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Unten

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Als Priese Jugendlicher war, musste er oft Arbeiten zu Hause verrichten, die sonst niemand machen konnte: Vater war, genau wie seine Brüder, arbeiten und deshalb nicht daheim. Mutter handelte in Vaters Auftrag, wenn sie Priese Arbeiten übertrug, die unten zu verrichten waren. Unten, das hieß im Garten, auf dem Hof, im Schuppen oder bei den Kaninchen. Mutter las oft von einem Zettel vor, den Vater für Priese geschrieben hatte und auf dem die zu erledigenden Arbeiten standen. Priese war als Gymnasiast natürlich nicht gerade hoch erfreut, wenn er mit dem Arbeitsprogramm seines Vaters konfrontiert wurde, es blieb ihm aber nur das Meckern, die Arbeit musste gemacht werden. Unten erschloss sich für Priese eine Welt, in der gelegentlich auch Nachbarn eine Rolle spielten, meistens war er dort aber allein. Man ging an dem Haus vorbei, in dem angrenzenden Anbau wohnte Prieses Großmutter und gelangte auf den Hof. Geradeaus weiter lag die Laube, in der Prieses Eltern schon mal mit den Nachbarn saßen, Bier tranken und miteinander redeten.

Links um den Anbau herum lagen der Schuppen und der Kaninchenstall, und an den Hof anschließend lag der Garten, der riesig war, jedenfalls für denjenigen, der ihn bearbeiten musste. In der Laube wurden Geschichten erzählt und Fachgespräche zum Beispiel über den Kartoffelanbau geführt. Die Nachbarn hatten natürlich auch Gärten, nur waren die kleiner als der von Prieses Eltern. Priese stand auf dem Stück Land, auf dem sein Vater in mühsamer Arbeit Kartoffeln angebaut hatte, und es war nun seine Aufgabe, das sehr große Areal, auf dem die Kartoffeln ausgemacht worden waren, umzugraben und bei der Ernte eventuell übersehene Kartoffeln aufzusammeln. Der Spaten, mit dem er grub, wurde vorher eingeölt, damit das Spatenblatt leichter in die Erde stach, und die Erde nicht an ihm hängenblieb. Priese fluchte leise vor sich hin, als er so dastand, denn er hätte etwas weitaus Besseres zu tun gehabt, wie zum Beispiel mit seinen Freunden durch die Gegend stromern oder schwimmen gehen. Aber es nutzte nichts und er fing an zu graben. Und nach und nach spielte sich ein Graberhytmus ein, bei dem er gut zurechtkam, immer, wenn er eine Reihe gegraben hatte, machte er ein kurze Pause. Er geriet schnell ins Schwitzen, das war bei ihm schon immer so, auch im Sportunterricht im Gymnasium kam er sofort nach Beginn der Sportstunde ins Schwitzen. Und so arbeitete er sich durch und schaffte unter Mühen das ganze Stück Land, schaute sich seinen Grabeerfolg an und konnte nicht umhin, ein wenig stolz auf seine Leistung zu sein. Sein Vater würde anschließend die Feinarbeit übernehmen, die vom Graben noch grobe Erde mit der Harke zerkleinern und Kalk auf das Land streuen.

„Warum kaufen wir die Kartoffeln nicht?“,fragte Priese seinen Vater ketzerisch und der antwortete:

„Weil uns die selbst gezogenen Kartoffeln nichts kosten und sie vollkommen frei von aller Chemie sind!“ Nach der Kartoffelernte wurden die Knollen immer auf einen Haufen auf dem Hof geschüttet, und sie bildeten schon einen großen Berg. In einem Jahr reichte die Kartoffelernte den ganzen Winter über und Prieses Familie mussten nichts hinzukaufen. Anschließend wurde die Kartoffelernte in großen Körben in den Keller getragen und dort in eine Kartoffelkiste geschüttet, aus der Kiste hat man sich vor dem Essen bedient. Wenn die Erbsen und Bohnen reif waren, musste Priese auch beim Ernten dieses Gemüses helfen, das war aber bedeutend leichter als die Kartoffelernte, bei der man die Knollen mit einer Gabel aus der Erde hob und dann mühevoll aufhob und in einen Eimer warf. Erbsen wurden vom Strauch gepflückt und aus der Schote geholt, und Bohnen, die in rankenden Pflanzen wuchsen, wurden in Körperhöhe geerntet. Alle anderen Gartenpflanzen wie Kohl, Salat, Kohlrabi und Porree bereiteten nicht ansatzweise solche Schwierigkeiten wie die Kartoffeln, die auch noch auf einem so großen Stück Land wuchsen. Priese strengte die Gartenarbeit zwar an, sie bereitete ihm aber sonst keine Schwierigkeiten, er war jung und kräftig und hatte keine Probleme wie zum Beispiel mit seinem Rücken.

