Читать книгу Die Sonnenflöte - Hans Leip - Страница 16

14

Оглавление

An dem fraglichen Samstag zögerte der Arzt, den Patienten für das Schloßkonzert zu beurlauben. Tidemunt aber erklärte ungeduldig: „Lieber Professor, Sie werden einsehen, ich habe die Bevormundung gründlich satt!“

„Das allerdings ist ein Zeichen von Gesundung!“ sagte der Arzt freundlich: „So wollen wir uns beiden denn wünschen, daß Sie allen Gefahren und Versuchungen, sie neu zu untergraben, standhalten.“

Tidemunt ließ sich ans Seeufer fahren, dahin, wo bei Gstadt die Aussicht überraschend ist. Er stand eine Weile und blickte unschlüssig auf die Wasserweite. Sie schien ihm unerträglich lieblich und pastellfarbig. Vor dem kräftigen Hintergrund des Gebirges lagen auf malachitgrüner seidiger Fläche drei von der Sonne schräg hinterleuchtete torfdunkle Inseln, eine große waldige, eine winzige bebuschte und eine, am nächsten gelegen, von mittlerer Größe mit Bäumen, Häusern und Zwiebelturm.

Das sieht ja aus wie unterm Kinderstubentannenbaum, dachte er und äußerte laut: „Das ist doch wohl alles andere als eine vernünftige Gegenwart.“

„Die Fraueninsel“, nickte der Fahrer, „da gibt es nicht mal Autos.“

„Und das dahinten?“

„Die Herreninsel mit dem Schloß. Da ist immer Betrieb. Dazwischen aber liegt die Krautinsel. Da züchten die Nonnen ihr Gemüse, sonst ist da nichts.“

Tidemunt zahlte, suchte einen Bootsmann und ließ sich zur Fraueninsel übersetzen. Nach einer halben Stunde Umherspähens mietete er ein nach Süden gelegenes Giebelzimmer in einem weinlaubumrankten Fischerhäuschen. Der Blick ging über Garten und Strandweg auf den kleinen Hafen, der zum Hause gehörte und beruhigend problemlos ein plattes Segelboot beherbergte. Tidemunt schlief ein paar Stunden, fragte nach einem Frisör, fand die Tür verschlossen, es war nach Feierabend, und begab sich zum Dampfersteg, um zum Konzert auf die andere Insel zu gelangen.

Er hatte mit der Absicht geliebäugelt, den Bart für immer stehenzulassen. Solch stattliches Gehege, sagte er sich, dürfte nicht undienlich sein, das Mienenspiel jeder aufdringlichen Beobachtung zu entziehen. Die propere Wirtin im Weinlaubhaus aber hat allzu erstaunte Augen gemacht und mich wie einen eben dem See entstiegenen Wassermann mehr besorgt als zuvorkommend behandelt. Was nützt das Bergende, wenn es zugleich übermäßig auffällt? Nun gut, er wird fallen. Aber diesen besonderen Abend, dünkt mich, könnte es vielleicht so lustig wie zuträglich sein, sich mit ein bißchen Tarnung und Windschirm langsam ins Dasein zurückzupirschen.

Unter diesen Betrachtungen hatte er schon eine Weile vor sich hingewartet. Dann bemühte er sich, ein Telegramm seiner Frau, das ihn während seiner Krankheit erreicht und nur die drei Worte enthalten hatte: „Gute Besserung, Berta“, umzuwandeln in ein gewisses Motiv dreier Töne. Er brachte es nicht zusammen und wollte seine Anstrengung zum Teufel wünschen. Da hörte er es plötzlich aufs sanfteste vom Wasser herauftönen.

Er beugte sich dem Klange nach und entdeckte auf einem tieferliegenden, wohl für Barkassen gedachten Sondersteg den langen, rotbärtigen, einarmigen, schiffermützigen Menschen. Der saß da in der Abendsonne und blies auf einer Okarina. Tidemunt betrachtete ihn wie eine Erscheinung und überlegte, ob er ihn anreden und nach seiner Begleiterin fragen solle, fürchtete aber, das Bild zu verscheuchen, drehte sich behutsam vom Geländer fort und ging auf Zehenspitzen davon.

Unterdessen hatten sich schon Leute angesammelt, gleich ihm auf den Dampfer zu warten. Er hörte jemanden mit leichter Ohrwendung sagen: „Kulli Wupp bläst, da bleibts a guats Weder.“ So, wie etwa jemand an der Küste sagt: „Rasmus weht heut über Südost, da hält sichs.“ Tidemunt getraute sich nicht nachzufragen, ob Kulli Wupp wie Rasmus, der Wind, zu dem Geschlechte der Nöcke, Wasser- und Luftgeister gehöre oder aber verdammt sei, aus Fleisch und Blut zu bestehen.

Die Sonnenflöte

Подняться наверх