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Umweltdidaktische Konzepte

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1. Vielerorts werden verschiedene Facetten einer »Naturerlebnispädagogik« favorisiert. Angeknüpft wird bei der beklagten Naturentfremdung des Menschen, die man über intensive Naturbegegnungen zu überwinden versucht. Umwelt- und Naturerhaltung wird als ein Prozess des Verstehens begriffen, der im Wesentlichen durch möglichst originäre Naturbegegnungen und inszenierte Erlebnisarrangements unterstützt werden sol (Cornell 1979/1999, Janßen 1988, Göpfert 1998/1994, Trommer 1991).

2. Andere Konzepte zielen auf die Lebensführung des Einzelnen und auf die umweltfreundliche Gestaltung der Schule und des lokalen Umfelds. Es geht um die »Ökologisierung« unmittelbar erfahrbarer, eben lokaler Lebenswelten unter dem Motto »Lokal handeln – global denken« (Drutjons 1988, Jegensdorf 1989).

3. In einer weiteren Perspektive wird Umwelterziehung als »politische Bildung« verstanden. hier geht es darum, im aktuellen Geschehen und im regionalen Umfeld an realen Problemen anzusetzen und die ökologischen Krisenphänomene in gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge einzuordnen. Ziel ist, offene Erkundungs- und Erkenntnisprozesse einzuleiten, die in der Tendenz auch zu gemeinsamem politischen handeln führen können (Freise 1986, Heger 1983).

Diese grobe Ausdifferenzierung und Charakterisierung mag zunächst ausreichen, um erste Kritikpunkte herausarbeiten zu können. Im Überblick werden in der Literatur u.a. folgende Aspekte diskutiert: Aus erziehungswissenschaftlicher Sicht fragt Heid (1992), inwiefern Ökologie zur Bildungsfrage werden kann und in welcher Weise die Umwelterziehung dieser Aufgabe gerecht wird. In seinem abschließenden Resümee stellt er fest: »Ein Großteil dessen, was pädagogisch gefordert oder getan wird, läuft weniger auf eine Befähigung zur Beeinflussung der Schädigungsursachen, sondern allenfalls darauf hinaus, dass der von Schädigung Bedrohte veranlaßt wird, sich selbst für den Schutz vor Schädigungsfolgen verantwortlich zu fühlen« (Heid 1992, S. 130). Und mit Blickrichtung auf die stark favorisierte Handlungsorientierung in der Umwelterziehung merkt er an: »Von besonderer Bedeutung scheint mir die Erwägung, dass ökologisch wünschenswertes Handeln zwar konkretes und unmittelbares Ziel praktischen und pädagogisch zu ermöglichenden, nicht aber direktes Ziel pädagogischen Handelns sein kann. Wer das Tun des Richtigen konkret inhaltlich zum Zweck pädagogischer Intervention macht, der legt den Adressaten pädagogischer Praxis auf das Muster eines jeweils als gut oder richtig geltenden Handelns fest. Damit instrumentalisiert er nicht nur Bildung, sondern auch Gebildete« (ders., S. 133).

Kremer/Stäudel (1992) stellen grundsätzliche Engführungen in den drei Ansätzen fest. Die Praxis zur Naturerlebnispädagogik tendiert dazu, »das Mensch-Natur-Verhältnis losgelöst vom materiellen Produktions- und Reproduktionsprozeß zu betrachten und die alltägliche Manipulation menschlicher Bedürfnisse nicht zu reflektieren; Umweltprobleme werden romantisiert, die Wirkung ist dadurch insgesamt eher entpolitisierend« (S. 5). Auf die lokalen und lebensweltlich bezogenen Konzeptionen bezogen, vermerken sie: »Wenn die Bekämpfung von Natur- und Umweltzerstörungen ausschließlich in die individuelle Verantwortung verlagert wird, werden solche Konzepte einer radikalen, d.h. an den Ursachen ansetzenden Bearbeitung ökologischer Krisen nicht gerecht. Weil ausgeblendet wird, dass nicht die gesamte Bevölkerung gleichermaßen für die Umweltzerstörung verantwortlich gemacht werden kann, besteht bei ihnen die Gefahr, Umweltprobleme als Probleme individueller Schuld zu vermitteln« (dies., S. 6).