Ein anderes Kapitel Arbeit, das auch zu absolvieren war, war das Schuheputzen. Auch das Schuheputzen blieb an Priese hängen, denn er hatte nachmittags ja Zeit. Auf sauber geputzte Schuhe wurde großer Wert gelegt, und Priese musste sich sehr anstrengen, um dem Reinlichkeitsempfinden seines Vaters gerecht zu werden. Das Schuheputzen wurde im Schuppen vollzogen und es gab dazu Lappen, Bürsten und Cremes. Die Lappen wurden fast nie benutzt, dafür aber die Bürsten: es gab eine Grobbürste, mit der festsitzende Schmutzpartikel weg gebürstet wurden, es gab eine mittlere Bürste, die der allgemeinen Vorreinigung diente, und es gab eine Feinbürste, die zum Blankputzen da war. Bei den Cremes griff Priese meistens zu Schwarz, je nach Schuhfarbe nahm er aber auch Braun, oder wenn seine Mutter rote Schuhe hatte, auch Rot, bei Schuhen mit noch anderen Farben gab es farblose Creme. Eine ganz besondere Aufgabe waren Stiefel, bei denen natürlich die Schäfte mit geputzt werden mussten und Wildlederschuhe. Zur Reinigung von Wildlederschuhen gab es Gummibürsten, aber auch damit wurden sie nie richtig sauber.

„Na Priese, wieder beim Schuheputzen?“, fragte Herr Käther, wenn er gerade am Schuppen vorbei und in seinen eigenen Schuppen lief, und Priese antwortete:

„Diese blöden Wildlederschuhe bekomme ich nie richtig sauber!“ Prieses Vater legte Wert darauf, dass die Schuhe auch auf der Untersohle zwischen Lauffläche und Absatz eingecremt wurden:

„Damit sie dort nicht brechen!“, wie er zu sagen pflegte, eine Erfahrung, die er wohl während seiner Zeit bei der Wehrmacht gemacht hatte. Wenn die Schuhe noch neu waren, ging Priese ganz vorsichtig mit ihnen um und trug die Creme nur ganz dünn auf. Er achtete darauf, dass sie so gut wie gar nicht mit anderen Schuhen in Berührung kamen und mit deren Creme eingeschmiert wurden. Wenn Priese mit dem Schuheputzen fertig war,trug er die Schuhe hoch in die Wohnung und stellte sie akurat auf dem Flur in Reih und Glied, so dass sein Vater seine Arbeit begutachten konnte. Eine weitere Arbeit, die ihm vorbehalten war, war das Holzhacken, denn die Kohleöfen in der Wohnung brauchten, um in Gang zu kommen, ein Holzfeuer. Dazu gab es in Prieses Familie eigens eine Kiste, in die das Kleinholz gelegt wurde. Diese Arbeit wurde vor dem Schuppen verrichtet, Priese nahm dazu das Beil und den Hackklotz aus dem Schuppen und ging ans Werk. Oft war es aber so, dass Balken zurecht gesägt werden mussten, bis man aus den erhaltenen Stücken Kleinholz hacken konnte. Dann musste Priese den Sägebock draußen hinstellen und die Bügelsäge holen. Wenn auch noch Nägel in dem Balken waren, musste er die Kneifzange nehmen und die Nägel herausziehen. Das Holz musste sehr fein gehackt werden, wenn es zu grob war, wurde Priese von seinem Vater wieder nach unten geschickt und musste noch einmal hacken.

Die Kaninchen wurden nur mit dem besten Futter versorgt, schließlich gaben sie so manchen Sonntagsbraten. Das Futter wurde von Priese gesucht, er musste dazu den Futterkorb und ein Messer nehmen und in die Wiesen in der Nachbarschaft gehen. Es war aber nicht damit getan, den Korb einfach mit Gras zu füllen, nein, Prieses Vater legte großen Wert auf ausgewogene Kräuter, die die Kaninchen bekommen sollten. Dazu gehörten Huflattich, Wegerich, Schafgabe, Löwenzahn und Sauerampfer, und Priese kannte sich in seiner Jugend aus mit Kräutern, die überall in den Wiesen wuchsen. Und wehe, es waren nicht genügend von den Kräutern in dem Korb, dann musste Priese auf Geheiß seines Vaters noch einmal los und den Korb befüllen. Das Schlachten der Kaninchen übernahm Prieses Vater, dazu hängte er die Leiber der toten Tiere an zwei Nägel in der Schuppentür und zog ihnen das Fell ab. Nachdem er dann die Eingeweide entnommen hatte, brachte er das Kaninchen zu Mutter nach oben.

