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12. Isabell

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»Guten Morgen, Frau Schwarz! Sie sind drei Minuten zu spät«, wird Isabell von einem Mann im mittleren Alter begrüßt. Sein Erscheinungsbild ist altbacken.

Sie mustert ihn von unten nach oben. Er trägt schwarze Schnürschuhe, eine hellbraune Cordhose, dazu ein weißes Hemd und darüber einen Pullunder. Seine Brille wirkt ebenfalls, wie aus einem anderen Jahrzehnt. Er sieht wütend aus. Seine Augen sind zusammengekniffen und sein Mund bildet eine schmale Linie.

Isabells Blick wandert weiter nach oben. Er hat eine Halbglatze. Die wenigen Haare, die noch vorhanden sind, haben eine undefinierbare Farbe. Jedes einzelne Haar scheint in einer anderen Farbnuance zu sein. Von einem grau bis zu einem rötlichen Ton scheinen alle Haarfarben vertreten zu sein.

Das muss dieser Knorrhahn sein.

Isabell muss sich anstrengen, nicht laut loszulachen.

»Guten Morgen«, antwortet sie, schaut Serenas Chef dabei tief in die Augen und lächelt ihn süß an. In ihrem Leben als Isabell trägt dieser Blick häufig dazu bei, ihre Gesprächspartner einzulullen. »Es tut mir leid!«, fügt sie mit fester Stimme hinzu, ohne Knorrhahn aus den Augen zu lassen. Insgeheim malt sie sich aus, wie sie dem Mann vor sich ihre Handtasche um die Ohren haut.

Sich wegen drei Minuten Verspätung aufzuregen ist doch lächerlich.

Der Blickkontakt scheint zu wirken. Knorrhahn räuspert sich. »Jetzt sind sie ja da«, sagt er mit leiser Stimme.

»Ja, und ich mache mich sofort an die Arbeit.« Isabell verschwindet im Hinterzimmer, um ihre Tasche dort zu verstauen, wo Serena es ihr am Vorabend gezeigt hat. Im Nachhinein ist sie froh darüber, sich von ihrer Freundin eine Führung geben lassen zu haben. Es wäre bestimmt peinlich, wenn sie weder wüsste, wo das Lager ist noch wie sie zur Toilette kommt.

Isabell kehrt nach vorne in den Laden zurück. Knorrhahn ist inzwischen an der Kasse und scheint in irgendetwas vertieft zu sein.

Was hatte Serena ihr gesagt? Wenn keine Kunden da sind, muss die Ware im Verkaufsraum aufgefüllt werden. Und hin und wieder ist Staub zu putzen.

Sie schlendert durch den Laden und schaut sich die Regale samt der Ware an. Schließlich muss sie wissen, was sie verkaufen soll.

Obwohl Isabell viel Geld zum Shoppen ausgibt und nicht unbedingt auf jeden Cent achtet, empfindet sie die Preise für die Schuhe als ziemlich teuer, zumal einige von ihnen ungemein hässlich sind.

»Frau Schwarz, kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«, ertönt Knorrhahns Stimme streng.

Isabell schaut zu dem Chef, der sie scheinbar schon eine Weile beobachtet hat.

»N-Nein, ich schaue mich nur um.«

»Aha. Seit wann machen sie denn das?« Dieses Mal klingt er freundlich und neugierig.

»Na ja, ich muss doch wissen, was wir so im Verkauf haben«, antwortet Isabell freudig und bummelt weiter durch die Reihen. Bevor sie sich versieht, steht ihr Chef vor ihr und lächelt sie an.

»Frau Schwarz, Sie …«, stammelt er und wirkt plötzlich verlegen.

»Ja.«

»G-Ge… Darf ich Sie …«

»Ja, was denn? Immer raus damit?«

»Frau Schwarz, Sie sind heute so anders. Das …«

Bevor er weiterreden kann, erklingt das kleine Glöckchen, das über der Tür angebracht ist, um Kundschaft anzukündigen.

