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Nord-Ost Passage - Ljachow Inseln - Wrangel Insel - U-Boot Havarie - Jakutien

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Auf meinen Streifzügen durch die Nebelbänke meiner Erinnerung dockte ich an den Ljachow Inseln an, einem Archipel, der den Neusibirischen Inseln zuzurechnen ist. Es war im Mai des Jahres 2013, ein für die Jahreszeit ungewöhnlicher milder, fast schon heißer Mai, der zum einen das Oberschichteis des Arktischen Ozeans, zum anderen aber - und das war wesentlich dramatischer - den Permafrostboden der Ljachow Inseln in einer Geschwindigkeit auftauen ließ, was selbst den im Umgang mit diesem Phänomen erfahrenen russischen Wissenschaftlern die Blässe in ihre Gesichter trieb und für Sprachlosigkeit in ihrem Team sorgte. Meine Anwesenheit auf den Ljachow Inseln verdankte ich einem geplatzten Last Minute Termin zur Teilnahme an der Jungfernfahrt auf einem neuen russischen Tauchboot, dass zur Kontrolle bei der Verlegung von Pipelines in arktischen Gewässern eingesetzt werden sollte, aber auch - gegen entsprechendes Salär - für wissenschaftlich - archäologische Unterwassermissionen zur Verfügung stand. So eine Gelegenheit bot sich in eben diesem Mai im Randschelf der Wrangel Insel, wo gleichzeitig die Lebensbedingungen in den Küstennahen Regionen der nordsibirischen Wrangelinsel erforscht werden sollten, wo vor rund 4000 Jahren die letzten Wollhaarmammuts lebten und ausstarben. Eigentlich ein ganz normaler wissenschaftlicher Einsatz in einem internationalen Team unter Leitung des anerkannten Genforschers und Mammutexperten Nikolaus Tachinsky, der seine Lebensaufgabe darin sah, die Auferstehung eben jener Wollhaarmammuts voranzutreiben, die vor einigen Tausend Jahren als Kaltsteppenbewohner die endlosen Weiten Jakutiens in großen Herden durchwanderten. Leider machte uns ein russisches Atom U-Boot mit einem ungeplanten Auftauchvorgang einen Strich durch die bekannte Rechnung - der Sonarmaat der Roten Marine hatte sich offensichtlich zu sehr auf seine Unterwasserkartenkenntnis als auf das Alarmgejaule des Sonars verlassen, was prompt zu einer Grundberührung führte, die den Kommandanten des U-Bootes veranlasste, umgehend den Auftauchvorgang einzuleiten, was zu einigen Beulen und Schrammen am Wintergarten - so der seemännische Begriff für die Umrandung der Wachstation im Turm des U-Bootes zur Folge hatte. Das arktische Scholleneis konnte oder wollte dem plötzlichen Auftauchen des U-Bootes der K-Klasse nicht so rasch Folge leisten und zur Seite weichen. Kurzum - da lag dieser Riesenstahlkoloss wie ein gestrandeter Blauwal unweit der Wrangel-Insel, was die Neugier der Wissenschaftler im Team um Nikolaus Tachinsky augenblicklich in einer andere Richtung lenkte. Wann bekam man als Mammutforscher fernab jeglicher Zivilisation am Rande des Arktischen Ozeans schon mal das Alarmauftauchen eines U-Bootes der K-Klasse der russischen Marine aus nächster nähe mit? In diesen Momenten dachte niemand im Team - auch nicht der ehrenwerte Nikolaus Tachinsky daran, sich weiter auf den Weg zu den Ausgrabungsstätten der tief gefrorenen Wollhaarmammuts zu machen, stattdessen richteten sich alle Augen - besonders die der Kameras und Fotoapparate - auf den stählernen grauen Havaristen, der wie ein urzeitliches Ungeheuer von einem zum anderen Augenblick aus den eisigen Tiefen einer unergründlichen