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Sein Arbeitseifer hatte nicht gelitten. Einen Tag lang weilte er mit seinen Beamten und mit den Beauftragten der Bau- und Lieferfirmen bis in die Nacht draußen im Gelände, um die endgültigen Anordnungen für die Errichtung der Werkschuppen, Zufahrtswege und Lagerplätze zu treffen und die schon überall abgesteckten Trassen noch einmal zu überprüfen. Er scheute keinen Dreckspritzer und zog die Herren unermüdlich durch die frühlingsweichen Wiesen, um keinen Meter unbegutachtet und unklar zu lassen.

Er verstand, die immer fröstelnder sich hinter ihm dreinschleppende Schar mit saftigen und grimmigen Redensarten bei Laune zu halten und ließ, als es endlich dunkel wurde, im nächsten Dorfwirtshaus eine gewaltige Mahlzeit auftischen, nicht ohne im gleichen Krug, der zugleich ländliche Gemischtwaren führte, die nötige Anzahl frischer dicker Bauemsocken für die nassen Füße seiner Mitarbeiter und Gäste zu besorgen, soweit sie nicht, wie er selber, in geeigneten hohen Stiefeln gekommen waren.

Den Tag darauf stand er wieder am Reißbrett und saß wieder über seinen Berechnungen, knurrend, pfeifend, qualmend und lebhaft wie je, der abschließenden gewissenhaftesten Revision hingegeben und in die umfänglichen, aber übersichtlichen Tabellen, die den gesamten Arbeitsgang des Vorhabens bis ins kleinste auf volle zwei Jahre enthielten, die allerletzten Feinheiten einfügend.

Und so ging es die nächsten Tage. Nur eben zur Mittagszeit verließ er das Büro und erledigte, was er sonst nie getan, während des Essens noch ausstehende Verhandlungen mit verschiedenen Behörden- und Firmenvertretern. Diese zogen vor, statt im Büro stundenlang zu warten, seinem Tafelbehagen beizuwohnen. Fräulein Macke, seine Sekretärin, hatte unterdessen, halb ehrfürchtig, halb familiär an der Seite des Chefs sitzend, unauffällig die denkwürdigsten Wendungen der Gespräche in Kurzschrift festzuhalten. Und da sie Vegetarierin war und sich mit geringen Mengen begnügte, behielt sie die nötige Muße für ihre Aufgabe. Sie schien dazu da zu sein, die strotzende Naturhaftigkeit des Hafenbaumeisters, die — so sah es aus — jeden Augenblick über die Schranken brechen konnte, durch eine gehaltene Gegenwart sanft davor zu bewahren. Die Kellner begegneten beiden mit einem gemischten Ausdruck von Respekt und Besorgnis.

Nie hatte Tidemunt seine Sekretärin anders als geschäftlich gewürdigt, nie einen Blick oder gar ein Wort an ihre Aufmachung verschwendet. Sie war seit Jahren bei ihm tätig, saß in seinem Vorzimmer, siebte die Besucher, öffnete alle Posteingänge und erledigte das Unwesentlichere selbständig. Unter vier Augen pflegte sie knappe beratende Äußerungen zu wagen, niemals aber in Gegenwart anderer.

Ihre Verläßlichkeit, Pünktlichkeit und Verschwiegenheit hatte Tidemunt als selbstverständlich und nicht der Rede wert hingenommen und auch, sie zum Essen mitzunehmen, keineswegs als besondere Ehre, sondern nur zu seiner Bequemlichkeit gedacht. Nun merkte er, wie ihr Blick unsachlich aufzublühen begann, als melde sich da ein längst fälliger, aber zurückgestellter Anspruch auf offene Anerkennung der Unersetzlichkeit und als sei mit diesen Mahlzeiten privater als gedacht damit begonnen.

Es kam noch etwas anderes hinzu, Fräulein Mackes längst zur Ruhe gelegtes Herz zu bedrängen. Tidemunt hatte sie beauftragt, da er nicht mehr nach Hause wollte, bei einer Wäschefirma das Geeignete zu bestellen und in seinem kleinen Schreibzimmer und Privatbüro, das zwischen seinem Zeichensaal und ihrem Zimmer, dem Vorzimmer lag, das Ledersofa für notdürftige Übernachtung herzurichten.

Und so hauste er auch des Nachts wie ein Feldmarschall neben seinen Schlachtplänen; der Vergleich stieg ihm selber auf, und er überlegte, was denn so ungeheuer friedlich an dem sei, was er da baute anstatt zu zerstören. Es wird die Zerstörer locken, sagte er sich, es wird die Friedlichen veranlassen, es in hitzigem Wettbewerb solange zu mißbrauchen, sich zu bereichern und andern den Wind aus den Segeln zu nehmen, bis es denen zuviel wird und sie zu Gegenmaßnahmen hinreißt und der Krach da ist und alles wieder vor die Hunde geht und — wenn noch einer nachbleibt — der Turnus von neuem anläuft. Er fand es witzig, daß er dennoch so zäh dabei blieb. Er hatte so sonderbare Zweifel wie jetzt über seine Arbeit nie gefühlt. Und gedachte deswegen doch nicht, sie zu vernachlässigen.

Die Sonnenflöte

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