Andererseits vermerken sie in ihrer Beurteilung aufklärerischer, als politische Bildung sich verstehender Versuche, dass solche Konzepte zu theorielastig seien, wenn nicht die Möglichkeit gegeben wird, »die Schule zu verlassen und außerschulische Lernorte aufzusuchen, um dort selbstständig Erkundungen … durchzuführen. Politische Umweltbildung ohne regionalen/lokalen Bezug bleibt blutleer und ist wenig interessant für die Schülerinnen und Schüler« (ebd.).

Im Alltag der umweltpädagogischen Zentren dominiert – durchaus als Antwort auf die entsprechenden Wünsche und Nachfragen ihrer Zielgruppen – die Anwendung verschiedener naturerlebnispädagogischer Methoden. Aus diesem Grund soll diese Praxis ein wenig genauer und kritisch unter die Lupe genommen werden.

Daum (1988) bezeichnet die Naturerlebnispädagogik als »neue Heilslehre« im pädagogischen Alltag. An Beispielen erläutert er seine Kritik: Das seit 1981 mehrfach aufgelegte Buch »Heute streicheln wir den Baum« (Hoenisch/Niggemeyer 1986) stellt für Kindergarten und Sachunterricht in der Grundschule ein typisches Praxisvorbild dar: »Gleich zu Beginn des Schuljahres haben wir uns im Park bei der Schule einen Baum ausgesucht, der draußen unser Baum sein soll und den wir das Jahr hindurch beobachten wollen. Wir haben ihn 1 Jahr lang geliebt, ohne zu lernen, dass er eine Buche ist«. (Das sollte die Lehrer ermutigen, die wegen mangelnder Biologiekenntnisse Angst vor Naturerlebnissen haben; Anm. d. Verf.) Und weiter heißt es dort: »Wissenschaftler haben entdeckt, dass Pflanzen Empfindungen haben und Fähigkeiten, mit uns in Verbindung zu sein, die noch nicht genügend erforscht sind. Ich erzähle den Kindern, dass Bäume zittern, wenn ein Mensch mit einer Axt oder auch nur mit einem kleinen Messer auf sie zukommt (…) Unser Baum soll also in einer Umgebung stehen, die wir gern hätten, und die uns auch gefallen würde, wenn wir ein Baum wären« (Daum, S. 11). In derselben Diktion sind die Inszenierungen des Amerikaners J. S. Cornell in seinem Bestseller »Mit Kindern die Natur erleben« (1984) angelegt. Auch wenn Daum in einer Vorbemerkung nicht verschweigt, »dass ich die hier beschriebenen Übungen und Spiele mit einer irritierenden Mischung aus Faszination und tiefer Skepsis sowohl beobachtet wie miterlebt habe« (Daum, S. 6), so macht er doch folgende Kritikpunkte geltend:

– Die neue Blindheit: Die für viele Spiele vorgeschriebene Augenbinde »gerät leicht zu einem makabren Symbol für unangebrachte Selbstbeschneidung« (ebd.).

– Die neue Sprachlosigkeit: Bei nahezu allen Aktivitäten steht das unmittelbare Erlebnis der Natur im Vordergrund oder – wie es dann von Teilnehmern manchmal formuliert wird – »die wunderbare Fähigkeit, sich ganz zu verlieren«. Auch bei sensibler Herangehensweise ist es dann fast unmöglich, reflektierende Gespräche über die gemachten Erfahrungen in Gang zu bringen. »Gelang es, diesen naiven Irrationalismus aufzuweichen und die Teilnehmer gelegentlich zum Räsonnement zu bewegen, trat selten mehr als der gängige Vorrat an Stereotypen der Kultur- und Gesellschaftskritik zutage« (ders., S. 7).

– Der neuerliche Antimodernismus: Nach Daum ist es schon erstaunlich, wie mühelos ältere romantische und sentimentale Naturauffassungen wiederholt und überboten werden. »Die Entzauberung der Welt durch Wissenschaft … wird circensisch verkehrt als Wiederverzauberung. Gesucht wird ontologische Gewißheit, die das Kontingenzproblem (alles könnte auch anders sein, aber nichts kann ich wirklich ändern) fest in den Griff nähme. Doch wie leicht wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet: Im Kampf gegen Verkopfung und Überrationalisierung bleiben mitgebrachte kognitive Strukturen auf der Strecke, ganz zu schweigen von dem möglichen kognitiven Zugewinn« (ebd.).

