Читать книгу Alles wird gut ... - Heidi Dahlsen - Страница 26
1.22
ОглавлениеJutta ist erleichtert, dass sie in der Agentur so freundlich aufgenommen wurde. Frau Wiehmer ist sehr lieb und Olli verständnisvoll. Sicher wird er Christine und Lydia von ihrer grenzenlosen Dummheit erzählen, aber das ist ihr egal. Sie macht sich mehr Gedanken darüber, wann sie endlich Markus treffen kann. Die Ungewissheit hält sie kaum noch aus. Wie wird er reagieren? Was wird er sagen? Fragt sie sich immer wieder und hofft, dass sie die Begegnung mit ihm bald hinter sich hat. Die Unklarheiten zwischen ihnen möchte sie so schnell wie möglich aus der Welt schaffen. Sie kann es kaum glauben. Markus, der Mann mit den tollen blauen Augen – vielleicht kann sie bald immer da reinschauen. Wenn doch bloß der große Druck auf ihrer Seele und das Zittern endlich nachlassen würden. Sie seufzt. Ziellos fährt sie umher, denn allein zu Hause würde sie wahnsinnig werden. Sie überlegt, was sie tun könnte. Als sie am Friedhof vorbeifährt, kommt sie zu dem Entschluss, dass ein Spaziergang an frischer Luft ihr vielleicht etwas hilft, wieder klar denken zu können.
Sie sieht schon von weitem, dass ihre Mutter am Grab steht. Herr Winkler und Markus stehen bei ihr und unterhalten sich. Jutta ist davon überzeugt, dass es keine gute Idee wäre, jetzt dort aufzutauchen. Ihre Mutter als Zeugin für die Entschuldigung bei Markus, das wird sie sich nicht antun. Das gibt nur peinliche Vorwürfe, sogar lebenslang. Sie setzt sich auf die nächste Bank und bleibt etwas hinter einer Hecke verborgen.
Ihr Herz hämmert ununterbrochen.
Sie muss aber nicht mehr lange warten. Herr Winkler und ihre Mutter verabschieden sich von Markus und gehen gemeinsam in Richtung Ausgang. Als sie außer Sichtweite sind, steht Jutta auf, atmet mehrmals tief durch und setzt sich in Bewegung. Langsam geht sie auf Markus zu, der so in Gedanken versunken ist, dass er sie nicht bemerkt.
In Jutta steigen wieder Tränen auf. Ihr wird noch einmal bewusst, wie furchtbar ihr verzweifelter Ausbruch besonders auf ihn gewirkt haben muss. Sie gibt sich einen Ruck und will alles so schnell wie möglich hinter sich bringen. Wenn Markus sie auslacht und sagt April, April, das wäre ihr im Moment egal. Dann wüsste sie wenigstens woran sie ist.
Ihr kommen Zweifel – vielleicht hat Olli sich mit seiner Einschätzung über Markus Gefühle für sie getäuscht. Immerhin ist Olli nur ein Mann.
Markus sieht so gut aus. Vielleicht ist er nur ein Frauenheld und sein Verhalten ihr gegenüber nur eine Masche von ihm. Ihre Gedanken springen hin und her. Am liebsten würde sie sich eine Blume vom nächstbesten Grab nehmen und die Blütenblätter auszupfen: „Er liebt mich, er liebt mich nicht .....“ Nie wieder möchte sie in so eine unangenehme Situation kommen und will eigentlich nur weit weg.
Ihre Schritte werden immer langsamer. Trotzdem bleibt ihr nicht erspart, irgendwann Markus gegenüberzustehen, denn auch der weiteste Weg ist früher oder später einmal zu Ende.
Markus ist sehr erstaunt, als er sie sieht und fragt: „Was machen Sie denn hier?“
„Ich wollte mich nur kurz entschuldigen“, begründet Jutta ihr Erscheinen und stammelt. „Wegen Freitag und so, ..... na ja .....“
Hitzewellen durchlaufen ihren Körper. Sie ist erleichtert, dass sie den ersten und schwersten Schritt geschafft hat. Das Herzrasen lässt etwas nach. Ungeduldig sieht sie Markus an. Da er nichts sagt, spricht sie einfach weiter: „Ich habe Sie ganz zufällig gesehen und dachte, ich bringe es lieber schnell hinter mich.“
Sie denkt aber: „Ich habe dich gesucht und endlich gefunden und müsste eigentlich sagen, dass ich so eine dumme Pute bin.“
Sie schluckt, zuckt mit den Schultern und schaut ihn erwartungsvoll an.
„Sie müssen sich nicht entschuldigen. Mir tut es leid. Olli hat gesagt .....“
„Was hat Olli gesagt?“, unterbricht sie ihn.
„Na, dass Sie sowieso schon ziemlich viele Probleme haben und dass ich da .....“, weiß Markus nun nicht weiter.
Sie sehen sich in die Augen. Jutta hat das Gefühl, sie würde den Boden unter den Füßen verlieren, so sehr geht ihr sein Blick unter die Haut.
