichen Ergebnissen, wenn sie eine Unterscheidung nach „naturalistischen“ Maßstäben (menschliche oder natürliche Wirkungen) treffe, da die Möglichkeit der Erfolgsabwendung in beiden Fällen die gleiche sei.[244]

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§ 13 StGB setzt neben der Garantenstellung voraus, dass das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes entspricht. Besonderer Bedeutung kommt daher auch der Art des Tatbeitrags zu. Entscheidend ist daher, inwieweit dem Unterlassenden eine Wirkmacht über das konkrete Geschehen zukommt. Solange ein aktiv Handelnder das Geschehen beherrscht, ist dem untätig bleibenden Garanten jedenfalls der unmittelbare Zugang zum strafbaren Erfolg „verstellt“.[245] Insofern macht es einen bedeutenden Unterschied, ob es um ein menschliches Handeln oder um ein Naturereignis/Unglück geht. Interpersonales Handeln vollzieht sich gerade nicht nach Naturkausalitäten (näher oben unter Rn. 51 ff.). Im Falle menschlichen Handelns muss der Garant auf den Willen eines Handelnden Einfluss nehmen und diesen überwinden. Dieser Einfluss kann aber keine Täterschaft, sondern nur eine Teilnahme begründen, solange der Handelnde volldeliktisch handelt. Fraglich ist allerdings, ob dies notwendig eine Beihilfe darstellt oder ob nicht möglicherweise auch eine Anstiftung denkbar wäre. Diese käme zumindest dann in Betracht, wenn der Unterlassende gegenüber dem Handelnden in einem Abhängigkeitsverhältnis steht und ihm insofern eine willensbestimmende Macht zukommt, so dass er durch Einwirkung auf den Willen des Haupttäters den Erfolg abwenden könnte.[246]

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