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1.2Illustration: Wie funktioniert regionale Wirtschaftsentwicklung?
ОглавлениеUnternehmen sind an verschiedenen Standorten unterschiedlich erfolgreich. Wenn die Unternehmen einer Region RegioTopia ein hohes Wachstum erzielen, die Unternehmen in zwei anderen Regionen RegioCopia und RegioNova hingegen schrumpfen, entstehen räumliche Disparitäten. Um diese räumlichen Entwicklungsunterschiede auszugleichen, können staatliche und private Akteure eine Förderpolitik verfolgen, die Unternehmensansiedlungen und -neugründungen unterstützt. Aber woran sollen die Regionen RegioCopia und RegioNova ihre Förderpolitik orientieren?
Vorher. RegioCopia mag zunächst eine Expertengruppe in die erfolgreiche Nachbarregion RegioTopia entsenden, um die Wirtschaftsstruktur zu untersuchen. Dort gibt es große Universitäten, ein modernes Verkehrsnetz, niedrige Steuern und moderate Lohnkosten, verfügbares Investitionskapital sowie einen hohen Anteil von Managern und hoch qualifiziertem Personal. Auch wird die Lebensqualität der Bewohner als sehr hoch eingeschätzt. Aufgrund dieser Analyse kommt die Expertengruppe zu dem Ergebnis, dass die Unternehmen in RegioCopia mit den gleichen Faktoren versorgt werden müssen wie in RegioTopia, um einen ähnlichen Anstieg der Betriebsgründungen und Innovationsaktivitäten der Unternehmen zu erreichen. Nur wenn die Rahmenbedingungen der erfolgreichen Region auch in RegioCopia hergestellt sind – so die Expertengruppe –, wird diese Erfolg haben. Aus diesem Grund beschließt RegioCopia die Einrichtung eines Gründerzentrums, um neuen Unternehmen genau diese Bedingungen zu bieten [. . .].
RegioNova hat ebenfalls schlechte Voraussetzungen für wirtschaftliches Wachstum. Sie liegt abseits der großen Ballungsräume in der Peripherie, ist dünn besiedelt und nur wenige Industrien haben sich hier niedergelassen. Die heimische Universität hat sich in elektronischer und elektrotechnischer Forschung einen Namen gemacht, sodass der Region zumindest junge Studenten für die Zeit ihrer Ausbildung zuwandern. Darüber hinaus verfügt die Region über keine besonderen Ressourcen. Sie liegt in einer kargen Berglandschaft, die nicht einmal Touristen anzieht. Die lokale Regierung sieht sich machtlos und entwickelt keine konkreten Förderkonzepte. Unternehmen scheinen in RegioNova nicht die nötigen Faktoren zu finden, die sie für eine Standortansiedlung benötigen [. . .].
Nachher. [. . .] Inzwischen hat RegioCopia Millionen von Fördergeldern in die Errichtung eines Gründerzentrums investiert und zahllose Kooperationen mit Investoren begründet, die große Mengen an Risikokapital bereithalten. Das Gründerzentrum besitzt eine gute technische Infrastruktur und hält preiswerte Flächen für Existenzgründer vor. Darüber hinaus hat die Wirtschaftsförderungsgesellschaft eine massive Anwerbungspolitik gegenüber Unternehmen aus anderen Regionen betrieben. Doch die Politik zeigt keine Wirkung. Die meisten Unternehmen des Gründerzentrums haben schon früher in der Region existiert oder arbeiten in neuen Zweigen bereits bestehender Unternehmen. Außerdem sind noch zahlreiche Flächen des Zentrums ungenutzt. Auch die wenigen neu angesiedelten Unternehmen haben keine lokalen Verflechtungen mit Zulieferern, Dienstleistern oder dem Arbeitsmarkt aufgebaut. Obwohl RegioCopia mit Erfolgsfaktoren ausgestattet wurde, hat sich die Gründungsquote kaum verändert.
[. . .] In RegioNova haben sich einige Hochschulabsolventen mit einer wirtschaftlichen Idee selbstständig gemacht. In den Labors der Universität haben sie an Experimenten mit Elektronikkomponenten teilgenommen und entwickeln nun in Zusammenarbeit mit ihrem Institut EDV-Anwendungen. Ein Unternehmen in der Umgebung findet Interesse an der Idee und bietet seine Mitwirkung bei der Weiterentwicklung an. Nach wenigen Monaten gelangt das Produkt auf den Markt und findet reißenden Absatz. Das schnelle Wachstum des jungen Betriebs wird durch junge, flexible Mitarbeiter aus der Region getragen. Ihr Erfolg spricht sich herum und Studenten, die bei ihnen ausgeholfen haben, gründen partnerschaftlich eigene Existenzen. Die Produkte der wachsenden Anzahl von start-up-Unternehmen sind miteinander verbunden, sodass die Mitarbeiter der Unternehmen sich in ständigen Austausch- und Lernprozessen befinden. Es herrscht eine hohe Fluktuation der Arbeitsplätze mit kurzen Verweildauern der Mitarbeiter in den einzelnen Betrieben. Die Zahl der Arbeitsplätze steigt kontinuierlich an und es werden ständig neue, innovative Produkte im Bereich der Hard- und Software entwickelt. RegioNova wird zu einem Innovationszentrum und zieht Talente aus anderen Regionen an.
Erklärung. Aus der Entwicklung der Region RegioNova kann man keineswegs ableiten, dass eine gute Idee allein bereits ausreicht, um Unternehmen einer Region oder gar die ganze Region erfolgreich zu machen. Ferner lässt sich auch nicht schlussfolgern, dass eine regionalpolitische Förderung eigentlich überflüssig sei, weil sich der Erfolg ohnehin von selbst einstellen würde. Nein, aus der Entwicklung von RegioNova kann man vor allem lernen, dass sich der Erfolg nicht aus Strukturfaktoren und Rahmenbedingungen erklärt, sondern dass konkrete Ideen, Initiativen und gemeinsame Lern- und Arbeitsprozesse aufeinander aufbauen und so das Wachstum von Grund auf ermöglichen.
Aber warum war die Förderung in RegioCopia so erfolglos? Es wurden Faktoren aus einer erfolgreichen Region nachgeahmt und nachgebildet. Die Förderpolitik wurde in einer Analyse begründet, die vermutlich an den eigentlichen Ursachen vorbeizielte und daher keine großen Erfolgsaussichten hatte. Eine derartige Förderpolitik setzt mit ihrem theoretischen Verständnis bei allgemeinen Rahmenbedingungen an und ignoriert den spezifischen ökonomischen und sozialen Kontext sowie die Motive und das situierte Handeln der wirtschaftlichen Akteure. Selbst wenn Kapital und Infrastruktur gegeben sind, so hängt der wirtschaftliche Erfolg von Unternehmen und langfristig auch der von Regionen immer davon ab, was Akteure durch ihre Handlungen aus diesen Möglichkeiten machen. Es gibt keinen Automatismus der Wirtschaftsentwicklung und des wirtschaftlichen Erfolgs.