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Kapitel 3

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Schneller als erwartet, kamen Scheck und Beate vorwärts. Auf der Stadtautobahn und durch den Britzer Tunnel in Richtung Schönefeld ging es problemlos. An der Johannisthaler Chaussee mussten sie die Autobahn verlassen. Als sie in der Rummelsburger Landstraße 6 ankamen, waren alle schon da: die Kriminaltechnik, der Forensiker Dr. Traber und Wolfgang Menzel, der natürlich die junge Kommissaranwärterin mitgenommen hatte. Über den Köpfen zerflogen die Dampfwolken der kondensierten Atemluft. Traber stand auf einer Leiter der KT und untersuchte das Mordopfer, das oben auf dem Schuttcontainer lag. „Was können Sie sagen, Dr. Traber?“, drängelte Menzel. Traber blickte unwillig auf ob der Störung, da sah er Beate, die mit Scheck vor dem Container stand. Seine Falten zogen sich nach oben, dass man es für die Andeutung eines Lächelns halten konnte und er sagte: „Frau Haupt­kommissarin Lehndorf, willkommen in der wirklichen Welt.“ Das war schon eine der größten Freundlichkeiten, deren er fähig war. Gleich darauf nahmen die Falten wieder die gewohnte mürrische Lage ein und er knurrte zu Menzel: „Fassen Sie sich in Geduld, Herr Hauptkommissar. Ihren Zauberer müssen Sie selbst mitbringen.“ Er beschäftigte sich wieder mit der Toten, schüttelte immer wieder den Kopf, bis er Anweisung gab, die Leiche aus dem Container zu holen. Vorher hatte der Polizeifotograf schon den Tatort aus allen Perspektiven fotografiert. Als die Tote vor ihnen lag, dozierte Traber: „Das Opfer ist etwa 18-20 Jahre alt. Es sind keine äußeren Verletzungen erkennbar, die zum Exitus geführt haben können. Aber wie Sie an dem Stand der Abmagerung erkennen können, kann hier ein Marasmus vorliegen und gleichzeitig eine Exsikkose.“ „Auf Deutsch, bitte, Herr Dr. Traber!“, monierte Menzel. Der seufzte und sagte: „Schwere Unterernährung und Austrocknung. Der Tod kann letztlich durch Infektionen eingetreten sein, verursacht durch den Proteinmangel, aber eben auch durch Dehydrierung. Genaueres später.“

Kira Worms flüsterte: „Weggeworfen wie Abfall hat man das arme Ding.“ Beate registrierte mit hochgezogenen Augenbrauen, dass Menzel tröstend den Arm um sie legte und sagte: „Deshalb fangen wir gleich an zu arbeiten, um die Sache aufzuklären. Wir fahren ins Präsidium und du kannst mit Leni recherchieren, ob das Mädel vermisst gemeldet ist. Scheck und Beate, ihr fragt am besten in der Umgebung nach. Hier sind zwei Firmen und rechts einige Einfamilienhäuser. Außerdem ist die Tankstelle gegenüber von Belang. Die beiden Fahrer, die die Leiche gefunden haben, habe ich schon befragt.“ Menzel genoss die leitende Rolle sichtlich, zu einer gleichberechtigten Zusammenarbeit konnte er sich nicht herablassen. Beate fühlte den Konflikt anwachsen, bis es zu einem Ausbruch kommen musste.

Die Lagebesprechung am Fehrbelliner Platz ein paar Stunden später war niederschmetternd: Die Identität der Toten blieb unklar. Niemand vermisste sie und selbst die gründliche Untersuchung des Containers hatte keine Papiere zum Vorschein gebracht. Keiner hatte etwas beobachtet oder gesehen – weder in den benachbarten Firmen noch in den Wohnhäusern. Der Nachtdienst in der Tankstelle meinte zwar, in der Nacht sei ihm ein weißer Lieferwagen aufgefallen, der in der Nähe des Containers gehalten habe, vielleicht eine Viertelstunde, aber gesehen habe er nichts weiter. Auf die Frage nach der Automarke meinte er: „Na, wat die meisten so fahren, so'n Sprinter, wa? Vielleicht ooch 'n Transporter, also 'n Bulli. Aber det is ja weit wech, wissen Se? Ob da wat uffjeklebt war? Hab ich nüscht gesehen, nee.“

Allenfalls ein Allerweltslieferwagen, von dem wohl tausende in Berlin zugelassen waren und kein Hinweis auf die Identität der Toten, wo sollte man da ansetzen? „Ich hasse es, mit leeren Händen dazustehen!“, schimpfte Menzel. „Was soll ich denn Sargnagel sagen?“ Das war der Spitzname von Kriminaldirektor Kampnagel, ihrem Vorgesetzten. Tja, dachte Beate, Eitelkeit ist keine gute Voraussetzung für erfolgreiche Ermittlungen, mein lieber Wolfgang. Laut sagte sie: „Ich denke, wir müssen mit einem Bild an die Öffentlichkeit gehen. Vielleicht kennt oder vermisst sie ja doch jemand, auch ohne Anzeige.“ Und Scheck meinte: „Das Mädchen war ja offensichtlich eingesperrt oder wurde gefangen gehalten. Vielleicht ist das ja so ein Kampusch-Ding wie in Österreich, wo einer ein Mädchen entführt hat. Dann kann das auch viele Jahre zurückliegen. Wir sollten auch nach alten Entführungen und Vermisstenanzeigen suchen.“ „Gute Idee, Scheck“, lobte ihn Menzel dankbar. „Das machen wir.“

Der Gotteswagen

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