„Ich glaube, wir sollten reden. Wollen wir ein Stück gehen?“, fragt Markus. „Gegenüber im Park haben wir Ruhe.“ Schweigend verlassen sie den Friedhof. Jutta wird bewusst, dass dieser Ort nicht gerade ideal ist, für den Anfang von ..... ja ..... wovon eigentlich? Sie weiß ja noch gar nicht, wo der Spaziergang sie hinführen wird. Sie hofft so sehr, dass Markus den Freitag vergessen kann und Olli sich nicht getäuscht hat und ..... und ..... und .....
„Meine Schwiegermutter hätte heute Geburtstag gehabt“, sagt Markus, um überhaupt etwas zu sagen.
„Sie verstehen sich mit Herrn Winkler gut.“
„Ja. Aber woher kennen Sie ihn?“, fragt Markus erstaunt.
„Das ist eine Geschichte für sich und eigentlich der Anfang von .....“
Sie wird schon wieder rot.
„Von .....?“, fragt Markus.
„Na ja. Ich komme mir so dumm vor“, antwortet sie.
„Ach ja. Reden Sie nur weiter. Ich glaube, es wird gerade interessant“, sieht Markus sie amüsiert an.
Jutta wird bewusst, dass sie unterdessen dunkelrot geworden ist. Sie erzählt schnell weiter. „Herr Winkler hat mich in meiner Wohnung besucht und um Erlaubnis gebeten, mit meiner Mutter Kontakt haben zu dürfen. Er hätte da wohl Probleme mit seiner Tochter und wollte mit mir nicht auch noch welche. Ich fand das ungewöhnlich. Er ist ein sehr netter Mann. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich aber noch nicht, dass Sie sein Schwiegersohn sind. Das habe ich erst gestern Abend erfahren, als Janek bei uns war und ihn zufällig getroffen hat. Dann konnte sogar ich irgendwann drei und drei zusammenzählen und wusste endlich, dass Sie von Ihrer Frau getrennt sind.“
Jutta kommt ins Stocken. Sie kann Markus nicht ansehen, denn mit ihm über seine Frau zu reden, ist ihr unangenehm.
„Da muss ich meinem Schwiegervater sehr dankbar sein. Ich wusste einfach nicht, wie ich dir klarmachen soll, dass du eine tolle Frau bist. Schon als du das erste Mal in die Agentur kamst, dachte ich: `Wow, das ist sie´. Das ganze Wochenende habe ich krampfhaft überlegt, was ich für dich tun könnte, wollte dich aber mit meiner Anwesenheit nicht noch einmal konfrontieren. Ich konnte mich doch nicht einfach bei dir vorstellen: `Hallo, ich bin Markus, getrennt lebend. Es steht also nichts zwischen uns.´“
Ihre Gedanken überschlagen sich. „Sollte es wirklich wahr sein? Habe ich ihn richtig verstanden? Er findet mich toll?“
Sie sieht ihm direkt in die Augen und sagt: „Es tut mir alles so leid. Aber ein verheirateter Mann kommt für mich nicht in Frage, und ich konnte dich einfach nicht ansehen –so nah und doch unerreichbar, das haben meine Nerven nicht ausgehalten.“
Er strahlt sie an.
Jutta schmilzt dahin. Sie hat den Eindruck, in einen tiefen Strudel gerissen zu werden und fleht: „Bitte, lieber Gott. Lass dieses Gefühl niemals enden.“
Sie sind beide sehr erleichtert, dass das Missverständnis zwischen ihnen aufgeklärt ist und die entscheidenden Worte ausgesprochen sind.
„Und was machen wir nun?“, fragt er.
„Ich weiß es nicht“, antwortet sie.
Es ist ihr ziemlich peinlich, dass sie schon wieder rot wird. Am liebsten würde sie ihn um eine Verschnaufpause bitten, damit sie die tollen Gefühle, die sie überkommen, erst einmal in Ruhe genießen kann. Sie hofft, dieses Chaos in ihrem Kopf bald in den Griff zu bekommen, um dann das Verliebtsein einfach nur genießen zu können. Das erste Mal in ihrem Leben empfindet sie solche Gefühle und ist einfach nur überwältigt. Aber eigentlich möchte sie Markus nicht so schnell wieder verlassen.
„Was hältst du davon, wenn wir noch einmal neu anfangen?“, fragt er. „Heute Abend, neunzehn Uhr?“
Er braucht jetzt unbedingt etwas Zeit, um die neue Situation zu überdenken, das unbeschreibliche Durcheinander seiner Gefühle zu genießen und sich auf den Abend zu freuen. Er hofft, dass er in Jutta endlich die Frau fürs Leben gefunden hat und für immer und ewig mit ihr zusammen sein kann. Bis an sein Lebensende eben, auch wenn er das immer für kitschig gehalten hat.
„Kommst du zu mir?“, fragt sie.
„Gern.“
Sie gehen zum Parkplatz. Als sie an Juttas Auto angekommen sind, nimmt Markus sie in die Arme und küsst sie leicht auf die Wange.
„Bis nachher“, sagt er. „Ich freue mich.“
„Ich mich auch“, antwortet sie und strahlt ihn an.