»Sie entschuldigen mich, Herr Knorrhahn.« Isabell strafft die Schultern, lächelt den Chef an und geht zu der Kundin, die soeben den Laden betreten hat. »Guten Tag, darf ich Ihnen behilflich sein?«, fragt sie mit zuckersüßer Stimme.

»Äh«, stammelt die Frau und mustert Isabell irritiert.

»Suchen Sie etwas Bestimmtes oder wollen Sie sich nur umschauen?« Isabell sind die abschätzenden Blicke der gertenschlanken Frau bewusst, genauso wie sie stets vor Augen hat, dass sie nun in Serenas Körper steckt, der nicht so gut in Schuss ist, wie ihr eigener. Dennoch glaubt sie, mit einem gesunden Selbstbewusstsein, jeden von sich überzeugen zu können. Aber auch nur, weil sie schon immer selbstbewusst war. Ihre Freundin Serena hingegen ist es nicht, sie schämte sich seit ihrer Jugend für ihre Figur. Isabell hofft, sie lernt durch den Tausch, sich selber wertzuschätzen und für sich etwas zu tun.

»Ja, ich brauche dringend ein paar Schuhe für ein schwarzes Abendkleid.«

»Okay. Sie haben es nicht zufällig dabei? Oder ein Foto davon?«

Die Kundin lächelt erfreut. »Natürlich habe ich ein Bild davon im Handy.« Während sie es sagt, holt sie ihr Smartphone aus der riesigen Handtasche, wischt ein paar Mal darauf herum und streckt es Isabell entgegen.

»Wow, das ist ein wunderschönes Kleid. Lassen Sie mich mal überlegen.« Isabell schaut sich um.

Obwohl der Job als Schuhverkäuferin nicht unbedingt ihr Traumjob ist, ist sie in Modefragen in ihrem Element. Sie hatte immer schon ein Gespür dafür. Sie kratzt sich am Kinn und geht die Reihen entlang. Irgendwo hatte sie vorhin passendes Schuhwerk gesehen, sie muss es nur noch wiederfinden.

Da!

Sie beschleunigt ihr Tempo und geht zu den gesuchten Schuhen. Mit einer flinken Handbewegung holt sie das Paar aus dem Regal und hält es der Kundin zugewandt hoch.

Die Dame ist ihr nur langsam gefolgt und steht einige Meter entfernt.

Ohne darüber nachzudenken, hastet Isabell auf sie zu und zeigt ihr das Schuhpaar. »Diese hier würden perfekt dazu passen«, schnurrt sie.

Die Frau mustert die Schuhe. Dabei verzieht sie den Mund.

Isabell glaubt zunächst, mit ihrer Einschätzung daneben zu liegen. Doch dann macht sich ein Lächeln im Gesicht der Kundin breit. »Das sind genau die Schuhe, die ich mir zu dem Kleid vorstelle. Sie haben einen exzellenten Geschmack, Kindchen! Das ging schneller als ich gedacht hätte.«

Isabell schmunzelt in sich hinein. Gleichzeitig fragt sie sich, wie Serena die Kundin beraten hätte.

»Ich weiß ja nicht, was heute mit Ihnen los ist, aber bitte bleiben Sie so«, fügt sie hinzu und strahlt über das ganze Gesicht.

Zumindest anders als ich.

»Es freut mich, dass ich Ihnen helfen konnte.«

»Und das ist auch noch meine Größe«, schnurrt die Frau. Hastig zieht sie ihre Pumps aus, um die Schuhe anzuprobieren. Sie läuft ein paar Mal hin und her, bevor sie zufrieden nickt.

Als sie das Schuhwerk wieder gewechselt hat, geht sie schnurstracks zur Kasse, hinter der sich inzwischen Knorrhahn eingefunden hat.

