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Der Dampfer und andere Dampfer und Barkassen und Boote landeten an der Herreninsel und gaben ihren Inhalt an Land. Die Mengen schleusten sich durch das Schloßhotel und den Wirtsgarten oberhalb des Stegs hinein in den Park und über den langen Weg zum Königsschloß. Tidemunt fühlte seine ragende Bärtigkeit von allzu vielen beachtet, wandte sich abseits und verlief sich in grüne sommerliche Gefilde, hörte die Amseln, sah durch lockeres Buchenlaub auf den erglühenden Himmel und den sich ins Bronzene wandelnden See. Er sträubte sich, die Lieblichkeit der Landschaft zu erfassen, er meinte, seiner norddeutschen Herkunft schuldig zu sein, nichts als die grauschillernden Tinten der Wasserkante und den Lärm und Betrieb von Welthäfen als seiner Seele Daseinselixier anzuerkennen. Und blieb stehen und sah von fern das Schloß, lachte verächtlich und abweisend. Aufgedonnertes, albernes Versailles! murrte er und sehnte sich nach Ruhe.

Doch wehte unversehens ein Geigenstrich daher, mückensummendünn. Tidemunt setzte sich mechanisch in Bewegung, und bald hastete er über endloses Gelände künstlicher Rabatten hin, Alleen von riesigen Statuen mit immer demselben Hofdamenlächeln entlang, an Brunnen, an Wasserspielen vorbei auf das viaduktförmige Bauwerk zu. Die Fenster standen verfrüht erleuchtet in der kaum einsetzenden Dämmerung. Traubenhaft hingen die Lüster mit den Kerzen hinter den Scheiben.

Nicht dort hinauf! dachte Tidemunt. Er sah den Strom Menschen, der sich langsam durch die Galerie bewegte. Hier unten die Wege aber waren leer, und leer gähnten die gewaltigen Freitreppen; nur eben am Eingang droben zwischen den ungeschlachten Säulen huschte eine letzte Gestalt hinauf, zierlich und leichthin, und verschwand.

Tidemunt wurde aufmerksam. Er starrte auf das hohle Portal. Sonderbar, dachte er, die Art, die Füße so leichthin zu bewegen, ist mir schon einmal aufgefallen; seither verfolgt mich ein gewisser Spuk, und es tritt geteilt auf, was damals beieinander war und vor mir herwanderte und mich hinter sich herlockte. Es wird Zeit sein, mir meine fünf Sinne zurückzurufen und sie auf vernünftige Arbeit zu richten.

Er wandte dem üppigen Schloß den Rücken. Doch da — es mußte in den Sälen heiß sein und ein Fenster wurde geöffnet — erreichte ihn das Gezirpe der Streicher und wurde Musik und war das a-moll-Quartett von Brahms. Wiederum blieb er stehen. Nein! knurrte er. Ich bin da droben nicht vonnöten. Ich laufe hier herum wie ein Waldschratt, und es genügt mir, einmal hingeschnuppert zu haben an diesem Gehäuse übermäßiger Königsträume, die gewissen irrigen Hafenträumen allzu ähnlich sind, um ihm erträglich zu wirken.

Auf einmal unterschied er das Motiv, nach dem er so lange gefahndet, ja, da war es, das Frei, aber einsam! ... Das Ach, bleib doch! ... Das Für dich nur! ... Er wollte sich nicht einbilden, gemeint zu sein, konnte aber nicht hindern, daß seine Füße umkehrten und die Stufen hinaufgingen, die vielen Stufen, und ihm vorflüsterten, es sei nur, um nachzuprüfen, ob der Spuk, der kleine, zierliche, eben verschwundene, wirklich nur ein Spuk gewesen sei.

Die Sonnenflöte

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