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2.2.6. Forschung und Evaluation

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Bolscho (1993, 1999) resümiert den Stand der Forschung sowie Konsequenzen für weiteres empirisches Arbeiten unter drei Aspekten:

– Bedarf an differenzierten Erkenntnissen zur Situation schulischer Umwelterziehung, einschließlich Statusstudien zur didaktischen Entwicklung.

– Notwendigkeit von Studien zur Wirksamkeit schulischer Umwelterziehung, insbesondere zum Einfluss auf Umwelt-Bewusstsein und Umweltverhalten.

– Berücksichtigung theoretischer Konzepte und vorliegender Erkenntnisse aus der sozialwissenschaftlich orientierten Umweltforschung.

Methodenkritisch angemerkt wird, dass in allen bisherigen empirischen Studien der Weg gewählt wurde, Aussagen zur Situation von Umwelterziehung über die Befragung von Lehrern zu untersuchen. Bolscho betont die notwendige Ergänzung aus anderer Perspektive: »Es gibt plausible Argumente, die Wahrnehmung schulischer Umwelterziehung aus der Sicht von Schülern zu untersuchen. Vermutlich wird schulische Umwelterziehung von Lehrenden und Lernenden unterschiedlich wahrgenommen und eingeschätzt« (Bolscho 1993, S. 20). Bestärkt wird diese Einschätzung durch die zur »Harmonisierung« neigenden Lehrerinnen und Lehrer, die laut Untersuchung (Eulefeld u.a. 1993) die möglichen Divergenzen zwischen Anspruch und Wirklichkeit schulischer Umwelterziehung interessenspezifisch glätten: Lehrer haben in der Mehrheit offenbar wenig Zweifel an der an Fächern ausgerichteten inhaltlichen Struktur von Umwelterziehung. Auch die exponierten Lehrer in Modellversuchen stimmen der Aussage deutlich zu, Umwelterziehung könne auch im Fachunterricht angemessen realisiert werden. Lehrer sind in überraschendem Maß optimistisch im Hinblick auf die Chancen, das Verhalten von Schülern beeinflussen zu können. Selbst die sonst oft zitierte Dominanz des Elternhauses im Hinblick auf die Verhaltensprägung von Schülern wird stark relativiert (Bolscho 1993, S. 22f.). Lohnend wäre sicherlich, zu untersuchen, ob Schüler dies auch so wahrnehmen. Welche Bedeutung gewinnen die umweltpädagogischen Bemühungen und Inszenierungen in der »Lebenswelt Schule« für die verschiedenen Schüler, die mit ganz unterschiedlich sozial bestimmten Lebensläufen den Angeboten begegnen? Erkennen sie die Zusammenhänge der auf Fächer verteilten Umweltaspekte? Inwieweit hängt das häufig herausgefundene bescheidene »Umweltwissen« von Schülern mit der fachlichen Zersplitterung von Umweltthemen zusammen? Fördert das fächerübergreifende Unterrichtsvorhaben tatsächlich ein eher »komplexes Denken« im Sinne von Wissen über Problemlösestrategien?

Zahlreiche Studien befassen sich mit den Bedingungen und Ausprägungen von Umwelt-Bewusstsein. Dabei differieren Verständnis und Operationalisierung erheblich, doch bewegen sich die meisten Arbeiten in folgendem Bedeutungsumfang: Umweltwissen, Umwelterleben und Umweltbetroffenheit, umweltbezogene Werthaltungen, umweltrelevante Verhaltensintentionen und umweltrelevantes manifestes Verhalten (Spada 1990). Folgende Ergebnistendenzen lassen sich festmachen. Zunächst im Überblick die zwölf Hauptergebnisse der Umwelt-Bewusstseins und -Bildungsforschung für Deutschland in Stichworten (ergänzend und z. Teil korrigierend dazu, s. Kap. 7.2.2). Es gibt seit über einem Jahrzehnt eine verstärkte Sensibilität für Umweltprobleme; die Umwelt ist auch ein wichtiges Zukunftsthema; man glaubt an die globale Verschlechterung des Umweltzustandes und an die Verursachung vieler Krankheiten durch Umweltverschmutzungen; im Gegensatz dazu herrscht der Glaube an die Verbesserung des Umweltzustandes im Nahbereich; auch glaubt man an die Wirksamkeit des eigenen Tuns im Umweltbereich; es gibt die Bereitschaft zu einem finanziellen Opfer für die Verbesserung der Umwelt (100–200 Euro pro Monat); das Umweltwissen ist weniger ausgeprägt als das allgemeine Umwelt-Bewusstsein; das Umweltwissen von Männern ist größer als das von Frauen; Umwelt-Bewusstsein und persönliche Betroffenheit ist bei Frauen größer als bei Männern; die Quantität des Massenmedienkonsums hat keinen wesentlichen Einfluss auf das Umwelt-Bewusstsein (»Kontinuitätsthese«), wohl aber haben Berichte über Katastrophen eine Impulswirkung auf das Umwelt-Bewusstsein – und zwar über die Phasen der Berichterstattung hinaus (»Echoeffekt«); es gibt kaum einen Zusammenhang zwischen Umweltwissen und Umweltverhalten (Wer viel weiß, handelt in der Regel nicht umweltbewusster) und auch nicht zwischen positiven Umwelteinstellungen und Umweltverhalten (Wer sagt, dass er »umweltbewusst« sei, verhält sich nicht unbedingt auch so!) (de Haan/u.a. 1997, S. 11). Andere Studien geben folgende empirische Hinweise:

