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2.2.2Raumwirtschaftslehre

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Nur zögernd hat sich die Wirtschaftsgeographie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von der beschreibenden Ebene des länder- und landschaftskundlichen Schemas zu modelltheoretischen und konzeptionellen Fragestellungen hin entwickelt, die das Ziel der Verallgemeinerung haben. Wichtige Anstöße in der Wirtschaftsgeographie stammen hierbei von Theorien, die in den Nachbarwissenschaften, insbesondere in der Ökonomie, entwickelt wurden. Erst Mitte der 1980er-Jahre haben auch sozialwissenschaftliche Ansätze verstärkt Einzug in die Wirtschaftsgeographie gehalten. Historisch wichtige Anstöße erhielt die Wirtschaftsgeographie durch die Arbeiten Webers (1909) zur industriellen Standortlehre und v. Thünens (1875) mit der für den Agrarsektor konzipierten Landnutzungstheorie sowie durch Christaller (1933) und Lösch (1944) mit ihren Untersuchungen über hierarchische Systeme zentraler Orte und Marktnetze. Wichtige programmatische Anregungen kamen in den 1950er-Jahren aus den USA von Isard (1956; 1960), der die regional science als Wissenschaft der räumlichen Ordnung und Organisation der Wirtschaft begründete, die sich stark an ökonomischen Theorien und Modellen orientiert. Durch die Einbeziehung des Raums – zumeist als Kostenfaktor – wurden ökonomische Theorien in die Geographie integriert. Damit entstand eine neue Basis für wirtschaftsgeographische Arbeiten. Es wurden formale Raummodelle entwickelt und allgemeine raumbezogene Zusammenhänge getestet. Insbesondere von Böventer (1962; 1995) übertrug den Ansatz der regional science in seine Raumwirtschaftslehre. Aus der regional science ist letztlich auch der von Schätzl (1998, S. 17 f) vertretene raumwirtschaftliche Ansatz der Wirtschaftsgeographie hervorgegangen. Demnach lässt sich „[. . .] Wirtschaftsgeographie definieren als die Wissenschaft von der räumlichen Ordnung und der räumlichen Organisation der Wirtschaft. Sie stellt sich in dem [. . .] raumwirtschaftlichen Ansatz die Aufgabe, räumliche Strukturen und ihre Veränderungen – aufgrund interner Entwicklungsdeterminanten und räumlicher Interaktionen – zu erklären, zu beschreiben und zu bewerten. Dabei sind die Verteilung ökonomischer Aktivitäten im Raum (Struktur), die räumlichen Bewegungen von Produktionsfaktoren, Gütern und Dienstleistungen (Interaktionen) sowie deren Entwicklungsdynamik (Prozeß) als interdependentes Raumsystem zu verstehen.“

Ziel der Raumwirtschaftslehre ist es dabei, auf dem Weg der Theorie- und Modellbildung allgemeine Erkenntnisse über die räumliche Ordnung der Wirtschaft zu erhalten. Voppel (1999, S. 27) erläutert dies programmatisch wie folgt: „Die theoretischen Grundlagen der Wirtschaftsgeographie basieren auf Gesetzmäßigkeiten, die den Raum und mit dem Raum verbundene ökonomische Entscheidungen und Abläufe betreffen.“ Nach Schätzl (1998, Kap. 1) stehen hierbei drei spezifische Aufgaben der Wirtschaftsgeographie im Vordergrund:

 Untersuchung der Verteilung ökonomischer Aktivitäten wie z.B. von Wirtschaftszweigen im Raum, und der Faktoren, welche ihre Standortwahl beeinflussen.

 Analyse der Veränderungen der räumlichen Struktur und ihrer Entwicklungsdynamik, z. B. der Ursachen für Standortverlagerungen oder von Unternehmensgründungen und -schließungen.

 Analyse der räumlichen Bewegungen von Gütern und Produktionsfaktoren, so z. B. der Entstehung von Kundeneinzugsbereichen und Arbeitsmärkten und der Erfassung von Pendlerverflechtungen und Technologietransfers.

Bartels (1970 a; 1988) geht in seiner Vorstellung von Wirtschaftsgeographie einen Schritt weiter, indem er das räumliche Verhalten von Menschen differenziert nach Tätigkeiten und Sozialgruppen in den Mittelpunkt seiner Untersuchung stellt, anstatt das Verhalten anonymer Wirtschaftseinheiten zu untersuchen. Er erkennt für die Wirtschaftsgeographie vor allem folgende Forschungsschwerpunkte: (1) choristische Methodik bzw. Spatialanalyse (Raumanalyse), (2) Sozialgruppenforschung, (3) Perzeptionsforschung (Wahrnehmungsforschung), (4) Mobilitätsforschung, (5) Umweltpotenzialforschung, (6) Siedlungssystemforschung, (7) Raumentwicklungsforschung und (8) Disparitätenforschung (Analyse räumlicher Ungleichheiten).

In den 1980er-Jahren hat der raumwirtschaftliche Ansatz der Wirtschaftsgeographie durch Schätzl (1998) in Deutschland eine starke Verbreitung erfahren, wobei zusehends auch Grenzen des Ansatzes bei der Lösung aktueller Forschungsfragen deutlich geworden sind. Dies zeigt sich etwa in der Raumsicht. So werden in Studien räumliche Eigenschaften definiert und identifiziert und als Erklärungsmuster für Standortstrukturen oder Standortmuster verwendet. Sozialwissenschaftliche Erklärungsdimensionen werden dabei hingegen vernachlässigt.

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