See auftauchte, wobei er schnaubend und dröhnend Berge schäumender Wellen vor sich hertrieb, die donnernd und Wolken von Gischt versprühend, am kiesigen Gestade der Wrangelinsel zerplatzten, was aber die dickfälligen Walrosse, Robben und sogar Eisbären, die immer wieder in Sichtweite der in Brunft befindlichen Walrosse auftauchten, in keiner Weise zu beeindrucken schien. Es war Frühling auf der Wrangel-Insel, die Hochsaison für Walross Sex und überhaupt Balz- und Paarungszeit für alles was schwimmen, fliegen und laufen konnte. Nicht umsonst wurde die Wrangel Insel von der Unesco zum Weltnaturerbe erklärt. Unser Beobachtungseifer ließ gezwungener Maßen nach, denn unser Leitwolf Nikolaus Tachinsky machte uns nachdrücklich auf den Zeitplan aufmerksam und darauf, dass wir die Basisstation in plus -minus sechs Stunden erreichten mussten, wollten wir nicht in der baumlosen Tundra übernachten, was im Hinblick auf die beachtliche Eisbär Population in keiner Weise empfehlenswert erschien. Nach zwei Stunden Marsch durch den zeitweilig nachgiebigen Tundraboden, aus dem das Schmelzwasser quatschend unter unseren Stiefeltritten hervorquoll, vernahmen nicht nur meine Ohren das dumpfe Brummen eines nur zu vertrauten Flugobjektes, das sich innerhalb weniger Minuten zu einem brausenden Dröhnen steigerte und die Luft und den Tundraboden um uns herum in höllische Schwingungen versetzte. Dies war untrüglich der Atem eines Mil MI-26, die unheilvolle Stimme des größten Transporthubschraubers der Welt in Diensten der russischen Luftwaffe. Knapp Hundert Meter von uns entfernt setzte dieses fliegende Ungeheuer wie eine riesige Raublibelle genau auf Augenhöhe zu unserem Team in den sandig-kiesigen Grund der Tundra, um uns das Ende unseres Forschungsauftrags auf der Wrangel Insel zu verkünden.

„Das war es dann Kollegen, die nächsten Jahre genießen wir Gratisaufenthalt in einem Gulag - oder verschwinden in einer Sumpfgrube - wie jene Mammuts vor viertausend Jahren, die wir so gerne ausgraben würden“ tönte eine Stimme aus der kleinen Schar erschrockener Forscher und Archäologen. Nichts von dem geschah, alles kam anders.

„Rückflug nach Jakutsk, der Hauptstadt von Jakutien„ - mehr war vom Piloten des Mi-26 und dem begleitenden Offizier des zuständigen Ministeriums in Jakutsk nicht zu erfahren. Alles einsteigen, unsere Ausrüstung wird bereits vom Basislager abgeholt und gleichfalls nach Jakutsk gebracht. Im allgemeinen Tohuwabohu tauschte ich die Fotochipkarte meiner Kamera gegen eine No-Name Karte mit weniger bedeutenden Gelegenheitsaufnahmen von den Kollegen des Teams; während die Fotochipkarte mit den pikanten Aufnahmen vom Havaristen, des Atom U-Bootes K-217, den Weg in einen Ort fanden, zu dem sonst nur mein Facharzt, seines Zeichens Proktologe, Zugang hat. Die Mil Mi-26 verfügt dank meiner Kenntnisse aus früheren Flügen mit diesem Ungetüm über zwei Toiletten - eine für die Crew und eine für die Passagiere. Diesen technischen Vorteil machte ich mir zu Nutze, und mein vorgetäuschtes Flugunwohlsein erzeugte weder bei der Crew noch beim Offizier des Ministeriums Argwohn, und so trat ich rasch den Gang zur Toilette an, derweil sich die Mil Mi-26 mit dem infernalischem Gebrüll ihrer Turbinen in den graublauen Wrangelhimmel hob, eine scharfe Süd-Ost Kurve beschrieb, um dann ihren Weg auf Jakutsk zu nehmen, wo uns sonst was erwartete - und hoffentlich nicht der