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Kapitel 4

DER APERITIF DES LEBENS

Bevor das Fest beginnen kann, müssen wir erst einmal überlegen, was für eine Feier so alles gebraucht wird: ein fester Boden, auf dem das Ganze stattfindet; dann ausreichend zu trinken, frische Luft zum Atmen und etwas zu essen. So weit, so gut! Bis die Gäste kommen können, wird es noch ein Weilchen dauern, denn die Entstehung eines Planeten wie dem der Erde ist nicht so einfach.

Wie bekommen wir festen Boden unter die Füße? Bei einem Gasplaneten läuft das so ähnlich ab wie bei der Sonne. In der Scheibe um die Sonne bilden sich Gasverdichtungen, die unter ihrem eigenen Gewicht in sich zusammenfallen und mit ihrer wachsenden Schwerkraft immer mehr Gas zu sich heranziehen. Die Bildung von Gasplaneten dauert nur etwas länger als einige Hunderttausend Jahre.

Bis ein Felsenplanet wie die Erde entstanden ist, vergeht viel mehr Zeit. Anfangs stoßen kleinste Staubteilchen zusammen, werden miteinander verbacken und ziehen weitere Teilchenklumpen zu sich heran. Auf diese Weise wächst das Gebilde Stück für Stück weiter an, es fängt sogar Asteroiden ein. Bis schließlich ein Felsenplanet entstanden ist, können möglicherweise mehr als 100 Millionen Jahre vergehen. So war es auch bei den inneren Planeten im Sonnensystem: Merkur, Venus, Erde und Mars.

Für unser Fest brauchen wir genügend zu trinken. Wie kommt ein Planet zu Wasser? Mars und Venus haben kein Wasser, sie sind staubtrocken. Wieso gibt es ausgerechnet auf der Erde Wasser?

Zur Beantwortung dieser Frage müssen wir uns die Lage der Planeten in Relation zur Sonne genauer anschauen. Im Umkreis des Sterns gibt es nur einen bestimmten Aufenthaltsbereich für Planeten, in dem die Möglichkeit für biologisches Leben gegeben ist. Kreist der Planet zu nah an der Sonne, ist es zu heiß für das Leben. Wenn er zu weit weg ist, ist es zu kalt. Bewegt sich der Planet in der für Leben prädestinierten Zone, der habitablen Zone, hat ihn dieser Umstand nicht per se mit Wasser ausgestattet. Wir wissen heute, dass es in der habitablen Zone ursprünglich gar kein Wasser geben konnte.

Der Raum zwischen einem Stern und der ihn umgebenden Staub-Gas-Scheibe, in der sich Planeten bilden, lässt sich in zwei Bereiche aufteilen, die durch eine Grenzlinie, die Snowline, bestimmt wurden. Im äußeren, kalten Bereich kommt Wasser – wenn überhaupt – nur gefroren vor. Im inneren Bereich um den Mutterstern kann Wasser aufgrund der hohen Temperatur nur dampfförmig vorkommen und verflüchtigt sich sofort. Deswegen sind alle Planeten auch in der habitablen Zone um einen Stern erst einmal trocken, staubtrocken.

Sie wundern sich? Zu Recht, denn die Erde ist wunderschön blau, und das kommt eindeutig vom vielen Wasser. Dafür kann es nur einen Grund geben. Genau! Das Wasser muss von außen eingetragen worden sein.

Unter den Asteroiden und Meteoriten gibt es die kohligen Chondrite, Sie kennen sie schon aus dem vorigen Kapitel. Diese besonderen Steine gelten als das am wenigsten veränderte Material aus den ersten Tagen des Sonnensystems. Darunter gibt es etliche, die Wasser enthalten. An dem Verhältnis von Deuterium, dem schweren Wasserstoffisotop, zum Wasserstoff können wir ablesen, woher das Wasser ursprünglich kam. Es kam aus der Gaswolke und dem Staub, aus dem die Sonne entstand. In praktisch allen Gaswolken im interstellaren Medium findet sich Wasser. Und wenn sich die Staubteilchen bereits zu Asteroiden verdichtet haben, dann hat man es mit Felsen zu tun, die Wasser mitbringen, wenn sie auf einen sich bildenden Planeten stürzen.

