Читать книгу Das Märchen im Drama - Hannah Fissenebert - Страница 12

Vorgehen und Hypothese

Оглавление

In dieser Arbeit werden erstmals deutschsprachige Märchendramen für Erwachsene sowohl chronologisch betrachtet als auch systematisch analysiert. Hierzu überprüfe ich, inwiefern sich Märchenadaptationen in typologisierende Unterkategorien einteilen lassen, um die vorherrschenden Tendenzen der Märchenbearbeitung einzuordnen. So können auch direkte Bezüge der Märchenstücke untereinander, die bisher weitgehend unbeachtet geblieben sind, erkannt werden. Im Vordergrund der Studie stehen stets die Texte aus dem vorzustellenden Korpus an Märchenstücken; dies dient der Konzentration auf den Gegenstand. Eine selektive Beschäftigung mit weiterführender Sekundärliteratur soll in dieser Arbeit dennoch dabei helfen, die spezifischen Merkmale und den Umfang des Genres zu klären und diese an den historisch weitverzweigten Werken zu exemplifizieren.

Über das Erstellen einer derartigen Übersicht hinaus wird vor allem von Interesse sein, welche dramatischen Möglichkeiten der Gattung Märchen innewohnen. Wissenschaftlich sind die generischen Spezifika der Märchendramen für Erwachsene bislang kaum analysiert worden. Genau auf diese Leerstelle möchte ich mit meiner Studie reagieren. Durch diese Auseinandersetzung kann ein bemerkenswertes Desiderat innerhalb der jüngeren Literatur- und Theaterwissenschaften geschlossen werden. Dabei stellt sich die Frage nach dem Potential des Märchendramas für Erwachsene als künstlerisch eigenständige Form im Blick auf einen gesellschaftlich relevanten Diskurs.

Anhand der konkreten Märchendramen werde ich überprüfen, inwiefern sich die überspitzte, eindimensionale Darstellung im Märchen für eine dramatische Übersetzung eignet bzw. sich nicht geradezu für eine kritische Auseinandersetzung im Drama anbietet. Dabei scheint es, als könnte die dramatische Adaptation des Märchens dessen gezielt reduzierten Erzählstil aufzeigen, theatral vergrößern und so zu einer differenzierten Wahrnehmung der Gattung führen. In diesem Sinn ist von einer produktiven Wechselwirkung von Märchen und Drama auszugehen.

Um die markanten Schnittstellen zwischen Drama und Märchen zu verorten, werde ich bisherige Ergebnisse der Dramenanalyse mit denen der Märchenforschung verknüpfen. Hierzu untersuche ich die dem Märchen eigene Schematisierung der narrativen Anordnung sowie dessen Typisierung von Sprache und Figurenführung.1 Märchendramen, so die zu verifizierende Annahme, stellen eine Transformation der Eigenarten des Märchens im Theatertext dar. Die grundlegende Hypothese lautet dabei, dass sich Märchen durch ihre gattungsbedingte Architektonik samt gezielter Vereinfachung in ganz besonderer Weise für eine fruchtbare Rezeption im Drama eignen. Ich werde unterschiedliche, sich jedoch ergänzende Ansätze verfolgen, um diese These zu stützen.

Welche Dynamiken bei einer offensiven Verbindung von märchenspezifischen und dramatischen Erzählweisen evoziert werden, möchte ich mit folgenden Schwerpunkten der Analyse darlegen: Durch die Steigerung des märchenhaft Überzeichneten kommt es in vielen Stücken zu einer satirischen Ausrichtung. Ein wesentliches Merkmal vieler Märchendramen ist der satirisch-ironische Zugriff, der sich nicht gegen die Märchenvorlage richtet, sondern gerade mit ihr entwickelt wird. Um die Stücke erstmalig vorzustellen, bietet sich eine Analyse ihrer satirischen Dimension an; in der Untersuchung ihrer humorvollen Kritik lässt sich der Skopus der Stücke wesentlich entfalten.

Neben der satirischen Dimension werde ich vor allem die intertextuelle und selbstreferentielle Ausrichtung der Märchendramen betrachten. So lassen sich die Werke der Dramatikerinnen und Dramatiker zu ihrem Umgang mit dem grundsätzlich intertextuellen Charakter der Märchenadaptationen befragen. Anhand der vorliegenden Märchendramen für Erwachsene lege ich dar, welche Strategien gewählt werden, um die geregelte Märchenabstraktion und deren Wirkungsmechanismen freizulegen. So gehe ich davon aus, dass der intertextuelle Zugriff auf die Märchen zu einer Reflexion der Märchenform und deren Transformation im Drama führen kann. Daher untersuche ich anschließend den selbstreferentiellen Charakter vieler Märchendramen, der sich durch die Befragung der Märchen- und Theaterform zeigt.

Auffälligerweise kommt es in dem Korpus jedoch nicht zu einer Auseinandersetzung mit den Wechselwirkungen von Mündlichem und Schriftlichem. Ebenso gehen die deutschsprachigen Autorinnen und Autoren nach dem Erfolg der Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm kaum auf die Bedeutung der Märchen als Nationalliteratur ein. Stattdessen behandeln sie in ihren Märchendramen vorrangig kollektive und individuelle Fragen der Identität, die ich daher in einem eigenen Kapitel vorstellen werde. Wie die Frage nach dem Märchen als Nationalliteratur jedoch gestellt werden kann, zeigt sich an einer Außenperspektive, der ich in einem abschließenden Resümee nachgehen möchte.

Das Märchen im Drama

Подняться наверх