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Kapitel 8

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Alex und Hanna traten hinaus ins Freie und inhalierten die gute frische Luft des Frühlings, die sich in der Stadt ausbreitete. Den Logopäden hatten sie schnell gefunden und auch die Lerneinheit gut hinter sich gebracht. Die Sonne schien, die Spaziergänger liefen schon ohne Jacke draußen herum. Alles war gut.

»Komm, Hanna.« Alex setzte sich mit seiner Schwester in Bewegung. »Wir gehen zum Bus.«

»Ja.« Hanna strahlte. »Bus gehen.«

Diese vielen seltsamen Begebenheiten im Laufe des heutigen Tages waren schon merkwürdig gewesen, dachte Alex. Das Kreidestück heute Morgen in der Schule, das einfach mal um Alex’ Kopf herum eine Kurve geflogen war. Der Kalender, der seinen Spruch geändert hatte. Der Mann an der Bushaltestelle, der sich wirklich wie echt mit ihm unterhalten hatte. Und dann noch die Aufschrift auf dem Bus, die so wirkte, als wollte ihm zu guter Letzt der Bus auch noch etwas mitteilen.

Alex lachte vor sich hin. Schon krass, das alles. Das Gespräch und die Aufschrift an dem Bus konnte er sicher als Zufall verbuchen. Dass auf dem Kalender zweimal was anderes stand, war schon sehr merkwürdig. Eine Erklärung konnte sein, dass Alex beim ersten Mal nur grob auf den Kalender geschaut und den Spruch falsch gelesen hatte. Zum Beispiel, weil sich seine Gedanken irgendwie auf das, was er lesen wollte, übertragen hatten. Bestimmt gab es dafür irgendeine logische Erklärung. Und das mit der Kreide? Sicher hatte Marcel nur knapp an ihm vorbei geworfen und in seiner Wahrnehmung hatte Alex das Gefühl gehabt, als hätte die Kreide sich verlangsamt und eine Kurve genommen.

Ja, so könnte das alles gewesen sein. Alex grinste zufrieden, auch wenn ein letzter Rest von Unsicherheit in seinem Kopf blieb. Konnte jemand von außen Zufälle herbeiführen? Schicksal? Eine göttliche Macht? Alex blieb stehen, kniff die Augen zu und formulierte in Gedanken eine deutliche Frage: Hallo unsichtbare Macht! Waren all die Begegnungen heute Zufall oder geplant? Bitte melde dich!

Er öffnete die Augen und sah sich um. Irgendein Werbe-Plakat, das sich dazu äußerte? Eine Zeitung, ein Bus? Nein. Nichts. Alex schüttelte den Kopf und ging weiter. Jetzt bloß nicht verrückt werden.

In einiger Entfernung sah er, wie sein Bus an der Bushaltestelle einfuhr. »Los, Hanna, den müssen wir kriegen!« Mit Hanna an der Hand rannte er los. Aber Hanna war nicht so schnell. Sie konnte zwar, wenn sie wollte, wild auf der Stelle hopsen und eine Viertelstunde am Stück im Kreis durch das Wohnzimmer rennen. Aber die Geschwindigkeit zu erhöhen, um ein bestimmtes Ziel schneller zu erreichen, das war in Hannas Körper nicht einprogrammiert. Sie waren noch etwa hundert Meter entfernt, als der Bus losfuhr.

»Hanna Bus fahren!«, empörte sich Hanna und zeigte auf den Bus, von dem nur noch die Rücklichter zu sehen waren.

»Tja, ich glaub, heute fährt Hanna mit keinem Bus mehr.« An der Bushaltestelle angekommen, überflog Alex den Fahrplan. »Der nächste kommt erst wieder in einer Stunde.«

»Was heißt eine Stunde?«, wollte Hanna wissen.

»Das heißt, dass wir schneller zu Hause sind, wenn wir laufen.«

»Hanna Beine müde.« Hanna zeigte auf ihre Füße.

Alex lächelte. »Wir gehen schön langsam. Okay?«

»Okay.« Die müden Beine schienen wieder wach geworden zu sein. In gemütlichem Tempo schlenderten Alex und Hanna durch die Stadt. Schon bald kamen sie an einem Spielplatz vorbei, den Hanna natürlich sofort ansteuerte: »Da, Spielplatz! Hanna Spielplatz gehen!«

»Ist gut, Hanna. Wir gehen ja auf den Spielplatz.«

Hanna rannte sofort auf das Klettergerüst zu, Alex setzte sich auf eine Holzbank in der Nähe. Von hier aus hatte er den ganzen Spielplatz im Überblick. Etliche Kinder, mit und ohne Mütter, tobten über die verschiedenen Spielgeräte, warfen mit Sand, backten Sandkuchen oder jagten einander quietschend und juchzend über den Platz. Hanna begann, mit einer unbeschreiblichen Ausdauer das Klettergerüst hoch und wieder runter zu klettern. Nachdem Alex ihr eine Weile dabei genüsslich zugeschaut hatte, zog er sein Notizbuch aus der Jackentasche und las die Aufzeichnungen auf den Seiten und auf den dazwischengeschobenen Zetteln. Hier und da versuchte er, ein paar der Blätter zu sortieren, ein paar Gedankengänge zusammenzufassen und ein bisschen Ordnung hineinzubringen. Je mehr er sich damit beschäftigte, umso klarer formte sich in seinem Kopf ein Bild von einer recht schönen und spannenden Hanna-Geschichte. Glücklicherweise hatte Alex auch einen Kugelschreiber in der Jackentasche. So kam es, dass er direkt an Ort und Stelle begann, seine Geschichte aufzuschreiben.

»Alex, machst du da?«, fragte Hanna, als sie zwischendurch einmal bei ihm stand.

»Ich schreibe eine Hanna-Geschichte.«

Hanna hopste auf der Stelle, klatschte fröhlich und lachte laut: »Vorlesen!«

»Wenn sie fertig ist.«

»Ja.« Damit gab sich Hanna zufrieden und rannte zur Rutschbahn, wo sie ebenfalls ohne müde zu werden bestimmt hundertmal nacheinander die Leiter hochstieg und runter rutschte.

Alex vertiefte sich immer mehr in seine Geschichte. Er konnte gar nicht so schnell schreiben, wie ihn seine Gedanken nach vorne trieben. Zwischendurch vergaß er vollkommen, dass er eigentlich mit Hanna auf dem Spielplatz saß, so sehr lebte er innerlich in der Welt, die er gerade mit ungebremster Leidenschaft in seinem Notizbuch schuf.

Ein kalter Luftzug, der unter seine Jacke kroch, holte ihn dann doch wieder in die Realität zurück. Wie lange hatte er hier gesessen und geschrieben? Er schaute auf sein Handy: kurz vor sechs. Ein Blick auf den Spielplatz zeigte ihm, dass viele der Kinder, die hier vorhin noch gespielt hatten, inzwischen nach Hause gegangen waren. Auch Hanna war nicht mehr zu sehen.

»Hanna?«

Alex stand auf und ging einmal über den Spielplatz. »Hanna!«

Hanna war weg.

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