Читать книгу Die Lady und der Admiral - Hans Leip - Страница 26
Die berühmte Billington.
ОглавлениеEines Tages tauchte die Billington in Triest auf, aber nicht als die gefeierte Sängerin, sondern um Sir William, den alten wackeren Mäzen, anzupumpen. Als sie hörte, er sei krank, weinte sie der Lady Emma ellenlange Tränen vor. Sie war teuer aufgedonnert, doch nicht ohne Spuren eines ungeordneten Haushaltes. Ihre Laufbahn war kaum weniger sonderbar als die der Hamilton gewesen. Ihr Vater war Sachse, Theaterhornist, ihre Mutter kleine Soubrette, ihr erster Mann Kontrabassgeiger. Sie war geboren in London-Soho, begann in Dublin mit 16 Jahren, verdiente mit achtzehn am Convent Garden zu London 1000 Pfund, musste neidischem Skandal weichen, kam über Deutschland nach Neapel, jung, schön, war bei den Hamiltons gut aufgehoben, hatte in San Carlo unerhörten Erfolg. Als sie den zweiten Abend gerade ins Theater fahren will, trifft ihren Mann, der zuvor zu fett mit dem Bischof von Winchester gespeist hatte, der Schlag. Die Trauerpause verbringt sie im munteren Neapel, tritt dann unerhört erfolgreich auf in Florenz, Venedig, Triest, Mailand. Hier verheiratet sie sich mit einem Franzosen. Es war kein Jahr her.
Sie war immer noch hübsch, aber auch schon reichlich rund, ein tröstlicher Anblick für die Hamilton, die sogleich ungeziert fragte: „Kriegen Sie ein Kind, Beste?“
Elisabeth Billington schluchzte verzweifelt auf: „Natürlich, aber ich will keins von diesem Idioten! Und ich will weg, und es verdirbt mir die Laufbahn, und ich habe doch noch einen Haufen vor, man reisst sich um mich in London“.
Sie nannte unmässige Honorare, und dass sie in Triest ihre Fäden habe und in Venedig und Tujatee trinke und sich nicht mehr prügeln lassen wolle. Die Hamilton schlug ihr vor, doch gleich mitzukommen, nach England. Sie schrie zurück: In diesem Zustand? Der müsse erst erledigt sein. Und dann müsse sie ihr Landgut unter der Hand verscheuern. Aber dann, dann werde sie kommen, und dann solle die Welt staunen. Ihre Zunge entglitt in den rauhen Ton ihrer Kinderzeit zu Soho, und die Hamilton stand ihr mit Geflissenheit darin nach und sprach gewählter als für gewöhnlich.
Ihr war rivalig ums Gemüt, aber auch sehr mitleidig: „Das ist eben der Unterschied zwischen Liebe und Nichtliebe!“ sagte sie sanft in bester Betonung mit leichter dramatischer Geste, die der gefeierten Billington wohl zeigen durfte, dass Bühnenbegabung nicht von einer einzelnen gepachtet werden könne, und wenn man zehnmal zehn Jahre jünger war als andere.
Die Billington hörte nur heraus, dass hier eine Verkleinerung zwischen Ruhm und Ruhm getrieben und ihrer Person zu geringe Beachtung gewidmet werde: „Mensch, Lady!“ trocknete sie derb die Zähren, „Sie haben es leicht mit den beiden kringelwedelnden Katern an der Schürze. Könnte ich dutzendfach haben, aber Scheibe, ich habe darin Pech; die Kerle, die ich heirate, entpuppen nur Dreck, ich muss sehen, sie wieder loszuwerden. Und ich werde auch diesen los, Sie werden es erleben! Und auch das Balg! Mich hindert nichts! Aber kommen Sie durch Sachsen? Grüssen Sie mein Vaterland! Der grosse Bach war Sachse. Sein Sohn unterrichtete meine Mutter, diese mich. Sie sehen, ich habe grosse Tradition!“
Damit entschwebte die berühmteste Sängerin, die England je hervorgebracht hat. Denn sie hatte inzwischen gemerkt, dass es mit dem Pump nichts sei. Die Hamilton sah ihr, deren Tränen einer strahlenden Siegeszuversicht gewichen waren, mit zwiespältigem Herzen nach und musste die Eifersucht auf das, was nun würde vorbei sein für sie, Ruhm, Beifall und Menge, Rausch der Bühne, ein wenig dämpfen, den Durst, den diese Billington hatte reicher stillen können am Born der Öffentlichkeit und den sie, da war kein Zweifel, in London weiter stillen würde, wenn ihr Mann sie nicht vorher totprügelte oder sie am Genusse des Tujatees verendete. Während dann die arme Emely Hamilton in Piccadilly oder irgendwo in einem langweiligen Zimmer an der Wiege sitzen und Privatarien für Säuglinge zwitschern könne.
Tujatee? Oder anderweitige Geheimmittel ihrer Mama? Nein, nein, kleine Emmel-Emely! Ihre Laufbahn war dahin und begann neu unter ihrem Herzen. Sie reckte sich auf, sah aus dem Fenster, stolz, verächtlich, sah, wie der mässige Wagen der Sängerin im Strassengewühl unterging.