Möglicherweise wurde ein Teil unseres Wassers aber auch von Kometen eingetragen. Das besondere Verhältnis von Deuterium zu Wasserstoff ist praktisch wie ein Fingerabdruck, den nur wenige Kometen, aber die meisten Asteroiden und Meteoriten, abgeben, die irgendwo zwischen Jupiter und Mars umherfliegen.

Es deutet also alles darauf hin, dass der Erde das Wasser von Planetoiden geliefert wurde. Drei bis vier Einschläge könnten als Wasserlieferung schon gereicht haben.

Seit einigen Jahren haben wir klare Indizien dafür, dass es schon rund 150 Millionen Jahre nach der Entstehung der Erde flüssiges Wasser auf dem Planeten gab. In den Jack Hills in Westaustralien wurden Zirkon-Kristalle gefunden, die 4,4 Milliarden Jahre alt sind. Das Sauerstoff-Isotopen-Verhältnis im Kristall weist auf flüssiges Wasser zur Zeit seiner Entstehung hin.

Auf den ersten Blick verwundert das. Die Erde ist noch jung und glutflüssig durch und durch. Damals soll es schon flüssiges Wasser gegeben haben? Ja, wenn der Druck in der Atmosphäre hoch ist und die Erdkruste schon starr, dann geht es, dann bleibt Wasser auch bei höheren Temperaturen flüssig.

Sicher wissen wir, wie die Geschichte weitergegangen sein muss. Vor mehr als 4,5 Milliarden Jahren war die Erde noch weitestgehend glutflüssig, deshalb verdampfte das Wasser auch sofort wieder. Da der junge Planet aber schon genug Masse hatte, reichte seine Anziehungskraft aus, um diese erste, feuchte Atmosphäre zu halten. Die muss so dicht gewesen sein, dass man den Mond, der zu jener Zeit in nur 60.000 Kilometern Entfernung bereits entstanden war, nicht hätte sehen können. Dazu kam jede Menge Kohlendioxid, Methan, Ammoniak und einiges mehr. Die Atmosphäre glich wohl eher der der Venus von heute: quasi 100 Prozent Kohlendioxid.

Was passierte nun? Die Erde begann, sich ganz langsam abzukühlen. So langsam, dass die Temperatur des Erdkerns heute immer noch so hoch ist wie die Temperatur der Sonne an ihrer Oberfläche, also rund 6.000 Grad Celsius.

Wo stehen wir nun bei der Vorbereitung für unsere kommende Feier? Wir haben Kohlendioxid, Wasserdampf und einen Planeten, der unter der sich abkühlenden Kruste immer noch in Wallung ist. Die innere Wärmequelle hat Auswirkungen auf das, was auf der Oberfläche passiert. Sie bewirkt Konvektionsströmungen von unten nach oben, die die Lithosphäre – die äußerste Kruste der Erde – ständig in Bewegung halten. Die Kruste schwimmt förmlich auf einem glutflüssigen Gesteinsbrei.

Doch woher kommt diese enorme Hitze? Wir wissen, heute kommt die Hälfte der Resthitze von Einschlägen und zur anderen Hälfte vom radioaktiven Zerfall. Früher war natürlich der radioaktive Zerfall noch weit wichtiger.

Zusammengefasst kann man sagen: Auf der jungen Erde war richtig was los. Eine Atmosphäre aus Kohlendioxid, Wasserdampf, Methan, und vielen anderen Gasen ausgespuckt von Vulkanen und großräumigen, glutflüssigen Gesteinsmassen. Sauerstoff in der Atmosphäre gab es noch nicht; auch keinen Stickstoff.

Wir haben die innere Hitze der Erde als Energiequelle, eine sehr dichte Atmosphäre, mit Gewittern und Regengüssen, denn es gibt Wasser, flüssig und gasförmig. Wir haben Bewegungen der Erdoberfläche und Vulkanismus.

Alle Zutaten stehen bereit, kann der Barmixer jetzt stolz verkünden. Nun muss nur noch alles in der richtigen Dosierung zusammengebracht werden, gerührt oder geschüttelt. Ganz wie‘s beliebt. Der Cocktail des Lebens wartet auf seinen Einsatz. Cheers!

Die Menschheit schafft sich ab

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