Es gab neben den Hauptarbeiten unten noch weitere kleinere Beschäftigungen wie fegen und aufräumen, die alle von Priese gehasst wurden, weil sie ihm viel von seiner Freizeit abnahmen, die er gern mit seinen Freunden verbracht hätte. Wenn Prieses Eltern mit den Nachbarn in der Laube gesessen hatten, wurde viel erzählt und dazu Bier getrunken. Frau Aldenhoven, die Nachbarin vom Erdgeschoss, war schon alt und Ostpreußin. Sie wusste Unterhaltsames aus ihrer Heimat zu erzählen, und jeder hörte ihr gerne zu, wenn sie ihre Sätze immer mit einem „Näch“ beendete. Natürlich stammten ihre Erzählungen noch aus der Kriegszeit, und sie war auf die Russen nicht gut zu sprechen:

„Als der Iwan nach Ostpreußen vorrückte, mussten wir alle sehen, dass wir uns schnell davonmachten, näch. Der Iwan hat jeden erschossen, den er sah, näch. Ich bin zum Glück noch auf einen Zug gesprungen, der im Bahnhof stand und nach Westen fuhr und so in Essen gelandet, näch.“ Frau Aldenhoven war eine sehr warmherzige Frau, die allen etwas mitzuteilen hatte, und jeder achtete auf ihre Worte, auch wenn er sie schon oft gehört hatte. Und immer wieder kam die Geschichte, in der sie mit ihrer Freundin die Pferde des Gutsherrn vor dem Sturm gerettet hatte und zur Belohnung einen Tag frei bekam. Oder man hörte Prieses Mutter zu, wenn sie von ihrem harten Waschtag berichtete:

„Heute Morgen habe ich um 6.00 h in der Waschküche das Licht eingeschaltet und unter dem Kochkessel Feuer gemacht.“ Sie war sichtlich abgekämpft, denn sie musste die schwere nasse Bettwäsche in den Garten zur Wäscheleine schleppen.

„Ich bin gerade erst fertig geworden“, seufzte sie und zeigte auf die Wäsche, die im Garten auf der Leine hing. Manche große Wäschestücke musste Priese mit der Karre zur Heißmangel fahren und wieder nach Hause bringen. Prieses Mutter hatte gut und gerne 10 Stunden mit dem Waschen verbracht, das Essen kochte an diesem Tag seine Großmutter. Manchmal ließen sie auch Prieses Vater seine Theorien über Gartenbau vortragen:

„Wenn der Insektenbefall zu stark ist, leihe ich mir bei Hans Brest die Gartenspritze und behandele die Stellen mit E 605, dann ist Ruhe!“

„Aber Alfred, wenn Du zu viel Gift auf Dein Gemüse spritzt, kann man es doch gar nicht mehr essen!“, wandte dann die Nachbarin vom Nebenhaus ein.

„Der Regen wäscht doch vieles von dem Gift wieder runter, und ich achte schon darauf, dass ich nicht allzu viel von dem Gift benutze.“ Dass es im Regelfall Priese war, der die Giftspritze besorgen und das Gift aufspritzen musste, erzählte sein Vater nicht. Auch seine Ansichten über den besten Kartoffelanbau gab er preis:

„Ich nehme nur guten Pferdemist und lege davon in jedes ausgehobene Loch ein Häufchen, darauf setze ich die Saatkartoffel mit den Augen nach oben und fülle vorsichtig wieder Erde auf.“ Alle, die bei dieser Arbeit mithelfen mussten, blieben bei dieser Erzählung unerwähnt. Manchmal kam auch Herr Käther, steckte sich eine Zigarre an, nahm eine Flasche Bier und prostete allen zu, bevor er berichtete, was er in seinem Schuppen alles repariert hatte, denn es waren in der Regel Reparaturarbeiten, die er verrichtete. Wenn Priese unten war und Zeit hatte, ging er oft zu Herrn Käther in seinen Schuppen und rauchte dort heimlich.

„Ich habe heute unser Radio repariert, nachdem es seinen Geist aufgegeben hatte, und, was soll ich sagen, als ich in seinem Inneren ein wenig herumgefummelt hatte, lief es wieder, wahrscheinlich hat eine Röhre nicht richtig gesessen!“ Sie hielten es nicht allzu lange in der Laube aus und verbrachten etwa einen ganzen Abend dort. Wenn jeder sein Bier getrunken hatte und es auf 18.00 g zuging, machten sie Schluss mit ihrer Runde und jeder ging in seine Wohnung. Priese musste dann die leeren Flaschen einsammeln und die Laube aufräumen. Aber er hatte gerne bei den Alten gesessen und ihren Reden zugehört, besonders Frau Aldenhoven, der er in ihre Wohnung half und eine Süßigkeit dafür bekam, zum Beispiel ein Stück Schokolade oder ein paar Bonbons. Frau Aldenhoven hatte viele Enkelkinder und von daher immer Süßigkeiten bei sich, die sie den Kleinen gab,und weshalb sie sehr von ihnen gemocht wurde. Priese war dafür zuständig, die Haustür abzuschließen, das wurde immer schon sehr früh gemacht, weil niemand am Abend noch ausging, außer als Priese älter war, da ging er schon aus, schloss die Haustür auf und hinter sich wieder ab.

Priese hatte in seinen Eltern sehr dominante Persönlichkeiten, die er, obwohl sie ihn immer mit Arbeit belegten, sehr mochte. Auch zu seinen Nachbarn hatte er eine gute Beziehung, die jeder für sich eine Geschichte mit sich herumtrugen und ab und zu ihre Umgebung davon hören ließen.

Priese

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