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Die Begrüßung

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„Die Atlantik Gruppe bitte in den Saal der Marine. Folgen Sie dem Guide mit dem Schild Eisbrecher Tours - die Fernost Gruppe bitte in den Saal der U-Boot Fahrer. Folgen Sie bitte dem Guide mit dem Schild Eisbrecher Tours. Herzlich willkommen in Murmansk, der größten Weltstadt über dem Polarkreis“ endete die wohlklingende Empfangsansprache einer sicher sehr attraktiven und gut aussehenden Genossin - äh Russin aus dem Reich des russischen Präsidenten. Während die akustischen Willkommenslaute der noch unsichtbaren russischen Schönheit in der architektonischen Virtuosität verhallten, marschierten zwei akademische Kolonnen aus West und Ost auf die ihnen zugewiesenen Säle zu, die sich seitlich versetzt gegenüber den großen Eingangs-Schiebetüren mit Isolierverglasung befanden und nur darauf warteten uns zu verschlucken. Die Zusammensetzung der Teams vor der Aufnahme ihrer eigentlichen Forschungstätigkeit vor Ort würde während der Anfahrt an Bord der Georgi Schukow vorbei an Spitzbergen und Island in Richtung Grönland erfolgen, mithin Zeit genug sich zum einen mit den anderen Kolleginnen und Kollegen bekannt zu machen, zum anderen um sich auf die geplanten Forschungsvorhaben und Experimente einzustellen. Einige der angereisten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler waren mir von vergangenen Forschungsvorhaben in der Tiefsee bekannt, schließlich war das Albert-Wagner-Institut für Polar- und Meeresforschung auf diesem Planeten eine Institution, an der niemand vorbeikam. Zudem unterhielt Deutschland eine dauerhafte Forschungsstation auf dem Eis der Antarktis mit dem Namen des Instituts in Bremerhaven. Aber den Lorbeeren von gestern sollte man aus eigener Erfahrung bei derartigen Unternehmungen nicht nachhängen oder selbige vor anderen oder im Team kundtun; die Teilnehmer an dieser „Eisbrecherfahrt“ wussten sehr genau über den anderen Bescheid, was letztlich vollauf genügte, um die Zusammenarbeit in der Gruppe und an Bord zu optimieren. Beinahe geräuschlos und automatisch öffneten sich die Türen in die beiden Säle - der Saal der Marine für die zivile - auch christliche Seefahrt genannt, wozu auch die Kategorie Eisbrecher und Tauchboote gehörten. Die Schiffe und Tauchboote dieser Kategorie unterstanden zum Teil zivilen Eignern, zum Teil Reedereien, Kapitalgesellschaften oder Charterunternehmen, was auch für die Tauchboote galt. Selbige benötigten jedoch zum Erreichen ihres oftmals sehr fernen Zieles die Hilfe eines Mutterschiffes, welches das Tauchboot „Huckepack“ nahm und an seinen Einsatzort transportierte. Über die Unterseeboote - kurz U-Boote genannt, verfügte ausschließlich das Militär oder der Präsident als oberster Kriegsherr, denn U-Boote waren und sind Kriegsschiffe für den Unter- und Überwasserkrieg. Das ist der wesentliche und schlagkräftigste Unterschied weltweit bei allen Marinen. Gleich werden wir sicher die Dame mit der freundlichen Stimme kennen lernen, die uns vorab über Lautsprecher so warmherzig begrüßte, gingen mir frühsommerliche Gedanken durch den Kopf, was aber nicht an den Temperaturen lag, die in der Region Oblast Murmansk derzeit herrschten. Von den milden angekündigten 18 Grad war noch nicht viel zu spüren, das Thermometer pendelte zwischen elf und zwölf Grad, konnte sich aber letztlich weder für elf noch für zwölf Grad entscheiden. Wie klug doch von mir nicht alle wärmenden Jacken in den Seesack gepackt zu haben, sondern das eine und andere Teil im Handgepäck zu verstauen, was mir jetzt zugute kam. Sich im Sommer in der nördlichsten Großstadt hinter dem Polarkreis befinden und dabei frieren fand in meinem Wohlfühlverständnis keine Zustimmung. Endlich - Saal der Marine - wenngleich mich der Saal der U-Boote mehr interessierte, schon aus familiären Gründen. Vater war U-Boot Fahrer unter dem BdU Dönitz, sein Bruder und damit mein Onkel ebenfalls; letzterer überlebte die zweite Feindfahrt nicht, während mein Vater mit sieben weiteren Kameraden die achte Feindfahrt im Mittelmeer nach sechzehn Stunden im Wasser treibend ziemlich ramponiert überstand und zunächst im Marine Lazarett bei Gerbini im Osten Siziliens versorgt wurde. Nur wenige Tage vor der Operation Husky, der Landung alliierter Truppen auf Sizilien, wurde mein Erzeuger mit seinen Kameraden erst aufs Festland in die Nähe von Rom ausgeflogen, weitere zwei Tage später ging es mit der Condor heim ins Reich. Für meinen alten Herrn war der U-Boot Krieg vorbei, allerdings wurde es nichts mit einem Versorgungsposten in der Etappe, sondern erneut Fronteinsatz - dieses Mal im Osten als LKW Fahrzeugführer mit Beifahrer. Da er als Torpedotechniker für Feindfahrten nicht mehr tauglich war, steckten ihn die Betonköpfe bei der Heeres- und Marineführung kurzerhand in das Kraftfahrerkorps des Ersatzheeres für den Bereitstellungsdienst, im Klartext Versorgung der Fronttruppen mit Munition, Treibstoff und Verpflegung, nicht selten unter Feindbeschuss. Man muss sich das vorstellen - ein Marine Soldat als Kraftfahrer des Heeres im Osten - den Anblick der sich abzeichnenden Katastrophe vor Augen - ohne jegliche Erfahrung im Erdkampf. Lange ist das her, sehr lange aber mir war es wie gestern, wenn ich an die Gespräche mit meinem Reproduktionsverantwortlichen über die Geschehnisse des größten militärischen Massenmordes aller Zeiten im vergangenen Jahrhundert zurückdenke.

Der Bote

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