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Das Ultimatum

Auf der Zeremonialterrasse vor dem Unvollendeten Palast,

eine Dreiviertelstunde später

»O Herr der Unwandelbaren Ordnung, der Unterhändler ist ... zurück.« Der Höchste Schwellenhüter stockte unüberhörbar. Es war klar, daß seine Botschaft unerfreulich war – und vermutlich die des Unterhändlers ebenfalls.

Ein dezentes Fächeln des Göttergleichen ließ den Zeremonienmeister der Kammer der Tugendhaften Ordnung rufen: »Der ehrwürdige Herr möge vortreten.«

»Ich eile, o Herr der Unwandelbaren Ordnung, damit man ihn bringe.«

»Bringen?« flüsterte Hüang näng Lüoging mit einem süffisanten Lächeln hinter seinem Fächer. »Das dürfte unterhaltsam werden.«

Der feiste Fong-Kuoy näng Tschüeng nickte, ein noch dezenteres Lächeln auf den Lippen.

Der Mann lebte anscheinend noch. Vier Sklaven trugen ihn auf einer Sänfte herein, die sein Zustand wie eine Bahre erscheinen ließ. Sein Oberkörper war ein unbegreifliches, blutig rotes Gewirr aus Fetzen des Brokatmantels, verkrümmten Gliedmaßen und hastig aufgelegten Verbänden.

Eine weitere Fächergeste des Herrschers ließ nun den Herrn der Geheimen Kammer der Tugendhaften Gesandtschaften sprechen: »Hast du das Ultimatum vorgetragen, ehrwürdiger Hoher Gesandter?« Der Zustand seines direkten Untergebenen war ihm sichtbar peinlich.

»Wie klug es war«, flüsterte Hüang näng Lüoging dem Hohepriester Musang zu, »diese Aufgabe auf die Kammer der Tugendhaften Gesandtschaften abzuschieben.«

»Es ist immer erfreulich«, wisperte Musang zurück, »zu sehen, wie jemand anders mit einer Aufgabe scheitert, die keinen Ruhm und nur Ärger einbringen kann.« Außenpolitik genoß im Reich der Tugend wenig Ansehen und Einfluß. Nach seinem Selbstverständnis gab es keine ebenbürtigen Herrscher, nur Länder, die noch nicht der Ordnung des Tugendhaften Weges des Himmlischen Willens unterstanden. Die Reiche der Barbaren sahen das naturgemäß anders.

Der Gesandte brauchte einen Arzt, um sich aufzurichten. Allein mit seiner eisernen Disziplin und Ehrfurcht war es zu erklären, daß er laut genug sprach.

»Sie sind von unvorstellbarer Unhöflichkeit, o Herr der Unwandelbaren Ordnung«, preßte der Mann hervor. Die Schweißperlen von seiner Stirn ließen seine rote Schminke in widerlichen Bahnen verrinnen. Oder war das noch mehr Blut? »Ich hatte eben erst die Anrufung deines Namens im Namen der Acht Elemente begonnen, als sie in Wut gerieten. Sie riefen, daß Acht keine Zahl sei. Sie stürzten sich auf uns ...«

»Wie konnte es dazu kommen?« unterbrach ihn Hüang näng Lüoging mit peitschender Schärfe. Selbst Musang neben ihm versteifte sich. Für einen Augenblick herrschte peinlichste Stille. Der Hohepriester und Unsterblichkeitsberater hatte soeben einen direkten Bericht an den Herrn der tausendzweihundertdreiundzwanzig Kammern unterbrochen. Mehr als acht mal acht Augen richteten sich auf den Herrn auf der Thronsänfte zwischen den Mantikorenstatuen. Eine winzige Geste des Fächers zeigte, daß die Frage willkommen war – zumindest von dem Mann, der sich soeben unverkennbar als der Mächtigste neben dem Thron erwiesen hatte.

»Habt ihr denn nicht angemessen Abstand gewahrt?« setzte der Göttergleiche nach, als der Schwerverletzte nicht antwortete.

»Sie sprangen von der Mauer«, stieß der Mann hervor, fassungslos über das Erlebte – oder die Gnadenlosigkeit der Befragung. »Sie sind schnell wie Tiger. Sie ... sie machten meine Ehrengarde nieder.« Er begann zu zittern und krallte sich am Arm des Arztes fest. Dieser gab ihm einen Schluck von etwas zu trinken, was den Verwundeten sich aufbäumen ließ.

»Sprich weiter!« ermunterte ihn der Heilkundige dann, fürsorglich und streng zugleich.

»Ich frage dich erneut«, beharrte der Herr der Geheimen Kammer der Tugendhaften Gesandtschaften. »Hast du das Ultimatum vorgetragen?« Der oberste Diplomat ahnte natürlich, in welchen Schwierigkeiten er war.

»Sie trafen mich mit einem Wurfhaken«, keuchte der Hohe Gesandte. Seine Augen weiteten sich. Verzweifelt suchte er den Blick des Arztes – vergeblich. »Sie holten mich ein wie einen Fisch. Und dann ...« Er röchelte und versuchte einen Arm zu heben – und es war mehr als ein Arm, was sich da bewegte.