– Umweltwissen: Schüler und Jugendliche erreichen in den Wissenstests empirischer Studien meist nur recht bescheidene Ergebnisse (z.B. Pfligersdorffer 1994). Doch legen solche Ergebnisse mehr Fragen als Antworten nahe. Meist handelt es sich um eine reine Reproduktion von isoliertem Wissen, sodass unbeantwortet bleibt, welchen Stellenwert Umweltwissen für das Interesse von Kindern und Jugendlichen an Umweltfragen hat. Ausgeklammert bleiben Zusammenhänge zwischen Wissen, Einstellungen und Handeln und insbesondere auch die Tatsache, dass Wissen in der Institution Schule unter den Bedingungen von Selektion und funktionaler Qualifikation vermittelt wird.

– Umwelterleben und -betroffenheit, umweltbezogene Werthaltungen und Verhaltensintentionen: Seitdem in der Öffentlichkeit das Gefahren- und Risikopotenzial der ökologischen Krise zumindest in periodischen Abständen wahrgenommen wird, haben Umfragen immer wieder gezeigt, dass Erwachsene, Kinder und Jugendliche diesen Problemen einen hohen Stellenwert zuweisen (Fietkau 1984,Waldmann 1992). Diese Werte reduzieren sich allerdings erheblich, wenn nach dem aktiven Engagement im Umweltschutz – was immer darunter verstanden werden soll – gefragt wird: 17 % der Jugendlichen stufen sich in der IBM-Studie (Heiliger/Kürten 1992) als im Umweltschutz »aktiv« ein, in der Shell-Studie sind es 22 % in den alten und 19 % in den neuen Bundesländern. Auf diese Diskrepanz zwischen Bereitschaft und tatsächlichem Handeln richtet sich zunehmend das Interesse der empirischen Forschung (Unterbrunner/Weiglhofer 1994, Institut für praxisorientierte Sozialforschung 1992).

– Zur Umwelt- und Naturwahrnehmung zeigt sich, dass Kinder ihre natürliche Umwelt »ganzheitlich« wahrnehmen und »Umwelt und Natur« nahezu identische Bedeutung einnehmen (Szagun/Mesenholl 1991). Eine besondere Herausforderung für die Umweltpädagogik sind die Ergebnisse der Studien, in denen deutlich wird, dass für Kinder die Bedrohung und Zerstörung der Umwelt mit existenziellen Ängsten besetzt sind (Petri 1990, Unterbrunner 1991 und 1993, Gebhard 1993, Fischerlehner 1993). Problematisch scheinen dabei die oft kurzschlüssigen didaktischen Empfehlungen zu sein, vielmehr ist es wichtig, die Tiefe der Problematik und die Vielschichtigkeit kindlicher Gefühlswelten zu berücksichtigen (Fischerlehner/Gebhard/Unterbrunner 1993, Petri 1989, Richter 1993). Es konnte festgestellt werden, dass bei politisch wenig interessierten und aktiven Jugendlichen die katastrophischen Tendenzen zum Rückzug ins Private führen, bei politisch orientierten Jugendlichen aber auch zu einer bewussten Hinwendung zu Umweltthemen (Sutter/Böhm 1989). Umweltrelevantes manifestes Verhalten: Tatsächliches Verhalten in Realsituationen unter Berücksichtigung von Langzeiteffekten zu untersuchen ist forschungsmethodisch sehr aufwendig und mit vielen Problemen behaftet. So liegt es nahe, dass Erkenntnisse aus Studien zum Umwelthandeln sehr divergieren und auch widersprüchlich sind, vor allem, was die Erklärung der Bedingungen von Handeln betrifft. Langeheine/Lehmann (1986) haben nur einen geringen Einfluss der Schule herausgefunden. Politische Einstellungen scheinen dagegen eine Schlüsselrolle zu spielen (Wortmann 1990, Diekmann/Preisendörfer 1992). Auch werden Alter, Geschlecht und sozialgeografische Aspekte als erklärende Faktoren angeführt (Grob 1991). Neuere Studien verweisen auf mögliche Erklärungen der Widersprüche. Offenbar gibt es kaum ein konsistentes Umwelthandeln, sondern man muss eher davon ausgehen, dass Umwelthandeln bereichsspezifisch ist (Diekmann/Preisendörfer 1992,Preisendörfer 1999) und von den Attributen abhängt, die der einzelne den verschiedenen Umweltproblemen beimisst (Lehmann/Gerds 1991; de Haan/Kuckartz 1996).

Weitere Einflussfaktoren von Umwelthandeln sind die spezifischen Fähigkeiten und Erfahrungen des Einzelnen, die aktualisierten Wertehaltungen, die unterschiedlichen situativen Faktoren, die gegebenen Handlungsanreize, die Einschätzung der Wirksamkeit des eigenen Tuns, die Zuschreibung von Verantwortung und die Fähigkeit, Probleme in ihrer Komplexität wahrzunehmen. Sozialkognitive Handlungsmodelle richten ihr Interesse auf diese Aspekte (Rost 1992, Homburg/Matthies 1998.), auch wenn die direkten Bezüge zur institutionellen Umwelterziehung noch fehlen (s. auch Kap. 8.2.2).

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