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2.1.3Die (sozial-)theoretische Revolution: Geographie als Akteurswissenschaft

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In den 1980er-Jahren etablierte sich ein stärker sozialtheoretisch orientiertes Bewusstsein, das zuvor zwar in Ansätzen vorhanden (z. B. Hartke 1956), nicht aber dominant war und welches das raumwissenschaftliche Programm einer umfassenden Kritik unterzog. In der wissenschaftstheoretischen Revolution der Raumwissenschaft erkannten viele Kritiker vor allem eine methodisch-instrumentelle Revolution der Verfahren, nicht aber der zentralen Konzepte von Raum und dem Verhältnis von Raum und Gegenstand. Wenngleich Raum nicht mehr als natürliche Landschaft angesehen wurde, so doch als Erklärungsfaktor für soziale und wirtschaftliche Phänomene. Räumliche Distanz operiert in diesem Ansatz als Ordnungskraft menschlicher Entscheidungen und determiniert im Rahmen universeller Raumgesetze das Handeln. Diesem Verständnis folgend kann jedes soziale und materielle Phänomen zum Gegenstand raumwissenschaftlicher Forschungen werden, wenn die Distanz als Erklärungsgröße für Verteilungen und Austauschbeziehungen herangezogen wird.

Empirisch und theoretisch lassen sich ökonomische Prozesse und Strukturen hingegen nicht als entfernungsdeterminiert nachweisen. Soziale Tatbestände werden dadurch auf den Raum reduziert und gleichsam theoriefrei behandelt. Stattdessen sind Distanzen das Ergebnis von inhaltlichen Zusammenhängen jeweiliger ökonomischer und sozialer Problembereiche, nicht aber deren Ursache. Aus dieser Inversion der Kausalrichtung lässt sich die Kritik an der Raumwissenschaft zusammenfassen (Glückler 2002): Physisch-geometrische Distanzen sind Randbedingungen und Ergebnisse von sozialen und ökonomischen Prozessen, nicht aber deren Aus­gangs­punkte. Über die soziale oder ökonomische Bedeutung des Physischen lässt sich allein aus dem Physischen heraus nichts aussagen (Hard 1973, II. Teil; Werlen 1987; Hard 1993; 1995 c; 1997, Kap. 2; 2000, Kap. 9). Die Ursachen räumlicher Verteilungen liegen in den Theorien der Gegenstandsbereiche, sodass über geographische Phänomene geographie-extern nach Lösungen zu suchen ist (Bahrenberg 1987). Während Regionalisierungs-, Begrenzungs- und Definitionsverfahren methodologisch modernisiert worden sind, bleibt das Paradigma einem vormodernen Verständnis von Raum sowie Raum-Gesellschafts-Beziehungen verhaftet. Werlen (1997, S. 61) beurteilt das raumwissenschaftliche Programm daher als Revolution einer halbierten Modernisierung.

Das Programm der sozialtheoretisch revidierten Geographie eröffnet demgegenüber eine neue Perspektive. Durch die Umkehr der Verursachungsrichtung bestimmen nunmehr das Soziale und Ökonomische die räumliche Struktur und nicht umgekehrt. Dadurch rücken Individuen oder Organisationen als Akteure in den Mittelpunkt und ihr Handeln wird als Ursache für Strukturen anerkannt (Werlen 1988; Sedlacek und Werlen 1998). Diese Einsicht öffnet den Rahmen für eine Neupositionierung der sozialwissenschaftlichen Geographie hin zum Handeln des Menschen (Weichhart 1986; Werlen 1987; 1995 a).

Neben der Kritik des Raumverständnisses vollzieht sich ferner eine Kritik der wissenschaftstheoretischen Auffassung. Da das Handeln menschlicher Akteure nicht gesetzesartig beschrieben werden kann, wird auch das Ziel deterministischer Theoriebildung aufgegeben. Stattdessen gilt das Prinzip der Kontingenz, durch das der Abhängigkeit von Kontexten stärkeres Gewicht beigemessen wird (Glückler 1999, Kap. 6; Sayer 2000, Kap. 1). In der Wirtschaftsgeographie äußert sich dieser Wandel von Theorie und Methodologie in einer Fokussierung der Analyse auf Unternehmen und deren Entscheidungsträger und nicht auf Regionen und Raumeinheiten als Akteure. Unternehmensziele und Beziehungen zwischen Unternehmen rücken dabei in den Mittelpunkt der Betrachtung und die Forschung bedient sich ökonomischer und sozialer Theorien, um den Gegenstandsbereich des ökonomischen Handelns und ökonomischer Beziehungen aus räumlicher Perspektive zu untersuchen.

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