Gummifingerling eines Internisten der danach trachtete, in meinem Allerwertesten auf Goldsuche zu gehen. Für besonders wertvolle Dinge aus Gold - etwa den Ehering oder eine Uhr, gab es kein besseres Versteck als den eigenen Arsch - so mein Vater, der als U-Bootfahrer aus Erfahrung wusste, dass weder die Amis noch die Tommys in den Arschlöchern ihrer Gegner nach Preziosen oder Gold - in welcher Form auch immer - suchten. In der Kacke anderer zu wühlen, entsprach nicht dem angelsächsischen Standeshabitus, also ließ man es bleiben, wenn auch der Gegner sich ungeachtet dessen für das arische Gehänge des Feindes interessierte - besonders die Assistentinnen der Ärzte und die Ärztinnen im Besonderen. Nichts dergleichen geschah, nicht einmal eine irgendwie geartete Vernehmung oder Untersuchung, was für russische Verhältnisse mehr als ungewöhnlich - wenn nicht zu sagen geheimnisvoll war, was für meine und die Stimmung der Kollegen im Team in keiner Weise förderlich schien, wussten wir doch dieses völlig konträre Verhalten unserer Gastgeber nicht zu erklären. Nach weiteren zwei Stunden des Wartens in einem separaten Saal des Flughafens von Jakutsk, der die Aussicht durch die Isolierglasscheiben des Saales der Raumfahrt auf die mächtige Lena gestattete, die ihre gewaltigen Fluten wie flüssiges Silber am Hauptstadtflughafen vorbei schob, wobei uns der Aufenthalt durch ein üppiges sibirisches Büffet mit allem was das Herz begehrte versüß wurde, betrat eben jener Offizier aus dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Jakutsien unseren Saal, in dem ein Dutzend Wissenschaftler und Forscher aus fünf Nationen in gelöster Stimmung - gutes Essen, Wein und Wodka taten ihre Wirkung, die offizielle Vertretung der Republik Jakutsien lautstark mit „Do bar dan - Gospondi General“ begrüßte. Dem Gesicht des Offiziers, seine ethnisch-kirgisische Herkunft ließ sich nicht leugnen, war keinerlei Regung zu entlocken, aus der man auf seine Gemütslage oder gar seinen Eindruck von dieser fröhlich fabulierenden Schar internationaler Wissenschaftler unter Leitung des anerkannten russischen Mammutexperten Nikolaus Tachinsky schließen konnte.

„Meine Herren - darf ich um ihre Aufmerksamkeit bitten. Im Namen des Forschungsministeriums der Republik Jakutien darf ich sie herzlich in unserer Hauptstadt begrüßen. Wir bedauern es unendlich, dass sie ihren Forschungsauftrag auf der Mammutinsel Wrangel nicht durchführen können. Unvorhergesehen Ereignisse machten es leider notwendig ihren Aufenthalt auf Wrangel vorzeitig zu beenden. Wir haben stattdessen eine andere Forschungsreise für sie - sozusagen als Entschädigung für die erlittene Ungemach - und zwar zu den Ljachow-Inseln. Ihr Flug geht in einer Stunde von diesem Flughafen. Alle Ausrüstung befindet sich bereits in der Verladung - sie brauchen sich nicht zu beeilen - unsere Mitarbeiter werden sie abholen und direkt zum Flugzeug bringen. Von Jakutsk aus fliegen sie nach Nighneyansk, und von dort mit einer Mil Mi-26 zum Marinestützpunkt auf der Kleinen Ljachow Insel, wo wir für sie eine Überraschung bereit halten, die ihresgleichen auf dieser Welt nicht hat. Das war es auch schon von meiner Seite, ihnen allen einen guten Flug, viel Erfolg bei den Mammuts und weiterhin alles Gute. Dobar dan - Gospondis - druschba.“

