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Grosse Maschinen

Vor dem Unvollendeten Palast, etwa zur gleichen Zeit

»Da sind sie!« Der Ringwall starrte nun von ungeheuerlichen Gestalten. Alle paar Schritt ragte einer dieser blauen, sechsarmigen Riesen auf.

»Sie bewegen sich tatsächlich«, bemerkte Hauptmann Kapaung beeindruckt.

»Wie groß sind sie?« fragte sein Erster Wachtmeister.

»Schwer zu schätzen!« meinte Kapaung. »Das Tor der sechs Knäufe, sagen die Kundschafter, ist achteinhalb Götterfuß hoch. Die Mauer, siehst du, ist doppelt so hoch. Demnach messen sie – der Himmel steh uns bei – fünf, sechs oder gar sieben Götterfuß.« Schätzen und rechnen konnten die meisten Offiziere der Geschütze.

»Das sind zwei Mannslängen!«

Kapaung schwieg. Aber in seinem Kopf erklangen die Worte der Hohepriesterin von Tschöng-Hau Leng: »Du stehst vor dem größten Gegner deines Lebens.«

Die Kriegsposaunen gellten nun von allen Seiten, und die Pauken grollten wie ein entfesseltes Gewitter.

»Die Sicht ist schlechter als gestern«, stellte der Erste Wachtmeister mit einem Blick zum zunehmend diesigen Himmel fest. »Findest du es nicht beunruhigend, daß wir alle Probewürfe, Plänkeleien und andere Methoden, den Gegner, seine Zahl, seine Befestigung und die Wirkung der eigenen Waffen zu messen, unterbleiben lassen mußten?«

Hauptmann Kapaung sah seinen Offizier nicht an. »Die Hohepriester haben entschieden, daß selbst ein einzelner Wurf gegen den Unvollendeten Palast, um die Reichweite zu prüfen, bereits einen Angriff darstellen würde. Wir haben anzugreifen, wenn es der Wille des Himmels ist.«

»Ich zweifle die Weisheit der Hohepriester nicht an«, sagte der Erste Wachtmeister vorsichtig, aber er war ein schlechter Lügner.

»Immerhin wissen wir, daß wir ... nichts wissen«, brummte Kapaung und kratzte sich am Kinn. »Kundschafter haben sich nächtens bis zu dem eigentümlichen runden Ringwall geschlichen, um den Stein zu untersuchen. Und es heißt, daß man den ersten die Zunge herausreißen ließ, weil ihre Berichte so unbrauchbar waren: ein unbekanntes Gestein, vielleicht auch ein Metall, kalt und glatt, fugenlos. Aber jeder Kundschafter kam mit dem gleichen Bericht zurück.«

»Was«, murmelte der Wachtmeister verschwörerisch leise, »hat es mit der Geschichte mit den Tunneln auf sich?«

Hauptmann Kapaung bleckte die Zähne. »Es scheint, daß die Priester das nicht als Angriff werteten. Die Schanzbauern begannen schon im Frühling, Tunnel auf den Ringwall zuzutreiben. Dann müßte man heute nur die Stützbalken weghauen und ...« Er schüttelte den Kopf. »Hatte aber wohl keinen Erfolg. Die Ingenieure stellten anscheinend fest, daß der Boden rings um den Unvollendeten Palast auf einem seltsamen Fels steht, an dem sogar die besten Meißel aus ajunäischem Eisen zerbersten.«

Wie eine verebbende Welle verstummten die Kriegsposaunen und Pauken. Schweigen pflanzte sich den Ring entlang fort. Dann erklang der riesige Kriegsgong auf der Zeremonialterrasse. Jaulend stieg ein Drachenpfeil auf, ein, zwei, drei Baumhöhen, und zerbarst mit einem weithin hallenden Knall.

»Tu-gend!« erschallte der Befehl von mehr Offizieren, als ihn jemals zuvor gemeinsam gerufen hatten, verwischt, mit scheinbaren Echos von der anderen Seite des Belagerungsrings.

»Hoi!« dröhnte die Antwort aus einer Million Kehlen. Und es war wohl keiner unter den Anwesenden, der nicht erschauderte im Angesicht dieser geballten Kraft.

Von den Mauern des Unvollendeten Palastes kam eine Antwort: ein urtümliches Brüllen, in das sich ein Fauchen wie von entweichendem Dampf mischte. Die Blauen Götter! Ihre Antwort war nicht halb so laut wie der Ruf des Länder überspannenden Feldes der Krieger – aber irgend etwas in diesem Brüllen ließ das heilige Schaudern in eisiger Kälte erstarren.