– Die undifferenzierte Indienstnahme von Natur: Die Natur wird in dieser Einseitigkeit zum Mythos stilisiert. »Wer so den Versatzstücken von Naturbildern nachjagt, darf sich nicht wundern, wenn bei dieser Art räumlicher Wahrnehmung und Selektion keine Sensibilität für graduelle Unterschiede von Naturnähe bzw. Naturferne, für unterschiedliche Belastungen und Nutzungen, für Potentiale und Veränderungen von Ökosystemen entwickelt wird. Die stets gegenwärtige Tendenz zur Anthropomorphisierung bedeutet, dass die vermenschlichte Natur wohl die ersehnte Einheit von Mensch und Natur – oft auch konfiguriert als Harmonie von Geist und Materie – antizipieren soll« (ebd.).

– Die totale Abschottung von politischer und gesellschaftlicher Realität: Bei einer vorwiegenden Dominanz der skizzierten Praxis vermutet Daum die (wahrscheinlich unbeabsichtigte) Wirkung, dass an die Stelle »… des Prinzips weltlicher Verantwortung und demokratischer Mitgestaltung … die naive Selbstbeschränkung auf Transzendenz tritt. Statt sich um die Erhaltung diesseitiger Existenz zu kümmern, richtet sich die neue Innerlichkeit in quasi religiöser Manier fast schon auf das Jenseits. Soziale Implikationen fallen dabei meist unter den Tisch, denn Gefühl und Intuition werden bereits voll beansprucht bei ritualisierten Entdeckungen, Sensibilisierungen und Befreiungen des eigenen Selbst. Übersinnliches wird Realität, die wahrnehmbare Realität in all ihrer Problemhaftigkeit gerät zur Nebensache« (ders., S. 8).

Eine Grenze (Schwäche) der Kritik Daums liegt darin, dass er die positiven Möglichkeiten naturerlebnispädagogischer Vorhaben, die in umfassendere Konzeptionen eingebettet werden, nicht diskutiert. Daher kann er ihre Funktion unter Berücksichtigung verschiedener Kontextbedindungen nicht erfassen. Gleichwohl muss sein Fazit zumindest als These festgehalten werden: »Dieser Eskapismus, der heute mit vielfältigen Krisen und Rezessionen zusammenfällt, behauptet systemrational betrachtet eine wichtige Funktion als beliebte krisenmanagende Strategie der praktischen Lebensbewältigung« (ebd.).

Eine ebenfalls kritische, aber doch eher vermittelnde Position vertritt Reißmann (1993). Er fragt in praktischer Absicht, was durch Naturbegegnung wirklich erreicht werden kann, und vertritt die These, »dass die bildenden Momente der Begegnung mit naturaler Umwelt sich nur dann entfalten, wenn diese Begegnung auch als soziale praktisch erfahren wird« (S. 20). Nach seinen Überlegungen schafft Naturbegegnung nicht per se mehr Verständnis oder Verantwortungsgefühl, zumindest nicht dort, wo es nicht schon vorher auch als soziale Erfahrung angelegt war. Er fragt: »Wie kann ich von jungen Menschen Verständnis für irgendwelche Vögel erwarten, wenn sie das Gefühl haben müssen, selber wenig Verständnis zu erleben?« (ders., S. 20f.). Er öffnet damit den Blick auf die kaum erschlossenen Zusammenhänge von Sozialisationsprozessen in den sozialen und naturalen Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen. In dieser Perspektive formuliert Reißmann Fragestellungen, die in den weiteren Überlegungen und konzeptionellen Vorschlägen näher beleuchtet werden: »Wird (etwa, d. Verf.) in mancher Naturliebe die eigene Unfähigkeit kompensiert, Nähe zu Mitmenschen herstellen oder als befriedigend erleben zu können? (…) Wie leicht können Tier- und Naturliebe mit Kälte, Zynismus oder Gleichgültigkeit gegenüber Mitmenschen Hand in Hand gehen. Geht es wirklich nur darum, Ehrfurcht vor der Natur zurückzugewinnen?« (ders., S. 22). Und im Hinblick auf den oft emphatischen Gebrauch von meist wenig reflektierten »Natur«-Begriffen vermutet er fest, dass die beiden Ideen von Natur »… als einer zu kontrollierenden, zu beherrschenden objektiven Gegenstandswelt, (sowie, d. Verf.) … einer ›heilen Natur‹, einer sinnstiftenden ursprünglichen Harmonie (…) sich psychoanalytisch als Externalisierung sozialer Beziehungsprobleme beschreiben lassen, als Verarbeitung von zum Teil traumatisch erlebten Verständigungsbrüchen« (ebd.).

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