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5.Neubesinnung auf das Wesen des evangelischen Kirchenrechts

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a) Zu einer Neubesinnung auf das Wesen des evangelischen Rechts kam es nach 1918, als sich die evangelischen Landeskirchen nach dem Ende des landesherrlichen Kirchenregiments eigenständig zu organisieren und rechtlich zu ordnen hatten, vor allem aber während des „Dritten Reiches“ in der Auseinandersetzung der „Bekennenden Kirche“ mit den „Deutschen Christen“, die eine Übernahme nationalsozialistischer Prinzipien, wie z. B. des Führerprinzips, in der Kirche forderten.

Bei der Barmer Bekenntnissynode von 1934 wurde demgegenüber in der 3. These ihrer Theologischen Erklärung bekannt, dass

–die Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen nicht von der äußerlich organisierten, rechtlich geordneten Kirche zu trennen ist, und

–die äußere Ordnung und Gestalt der Kirche keine gleichgültigen Dinge sind, mit denen man beliebig verfahren und die man unbesehen am weltlichen Recht, wie es Vereine oder politische Körperschaften auch haben, ausrichten könnte, sondern die in erster Linie an Selbstverständnis und Auftrag der Kirche gebunden sind.

In der korrespondierenden These 3 der Barmer Erklärung zur Rechtslage der Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche vom 31. Mai 193418 wird dies dahingehend zugespitzt:

„In der Kirche ist eine Scheidung der äußeren Ordnung vom Bekenntnis nicht möglich.“

b) Kirchenrecht folgt daher nicht einfach aus dem Umstand, dass die Kirche als (auch) menschliche Gemeinschaft gewisser Regeln des Zusammenlebens bedarf. Es ist somit kein „allgemeines soziologisches Ordnungsmodell“ wie das Recht anderer soziologischer Institutionen19, sondern auftrags- und damit bekenntnisgebunden. Grund und Grenze für alle menschliche Ordnung in der Kirche ist das Bekenntnis zum Herrn dieser Kirche20. Evangelisches Kirchenrecht ist daher auf das evangelische Bekenntnis verpflichtet: „Die Kirche bekennt sich zu ihrem Herrn auch darin, wie sie ihr äußeres Leben gestaltet“.21

Letztlich ist dieser Bezug von Bekenntnis und Ordnung auch eine Rückbesinnung auf Art. 28 CA.

Dabei kann kirchliches Recht durchaus verschiedene Grade von Bekenntnisrelevanz aufweisen22. Das Sakramentsrecht, das Recht des Predigtamts und das Pfarrerdienstrecht, Lehrordnungen und das Recht der Kirchenmitgliedschaft stehen dem Bekenntnis wesentlich näher als andere Rechtsmaterien, wie zum Beispiel das kirchliche Finanz-, Haushalts- und Vermögensrecht, wobei aber auch bei Letzteren die dienende Funktion für den geistlichen Auftrag der Kirche besteht23. So kann die Kirche bei der rechtlichen Gestaltung einzelner Materien auch durchaus auf bewährte Rechtsinstitute weltlichen Rechts zurückgreifen oder diese modifizieren, wenn dies mit ihrem geistlichen Auftrag vereinbar ist. Zum einen lebt sie in einem bestimmten gesellschaftlichen Umfeld, „in der Welt“24, und kann daher entsprechende staatliche Regelungen übernehmen. Zum anderen ist die Übernahme staatlichen Rechts auch eine Frage der Zweckmäßigkeit, „ein Mittel zum Zweck, mehr Zeit und Raum für ihr Wirken als Kirche für andere zu haben“25.

Eine unkritische und undifferenzierte Übernahme weltlicher Gestaltungsformen kommt indes nicht in Betracht.

c) Die Erfahrungen des Kirchenkampfes während des „Dritten Reiches“ führten nach 1945 zu einer verstärkten Beschäftigung mit den theologischen Grundlagen evangelischen Kirchenrechts. Damals entstanden vor allem drei Grundlagenentwürfe, die mit den Namen Johannes Heckel, Erik Wolf und Hans Dombois verbunden sind. Diese können hier nur erwähnt, nicht aber näher vorgestellt werden26.

Die Überwindung des doppelten Kirchenbegriffs (Geistkirche und Rechtskirche, ecclesia invisibilis – ecclesia visibilis) und die Wiederentdeckung des ganzheitlichen Kirchenbegriffs in der Barmer Theologischen Erklärung und in diesen Grundlagenentwürfen führten zum Teil zu einem doppelten Rechtsbegriff27:

Nach der dualistischen Theorie des Kirchenrechts ist Kirchenrecht als eigenständiges und eigengeartetes Recht und damit ein Recht besonderer Art zu verstehen, welches qualitativ von allem unterschieden ist, was sonst als Recht bezeichnet wird. Demgegenüber geht die monistische Theorie des Kirchenrechts von einem einheitlichen, Staat und Kirche gemeinsamen Rechtsbegriff aus. Dies braucht hier indes nicht näher erörtert zu werden. Denn zum einen spielt diese Unterscheidung in der Praxis nicht dieselbe Rolle wie in der Theorie, zum anderen haben neuere Arbeiten gezeigt, wie der doppelte Kirchenrechtsbegriff aufgegeben werden kann, ohne dass das Kirchenrecht seine geistliche Prägung verliert, etwa in dem Gedanken vom „antwortenden Charakter“ des Kirchenrechts-Kirchenrecht als Antwort auf den Anruf des Evangeliums28.

Zusammenfassend kann dazu festgehalten werden: Das Kirchenrecht hat gegenüber dem allgemeinen Recht zwar besondere Voraussetzungen in der Gebundenheit an den Auftrag des Herrn und an das Bekenntnis. Als menschlich gesetztes Recht unterscheidet es sich in seiner Funktion als friedensstiftendes Ordnungsgefüge aber nicht derart vom allgemeinen Recht, dass es als etwas ganz anderes angesehen werden müsste. Indes bleibt Kirchenrecht inhaltlich immer auf den Auftrag der Kirche bezogen. (Nur) insoweit besteht keine Identität beider Rechtsordnungen und kommt dem Kirchenrecht innerhalb der Gesamtheit des Rechts eine besondere Rolle zu, als es die ihm eigenen Bindungen nicht aufgeben kann und darf29.

Evangelisches Kirchenrecht in Bayern

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