»Ich denke, es ist deine Aufgabe, die Antwort unserer Feinde zu erklären, hochehrwürdiger Herr der Geheimen Kammer der Tugendhaften Gesandtschaften!« Hüang hatte absichtlich erst am Ende des Satzes hinzugefügt, wem er die prekäre Verantwortung zuschanzte. »Wie haben die Blauen Götter das Ultimatum des Herrn der Unwandelbaren Ordnung beantwortet?« Hüang hätte den Herrscher in dieser Frage niemals als Höchsten Kriegsherrn tituliert: Dies war kein militärisches Ultimatum und kein Eroberungskrieg. Dies war der Griff nach der Macht über Erde und Himmel zugleich.

Der Herr der Kammer versuchte gleichmütig zu wirken, als er zu seinem Untergebenen auf der Sänfte trat. Aber die Larve, die Barbarenkönige und Häuptlinge täuschen gelernt hatte, konnte vor Hüang nicht verbergen, daß der Mann innerlich bebte. Nach einem langen Blick wandte er sich dem Göttergleichen zu.

»Sie haben die Kapitulationsaufforderung nicht entgegengenommen. Die rüde Unterbrechung der Rede unseres Gesandten soll uns sagen, daß wir keine Forderungen zu stellen haben.« Er fächelte heftig. »Darüber hinaus haben sie unsere Gesandtschaft erschlagen und den überlebenden Sprecher in einer Art zugerichtet, die uns wohl sagen soll, daß Menschen überhaupt nicht zu ihnen zu sprechen haben.«

»Beschreibe uns, was sie getan haben.« Hüang liebte Situationen wie diese: er selbst als unübersehbarer Wortführer vor dem Göttergleichen; ein Konkurrent öffentlich gedemütigt; und eine Antwort, die jedem Zeugen klarmachen würde, wie elementar, gnadenlos und unvermeidlich der Konflikt war, für dessen Eröffnung der Hohepriester stand.

Der Herr der Kammer warf einen letzten Blick auf das Bündel Mensch vor sich. Dann beschrieb er mit belegter Stimme:

»Wie es scheint, haben sie die Arme zweier anderer Gesandter ... mit Lederriemen ... an seinen Leib genäht.« Er fächelte noch heftiger. »Sie haben uns einen Sechsarmigen zurückgeschickt. Das einzige, fürchte ich, was mit ihnen sprechen und das überleben darf.«

»Ehrwürdiger Hüang näng Lüoging, ehrwürdiger Rong hua Zischang!« Die Fistelstimme des Herrn der Unwandelbaren Ordnung klang ratsuchend. Während seine beiden mächtigsten Berater vor die Thronsänfte traten, bildeten acht Herren der Kammer der Tugendhaften Ordnung einen Paravent aus ihren Fächern. Wie schön, dachte Hüang, wir unter uns: mein Herrscher und ich – und der Konkurrent, den ich in den nächsten zwei Jahren beseitigen muß.

»Mein Herr Lauzöng, mein Herr Ziang«, sagte der junge Herrscher halblaut. »Ich nehme an, daß ich jetzt den Angriffsbefehl geben muß?«

»Die Fang«, verneigte sich Hüang, »haben den Kampf eröffnet und damit den alten Pakt des Kriegsherrn der Geheimen Kammer, der die Mantikoren bezwang und verspeiste, gebrochen. Wir sind der Verpflichtung ledig, ihnen den Tribut der Roten Steine zu entrichten und ihnen zu huldigen. Und neben dir, o Herr der Unwandelbaren Ordnung, hat niemand zu stehen, der den Tugendhaften Weg des Himmlischen Willens verweigert.« Ich habe es vollbracht, dachte Hüang, ich habe es tatsächlich vollbracht zu sagen, daß die Blauen Götter nicht mehr den Willen des Himmels tun.

»Die Blauen Götter«, erklärte Kriegsherr Rong hua Zischang, jedes einzelne Wort betonend, »sind die Verkörperung unstillbarer Kriegswut, wie es die alten Heldensagen berichten. Wir dürfen diesen Feind nicht in Serkan Katau dulden. Jetzt, o Höchster Kriegsherr der Geheimen Kammer, heißt es kämpfen wie noch nie.«

Rings um die Thronsänfte begann ein Zeremoniell abzulaufen, das die Hälfte der Würdenträger gemeinsam aus den Richtlinien des Tugendhaften Weges des Himmlischen Willens und historischen Schriften erstellt hatte; die andere Hälfte des Hofes war dazu da, als Zeugen die Nachricht hinauszutragen, daß die Kriegserklärung des Reiches der Tugend an den Unvollendeten Palast eine Handlung von makelloser Tugend gewesen sei.

Während ringsum Chöre, Gongs und Schallhörner erklangen und aus der Ebene Kriegsposaunen, Pauken und Heerscharen antworteten, schritt Hüang im Kreise der anderen sieben Hohepriester wieder zur Zeremonialterrasse. Auf dem Weg winkte er den Arzt herbei.

»Pflegt den unwürdigen Herrn gesund«, befahl er. »Ich will, daß er ausreichend bei Kräften ist, wenn er dem Schmetterlingstod unterworfen wird.«

Himmlisches Feuer

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