Jakutien - östlicher als dieses Mitglied der GUS in Sibirien geht nicht mehr. Dieses Land ist nicht nur das unwirtlichste, kälteste und klimatologisch extremste Land der russischen Föderation, sondern auch das Reichste. Dennoch leben hier von den rund 150 Millionen Russen gut 1 Million Menschen, die meisten in den wenigen größeren Städten, etwa 15 Tausend in den Abbauregionen der Reichtümer des Landes, wo Gold, Mangan, Erdöl, Diamanten und Elfenbein in traumhaften Mengen gefördert werden. Würde Russland alles Gold und alle Diamanten die es in seinen Tresoren hält auf den Weltmarkt werfen, käme das einem „Black Friday“ wie 1929 in New York gleich. Aber daran hat weder in Moskau noch in Jakutsk, der Hauptstadt Jakutiens irgend jemand auch nur den Hauch eines Interesses. So lernte ich nach dem kürzesten Aufenthalt meiner Laufbahn auf einer Insel in der Neusibirischen See nicht nur die Gastfreundschaft der Jakuten kennen und schätzen, sondern auch noch Sibirien von oben, eine kleine Ortschaft am Rande der Ljachow See und einen rund dreieinhalbstündigen Flug mit der Mil Mi-26 über das offene Meer, das im ewigen Licht der nahenden Mittsommernächte wie golden schimmerte und die Anstrengungen der vergangenen Tage und Stunden vergessen machte. Die Stimmung im Forscherteam an Bord der Mil Mi-26 konnte besser nicht sein, wenn auch die Folgen des Büffets in Jakutsk, vor allem der Genuss von Wein und Wodka ihre Wirkung nicht verfehlten und einen nach dem anderen in einen mehr oder weniger lautstarken Schlaf sinken ließ, der nur vom gleichmäßigen Heulen der Turbinen übertroffen wurde. Auf der Kleinen Ljachow Insel landeten wir kurz nach Mitternacht auf dem Versorgungsstützpunkt der Flugbereitschaft Marineaufklärung, deren Mitarbeiter uns wie Freunde begrüßten und sich alle erdenkliche Mühe gaben, uns angemessen unterzubringen. Wir bekamen sogar Einzelzimmer im Casino der Offiziere, was mehr war als nur eine freundliche Geste - es war eine große Ehre die uns dort zuteil wurde. Bevor mich die Engel der Nacht endgültig auf ihren Schwingen davontrugen, musste ich noch meinen intimen Freund von seinem Untermieter befreien, der sich inzwischen nachhaltig bemerkbar machte, sein enges und dunkles Asyl zu verlassen.

„Das Leben hat im wahrsten Sinne auch beschissene Seiten“ brummelte ich halblaut vor mich hin, derweil ich meinen Enddarm mit eingeseiftem Zeigefinger von seinem Untermieter erlöste. Während dieses metaphysischen Vorgangs drängte sich mir die Vorstellung auf, dass die Deutschen stetig mehr zu einem Volk von Enddarmbewohnern mutieren; sie kriechen jedem in den Arsch, nur um ja nicht anzuecken - wie soll das in einem Enddarm überhaupt möglich sein? Scheiß der Hund drauf, Life ist halt eben Live. Nachdem ich diese Prozedur zu meiner Zufriedenheit erledigt ansah wurde mir nachhaltig bewusst, dass ich mit elf weiteren Kollegen durch die Havarie eines russischen Atom U-Bootes vor der Küste der Wrangel Insel nicht nur in die Hauptstadt Jakutiens gelangt war, mich mit elf weiteren „Akademikern“ an einem Büffet und der Gastfreundschaft der Jakuten berauschte, um von dort in einem Nachtflug quer über Sibirien nach Klein Ljachow mit Zwischenstopp in Nighneyansk zu fliegen. Dort sollte eine große Überraschung auf uns warten. Aber was gab es hier auf den Ljachow Inseln - außer Gletscher, Tundra, Sumpf und Moor - und Mammuts, und zwar das kleinwüchsige Wollhaarmammut, etwa so groß wie unsere heutigen Elefanten. Es existierten auch Mammuts, die waren etwa