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Schlacht am Büffet - Anfahren der Maschinen - Good bye Murmansk
ОглавлениеEine leichte Vibration ging durch den Schiffsrumpf, mehr ein wohliges Zittern, welches das Hochfahren der Dampfturbinen bei einem Nuklear getriebenen Schiff ankündigte. Die Kraft dieser Turbinen würde die Georgi Schukow benötigen, wenn die Steuerschlepper dieses Riesenschiff in die Tiefwasser Fahrrinne der Kola Bucht in Richtung offenes Meer schleppten. Dann würden die Schlepptrossen gekappt, die Schlepper drehten hernach über Steuerbord und Backbord bei, um zu ihren Stützpunkten im Hafen von Murmansk zurückzufahren. Über die Bordsprechanlage verkündete eine vertraute Stimme das bevorstehende Auslaufen der Georgi Schukow verbunden mit der Bitte, von jetzt an in den Kabinen zu bleiben, bis weitere Anweisungen über die Borddurchsage erfolgten. In der Offiziersmesse im Oberdeck auf Deck zwei ist für die Begrüßung durch Kapitän Viktor Satchev und das Büffet alles bereitet. Hernach erfolgt ein erster Rundgang durch die ihnen zur Verfügung stehenden Einrichtungen des Schiffes - etwa die Bibliothek, das Kino, der Wellness- und Saunabereich, die Kommunikations- und Presseräume, die Sporteinrichtungen, der Friseur und die Krankenstation. Nach verlassen ihrer Kabine folgen sie einfach dem Blau leuchtenden Pfeil, er wird sie zielsicher zu Deck zwei im Oberdeck führen. Dort werden sie dann von Frau Valeria Dernikowa und der Kollegin Anastasia Federinenko begrüßt und in die Offiziersmesse geführt, wo sie vom Kapitän der Georgi Schukow und seinen Offizieren empfangen werden. Sie haben noch fünfzehn Minuten Kabinenzeit, also um Neun Uhr am Empfang in der Offiziersmesse. Seien sie bitte pünktlich, Kapitän Satchev erwartet sie. Ich machte mich an die übliche Hausmannsarbeit auf Reisen - Koffer auspacken - Klamotten einräumen, Koffer schließen und wegstellen. Sanitärartikel ins Bad auf die Ablage über dem Handwaschbecken legen und stellen, eine Dose Shampoo in die Seifenbox der Dusche. Das Bad ohne Fenster, aber mit Dampfabsauger über der Dusche, fast wie in meiner Ein-Zimmer-Bude in Kettwig am Obersee der Ruhr, nicht weit entfernt von jener berühmten Villa auf dem Hügel, der Repräsentationsresidenz der von und zu Krupp, die es durch Genialität, Fleiß und Geschick zum ersten Rüstungslieferanten des deutschen Kaisers Wilhelm II brachten und für sein elitäres Hobby, die kaiserliche Marine, die schwere Bordartillerie erschufen, mit der sie sich dann im Kampf gegen die englische Großkampfflotte wacker schlugen um sich hernach in Stücke zu schießen. Zu Tausenden ruhen die Helden der Skagerrak Schlacht auf dem Grund der Nordsee - mitsamt ihren Schiffen. Das Unternehmen von Bergerdamm residierte in Wetter an der Ruhr, wo auch die riesenhaften Tagebaubagger in Zusammenarbeit mit Krupp entstanden, die in der rheinischen Ebene Hunderte Meter tiefe Löcher aushoben, um an das schwarze Gold zu kommen. Alles Historie - der Ausstieg aus der Kohleverstromung ist längst fester Bestandteil der Energiepolitik, dann braucht es auch in Deutschland keine Braunkohlebagger mehr. Und auch sonst wird einiges überflüssig und nicht mehr gebraucht. Duschen - ja - schnell raus aus dem verschwitzten Kram und hoffen, dass die Eisbären draußen bleiben. Ich zog den Vorhang auf und drehte an den Knebeln der Mischbatterie, und Augenblicke später schoss angenehm warmes Wasser aus dem großen Duschkopf mittig in die Duschwanne. Rasch glitt ich in die Schüssel und ließ mich von den warmen, perlenden Wasserstrahlen verwöhnen. Nur jetzt nicht die Augen schließen und wegdösen, dann wird Papa Satchev richtig sauer werden und mir möglicherweise das Büffet streichen. Shampoo, einseifen, die wichtigen Weichteile reinigen - in meinem Alter gehört das zur Hygiene, Frauen haben darauf schon lange keinen Zugriff mehr, ist mir einfach zu stressig und überhaupt will ich meine Ruhe haben, tun und lassen was ich will und mir meine Zeit so einteilen, dass ich einzig und allein darüber verfügen kann. Es gab Kolleginnen, die durchaus interessiert waren an einer tiefer gehenden Beziehung, aber meine direkte und unmissverständliche Ansage dazu ließ sie gleich und für immer auf Distanz gehen. Wasser abdrehen, raus aus dem Bottich, trocken reiben. Noch acht Minuten. Durch die schwarzen Vorhänge fiel immer noch das Licht der Mittsommernachtssonne, ein schmaler Streifen nur, aber dieser leuchtete in den intensivsten Farben des Regenbogens. Sanft bog ich den Vorhang zurück, und mein Blick glitt hinaus über das Hafenbecken, welches immense Ausmaße haben musste, denn es ankerten mehr als ein Dutzend Schiffe von der Größe der Georgi Schukow und darüber hinaus, gestrichen in der typischen meergrauen Farbe, die allen Marineschiffen zu eigen ist, an der schier endlosen Kaimauer, von denen es im Hafenkomplex Murmansk Dutzende haben musste. Hier lagen sie also in Sichtweite - die Tender der russischen Eismeerflotte, Versorgungsschiffe der Nordmeerflotte die nur auf einen Befehl warteten - Anker lichten - Mannschaften auf die Stationen - Klar Schiff zum Auslaufen - Gefechtsbereitschaft. Ich könnte… ging mir ein Gedanke durch den Kopf, den ich aber gleich wieder verwarf. Noch drei Minuten - rasch in die Hose gesprungen, das Marinehemd übergestreift, meinen Brustbeutel verstaut - hinein ins Jackett - Licht aus - Kabinentür zu, und hinaus in den Korridor, immer der blauen Linie nach und den vorauseilenden Kollegen der verschiedensten Disziplinen hinterher, die sich wie im Schlussverkauf sputeten, um nur ja nicht die Eröffnung des Büffets zu verpassen.