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V. Vorgesellschaft
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Eine SE erwirbt mit der Eintragung in das Handelsregister Rechtspersönlichkeit.[1] Da die Eintragung der SE den Gründungsvorgang abschließt, stellt sich die Frage, wie die noch nicht eingetragene SE rechtlich zu behandeln ist. Die SE-VO belässt es insoweit bei dem Hinweis, dass bereits vor der Eintragung Rechtshandlungen im Namen der SE vorgenommen werden können und diese unter bestimmten Voraussetzungen auch die SE berechtigen oder verpflichten können.[2] Abgesehen von einzelnen Normen, die die Vor-SE voraussetzen,[3] finden sich Bestimmungen zur Vor-SE weder in der SE-VO noch im SEAG. Dies schließt freilich ebenso wenig wie die Haftungsregelung in Art. 16 Abs. 2 SE-VO die Existenz einer Vor-SE aus. Da die Frage der Vorgesellschaft als Teil des Gründungsrechts über Art. 15 SE-VO dem nationalen Recht zugewiesen ist, entsteht im Rahmen der Gründung einer deutschen SE grundsätzlich eine Vor-SE.[4]
1. Entstehung der Vor-SE
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Das Ende der Vor-SE wird durch die Eintragung markiert; demgegenüber finden sich keine gesetzgeberischen Vorgaben zur Entstehung der Vor-SE. Nach allgemeinem gesellschaftsrechtlichem Verständnis entsteht die Vor-SE mit Errichtung der Gesellschaft. Es ist deshalb wie folgt zu differenzieren:[5]
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Wird die SE im Wege der Verschmelzung durch Neugründung errichtet,[6] kommt es darauf an, in welcher Reihenfolge die einzelnen Gründungsvoraussetzungen erfüllt werden. Bei der Verschmelzung ist ein Verschmelzungsplan aufzustellen, der notariell zu beurkunden ist und über den die Hauptversammlungen beschließen müssen.[7] Da keine bestimmte Reihenfolge von Beurkundung und Beschlüssen einzuhalten ist, kommt es darauf an, welche Voraussetzung zuletzt erfüllt wurde. Erst wenn sowohl die Beurkundung des Verschmelzungsplans als auch die Hauptversammlungsbeschlüsse vorliegen, entsteht die Vor-SE.[8] Auf die Vereinbarung mit den Arbeitnehmern kommt es nicht an. Bei der Tochter-SE[9] und der SE-Tochtergesellschaft[10] ist die Feststellung der Satzung und die Übernahme der Aktien als Gründungsgeschäft anzusehen, sodass in diesem Zeitpunkt die Vor-SE entsteht.
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Wird eine Holding-SE[11] gegründet, kommen verschiedene Entstehungszeitpunkte für die Vor-SE in Betracht. Zum einen könnte auch hier auf die Beschlussfassungen der Gründungsgesellschaften bzw. die Beurkundung des Gründungsplans abgestellt werden, zum anderen aber auch auf den Zeitpunkt, in dem der im Gründungsplan vorgesehene Mindestprozentsatz der Gesellschaftsanteile eingebracht wurde. Für den letztgenannten Zeitpunkt könnte Art. 33 Abs. 2 SE-VO sprechen, der normiert, dass die Holding-SE nur dann gegründet ist, wenn ein Mindestprozentsatz der Gesellschaftsanteile eingebracht wurde. Gleichwohl greift diese Argumentation zu kurz, denn die Einbringung[12] von Gesellschaftsanteilen setzt notwendig das Bestehen eines Rechtsträgers voraus, der Inhaber dieser Anteile wird. Die Vor-SE entsteht also auch bei der Holding-SE in dem Zeitpunkt, in dem die Gründungsgesellschaften einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss gefasst haben und der Gründungsplan notariell beurkundet wurde.[13] Im Hinblick auf Art. 33 Abs. 2 SE-VO handelt es sich aber um eine auflösend bedingte Vor-SE, die automatisch und liquidationslos erlischt, wenn die festgelegte Mindesteinbringungsquote nicht erreicht wird.
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Wird eine SE durch Umwandlung[14] oder im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme[15] gegründet, kommt es gar nicht zur Entstehung einer Vor-SE, denn die formwechselnde bzw. aufnehmende AG wandelt sich ohne Zwischenschritte in eine SE um.[16] Da bis zur Eintragung der SE die alte AG fortbesteht, ist kein Raum für eine Vor-SE.[17]
3 › V › 2. Rechtliche Qualifikation der Vor-SE, Organe der Vor-SE
2. Rechtliche Qualifikation der Vor-SE, Organe der Vor-SE
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In Deutschland ist die Vor-SE ebenso wie andere Vorgesellschaften[18] als Gesellschaft sui generis zu qualifizieren,[19] wenn es sich um eine Mehrpersonen-Vorgesellschaft handelt. Diese Einordnung hat jedoch keine praktischen Auswirkungen, da die Rechtfolgen von Art. 16 Abs. 2 SE-VO vorgegeben werden. Entsprechend der Mehrpersonen-Vorgesellschaft ist auch die Einmann-Vorgesellschaft zu behandeln.[20]
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Die Vor-SE handelt durch ihr Leitungsorgan bzw. Verwaltungsorgan, je nach dem, welches System für die SE gelten soll. Da weder § 76 AktG noch § 41 SEAG eine Eintragung voraussetzen, ist das Leitungs- bzw. Verwaltungsorgan unbeschränkt vertretungsberechtigt.[21] Lediglich im Innenverhältnis sind diese Organe gehalten, nur die Eintragung zu betreiben und allein die hierzu notwendigen Rechtsgeschäfte vorzunehmen. Dies folgt aus dem für die Gründer mit der Unterbilanzhaftung verbundenen Risiko. Nur wenn die Gründer ausnahmslos zustimmen, ist das Leitungs- bzw. Verwaltungsorgan auch im Innenverhältnis berechtigt, Handlungen vorzunehmen, die über das Betreiben der Handelsregistereintragung und damit unmittelbar zusammenhängender Geschäfte hinausgehen. Überschreiten die Organe ihre im Innenverhältnis bestehenden Beschränkungen, haften sie gegenüber der Gesellschaft nach § 93 AktG, gegebenenfalls i. V. m. § 39 SEAG.