doppelt so groß und bevölkerten die weiten Steppen des Eurasischen Großraumes und brachten es auf ein Gewicht von rund fünfzehn Tonnen bei fast vier Metern Schulterhöhe - ein Koloss von einem Säugetier - ein gewaltiges Geschöpf der Evolution das Tag und Nacht nur ein Bedürfnis hatte - fressen ohne Ende, um seinen mächtigen Leib am Leben zu halten. Es soll in der Tat auch Angehörige der menschlichen Population geben, die ohne Maß und Ziel alles in sich rein stopfen, dessen sie habhaft werden können, und gegen die sich ein Flusspferd im wahrsten Sinne des Wortes „grazil“ ausnimmt. In Nagano, Präfektur Nagano nahe dem Jigukudani Affenpark, der berühmt ist für seine Rotgesichtmakaken die in strengen Wintern regelmäßig aus dem Bergland ins Tal zu den heißen Quellen pilgern, um dann darin ausgiebige Bäder zu genießen, gönnte ich mir noch vor dem großen Tsunami und der Reaktorhavarie in Fukujima einen Besuch im Katsimoto Stadion, wo die traditionellen Honshu Sumo Meisterschaften ausgetragen werden. Die größte der japanischen Inseln hat einiges zu bieten, das für Fotografen, Buchautoren, Wissenschaftsjournalisten, Sexualtherapeuten, Masseure jeglicher Art sowie ergraute Abenteurer aufregender und spannender ist als vieles von dem, was mir mein Leben, das wahrlich nicht arm ist an bewegenden Erinnerungen, bislang bescherte. Die Makaken in den heißen Quellen bei ihren Badezeremonien zu beobachten ist eine von diesen Erinnerungen, die mich bis heute in ihren Bann ziehen. Eine weitere ist die Begegnung mit diesen Fleischbergen - genannt Sumo Ringer, die oftmals ein Körpergewicht von zweihundertfünfzig Kilogramm und mehr erreichen, dabei aber extrem muskulös und beweglich sind, was ob der Masse an Fleisch und Fett nicht zu vermuten ist. Eintöpfe sind das Lieblingsgericht der Sumo Ringer, welche sich die Nimmersatte selbst zubereiten, was zum einen der Samurai Tradition und ihrem Kodex entspricht, zum anderen halt der spezifischen Zutaten wegen, die von Protein und Eiweiß nur so strotzen. Hier hat jeder Sumo seinen eigenen Ernährungsstil, den er hütet wie seinen Augapfel. An diese menschlichen Kolosse muss ich denken, wenn es auf das Thema Ernährung einerseits und das pausenlose futtern bei bestimmten Pflanzenfressern andererseits kommt. Da wundert es nicht, dass diese pflanzenfressenden Kolosse extrem abhängig waren von klimatischer Beständigkeit, denn ihr Überleben hing zweifelsohne vom Wachstum der Gräser und Kräuter ab, die Jahrein Jahraus die schier endlosen Steppenlandschaften wie einen dichten Teppich überzogen. Das hat in letzter Konsequenz zum Aussterben zahlreicher großer Pflanzenfresser geführt, wobei der aufstrebende, jagende Steinzeitmensch sicher auch einen gewissen Anteil am Untergang der Riesensäuger trug, aber das nur am Rande. Der Klimawandel sorgte letztlich auch dafür, das weite Teile der Nordhalbkugel unseres Planeten von riesigen Eismassen überzogen wurde, und die Mammute zu Anpassungen zwang, die sie nicht stemmen konnten, was letztlich zu ihrem Tod führte. Das Eis der Jahrtausende und der Permafrostboden konservierte die sterblichen Überreste der Mammute in zum Teil erstaunlich guten Zustand. Es rotieren Geschichten, wonach sibirische Elfenbeinjäger das Fleisch gefrorener Mammute an ihrer Schlittenhunde verfütterten, um sich so die Jagd auf Elche und Rentiere zu ersparen. Die Hunde haben das überlebt, sind aber später rasend