»Ihr ehrwürdigen und würdigen Herren an den Großen Maschinen!« rief Hauptmann Kapaung seinen Männern zu. Die wohlriechende Hohepriesterin hatte es vorhergesagt: Er stand zweitausend Läng von der Mangalischen Küste entfernt bereit, um mit seinen Schleudergeräten eine Festung anzugreifen. Gewöhnlich war es ihre Aufgabe, die Hafenfestungen Tschöng-Hau Lengs vor Seeräubern zu verteidigen. Doch seit den Überfallen der Mangalier und ihren gewaltsamen Ansiedelungen, die der Küste ihren Namen gegeben hatten, waren mehrere Generationen vergangen. Kapaung hatte vor fünfzehn Jahren ein einziges Mal erlebt, daß er sein Geschütz auf ein Auslegerschiff von den Inseln hatte werfen lassen.

Der General der vereinigten Geschütztruppen gab ein Zeichen mit seinem Fächer, und der Hauptmann gab den Befehl weiter: »Werft eure Lasten – jetzt!«

»WuTeng!« Acht Finger zu acht mal acht Mann warfen sich in die Taue. Ihr gemeinsamer Ruck ließ den langen Wurfarm senkrecht hochschnellen. Krachend schlugen die Balken gegen die Dämmung, knatternd fielen sie zurück. Die acht Salven flogen auf den Ringwall zu. Und sie waren Tropfen eines Regens, der von den anderen Geschützstellungen aufstieg und auf den Unvollendeten Palast niederging.

Gute Ingenieure, dachte Kapaung. Fünf seiner Salven gingen über den Ringwall hinweg und schlugen mit vernehmlichem Knirschen in den Unvollendeten Palast ein. Zwei trafen bereits jetzt die Mauer. Nur eine Salve schlug fünfzehn Götterfuß vor der Mauer in den Graben.

»Erster Wachtmeister, laß Wachtmeister Giö-Piang ausrichten, wenn der nächste Wurf wieder so kurz geht, werde ich ihn auf die übernächste Salve binden.«

»Nicht viel zu sehen«, meinte der Hauptmann wenig später, als sein Adjutant zurückgekehrt war. Die ersten Mauertreffer seiner Einheit hatten so wenig sichtbare Spuren hinterlassen wie die der anderen.

»Nun, höchstehrwürdiger Hauptmann, das war nach dem, was du sagtest, wohl zu vermuten.« Sie hatten alle erwartet, daß die ersten Salven lediglich dazu dienen würden festzustellen, welcher Beschuß die größte Wirkung zeigte. Die Großen Maschinen, deren Baupläne angeblich von den sagenhaften Magiern von Shaitang und Xang Na Tang stammten, hatten noch ganz andere Munition auf Vorrat: Eisenkugeln und Fettbomben, um härtesten Stein zu sprengen, und siedendes Öl und glühende Steine, um die Mauern in weitem Umkreis in ein flammendes Inferno zu verwandeln.

Viele andere Waffen, mit denen das Reich der Tugend die Barbarenvölker bezwungen hatte, blieben ungenutzt. Es erschien den Kriegsherren sinnlos, die Götter mit Knalltöpfen zu erschrecken, mit Weidenkörben voll Giftschlangen zu bewerfen oder betäubenden Rauch aus dem Geist des Senfkorns mittels Blasebälgen auf die Mauern zu treiben.

»Nun, selbst wenn wir ihren Wall nicht so schnell knacken wie ein mangalisches Piratenschiff«, meinte Kapaung etwas lässiger, als er sich fühlte, »werden wir sie auf jeden Fall so beschäftigen, daß die Schützen und Schleuderer vorrücken können.«

Ringsum begannen jetzt die Heerscharen der Fernkämpfer mit ihrem Vormarsch. Da sah man die Schleuderer der Kilang Klan, federgeschmückte Söldner in ihren Lederkilts, die versuchen würden, auf hundert Götterfuß an den Wall heranzukommen, um ihn mit Donnerkugeln und Bleikugeln zu bedecken. Die große Masse machten die Kreuzbogenschützen aus, die nun die Sehnen auf ihre Waffen zogen. Sie griffen vor allem im Süden an, nicht, weil hier das Tor der sechs Knäufe lag, sondern wegen des vorherrschenden Südwindes in ihrem Rücken. Auch sie mußten zumindest auf zweihundert Götterfuß an den Ringwall herankommen.

Dahinter rückten die Bambusschleudern vor. Man sah den Männern in den rotlackierten Lederwämsern der Hilfstruppen nicht an, wie gefährlich die Waffen auf ihren Karren waren. Die senkrecht befestigten Bambusstäbe konnten, wenn sie waagerecht herabgezurrt wurden, ihre Munition vierhundert Götterfuß weit schleudern: große Donnerkugeln, brennende Pechtöpfe, glühender Sand oder scharf geschliffene Steintrümmer.

»Ich bin gespannt«, lachte Hauptmann Kapaung, »was sie jetzt ...« Da stürzte sein Erster Wachtmeister, wie von einer Faust ins Gesicht getroffen, nach hinten und blieb regungslos liegen.

Himmlisches Feuer

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