geworden, als ihnen fingerlange Zähne durch die Kiefer wuchsen, so die unheimlichen Geschichten aus dem Eiskeller des größten Landes der Erde. Ob der Genuss alten Fleisches auch bei Menschen zu langen Zähnen führt? Immerhin könnte man dann die Existenz von Werwölfen mit ein wenig Glaubwürdigkeit unterbauen. Dass die Russen daran arbeiten den Mammuts in der sibirischen Taiga und Tundra eine zweite Chance zu gewähren, ist hinlänglich bekannt. Auf Ljachow, jener kleinen Inselgruppe im Neusibirischen Eismeer, fanden Naturwissenschaftler und Paläontologen in jenem Jahr 2013, als es mich und andere Kollegen von Wrangel über Jakutsk nach Ljachow verschlug, ein Mammutkalb, dem sie den Namen „Butterblume“ gaben. Das war an sich nicht übermäßig sensationell - Mammutkälber - ja komplette Mammutfamilien wurden schon häufiger gefunden, aber an diesem Kalb war alles anders. Es war vollständig erhalten, in keiner Weise verwest und sein Fleisch schimmerte rosa und roch entsprechend seines Alters „angenehm“. Was aber die Wissenschaftler schier aus dem Häuschen brachte war die Tatsache, dass das Blut im Körper das Kalbes noch flüssig war und kräftig rot schimmerte. Das war damals die große Überraschung die uns auf Ljachow versprochen wurde, und bei der ich zugegen sein durfte die große Ehre hatte. So ein Erlebnis gewährt einem das Schicksal nur einmal im Leben. Soviel zu Jakutien und dem anderen drum herum.

Rückruf in die Murmansker Realität durch Natalie zwei und ihr sinnliches Lippenpaar, welches selbst Eisbären zum Schwitzen bringt.

„Meine Damen und Herren“ unterbrach die Stimme von Valeria Dernikowa meinen gedanklichen Ausflug in die geistigen Abstellkammern meines Erinnerungsvermögens - auch Langzeitgedächtnisses genannt, die mich wie das Schlagholz eines Baseballspielers in die Jetztzeit des Jahres 2016 zurückschleuderte - gerade noch rechtzeitig, um vor dem Einschiffen oder Einchecken an Bord der Georgi Schukow die letzten Anweisungen und Empfehlungen zu vernehmen, bevor wir dem Saal der Marine auf Wiedersehen sagten.

„Gibt es noch allgemeine Fragen zum Verlauf der Unternehmung, die nicht in ihren Unterlagen abgehandelt wurden? Also keine speziellen Fragen zu den einzelnen Forschungsaufgaben, Experimenten oder Tauchgängen - selbige werden sie an Bord der Georgi Schukow mit Kapitän Viktor Satchev und seiner Mannschaft besprechen. Der Zeitplan dazu wird ausschließlich nach Maßgabe der Wetterbedingungen im Einsatzgebiet festgelegt, so dass hier und jetzt darüber nicht diskutiert werden kann. - Also - noch Fragen - wenn nicht, dann schließe ich die Begrüßung und bitte sie Ihre Unterlagen an sich zu nehmen und den markierten Weg zum Ausgang der Empfangshalle zu gehen. Dort wird sie das Einschiffungspersonal der Hafenmeisterei begrüßen und sie nach Abgleich mit den personifizierten Kennkarten, die sie alle umgehängt tragen, bis zum Passagieraufzug geleiten, der sie hinauf in den Empfangsbereich bringt, wo ihre Personalien erneut festgestellt werden, damit niemand unterwegs verloren geht. Ihre Sicherheit und ihr Wohlbefinden an Bord der Georgi Schukow hat bei uns und der Mannschaft der Georgi Schukow höchste Priorität. Also dann - begeben wir uns zum Ausgang der Empfangshalle“ endete Valeria Dernikowa ihren Einführungsvortrag zum bevorstehenden Fahrt der Georgi Schukow in das Atlantische Nordmeer.

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