Nachdem er sie abkassiert und sie den Laden verlassen hat, geht er zu Isabell, die ihren Rundgang fortsetzt.

»Sie sind unglaublich, Frau Schwarz. Darf ich Sie heute zum Abendessen ausführen?«

Heiliger Strohsack! Was geht denn jetzt ab? Hat Serena mir vergessen mitzuteilen, dass der Knorrhahn auf sie steht?

»Das ist ganz reizend von Ihnen, aber heute Abend habe ich schon etwas vor.«

Und das ist nicht mal gelogen, fügt sie gedanklich hinzu. Gleichzeitig taucht vor ihrem inneren Auge Kasper auf.

»Und morgen?«

»Bitte?«

»Kann ich Sie morgen Abend ausführen?«

»Ähm … Herr Knorrhahn … Sie sind mein Chef. Es wäre besser Berufliches von Privatem zu trennen.«

»Dann muss ich Sie entlassen.«

»Was? Sie wollen mir kündigen, damit ich mit Ihnen ausgehe? Sie …« Isabell stöhnt auf und fragt sich, wie sie das Serena beibringen soll.

Knorrhahn schaut sie noch immer fragend an. Er scheint siegessicher zu sein.

»Hören Sie, auch wenn Sie mich entlassen, kann ich nicht mit Ihnen ausgehen! Mein Freund hat sicher etwas dagegen.«

»Sie haben einen Freund? Seit wann?«, fragt Knorrhahn mit hochgezogenen Augenbrauen. Seine Miene verdunkelt sich.

»Seit drei Jahren.« So lange ist sie schon mit Alex zusammen.

»Wie kann das sein? Warum habe ich Ihren Freund noch nie zu Gesicht bekommen?«

»Er … ähm … ist eben viel beschäftigt.«

»Warum lügen Sie mich an?«

»Ich lüge nicht! Ich bin seit drei Jahren mit Alex zusammen.«

Zumindest wenn ich in meinem eigenen Körper stecke, füge ich gedanklich hinzu.

Ob Serena weiß, dass dieser Typ auf sie steht?

Isabell kann es sich nicht vorstellen und ist gespannt auf das Gesicht ihrer Freundin, wenn sie es ihr später erzählt. Nun muss sie ihren Chef davon überzeugen, sich eine andere zu suchen.

»Es tut mir leid, Herr Knorrhahn! Ich … ähm … Also was auch immer sie glauben, von mir zu wollen. Ich will es nicht!«

Der Chef wirkt auf einmal traurig. Er nickt und verschwindet wieder hinter der Kasse.

Isabell hofft auf neue Kunden, am besten durchgehend bis zum Feierabend, damit sie keine Sekunde mehr mit ihm alleine sein muss.

Sie fragt sich, wie es bei Serena läuft. Immerhin kann sie sich in ihrem Büro verschanzen. Sie hat nur eine Aufgabe, sie muss unbedingt Kurt Römer aus dem Weg gehen.

Römer ist Isabells größter Konkurrent und er ist der Meinung, ihm stünde die Beförderung zu. Er würde so ziemlich alles tun, um sie zu sabotieren. Deshalb hat sie Serena ausgiebig beschrieben, wie er aussieht und wie er sich verhält, damit sie ihn sofort erkennt.

Wenn sie doch nur die Präsentation schon in ihrem eigenen Körper hinter sich gebracht hätte. Von diesem Auftrag für Energiedrinks hängt so viel ab. Sie muss den Kunden unbedingt von sich überzeugen, damit die Agentur alle Kampagnen für die komplette Produktpalette bekommt. Der Kunde ist mit seiner alten Werbeagentur schon lange unzufrieden, weil ihm die Werbung zu altbacken ist. Er wünscht sich eine moderne Richtung.

Isabell ist sich bewusst, dass ihre Agentur nicht die Einzige ist, die er beauftragt hat. Deshalb hat ihr Chef Frank Leuchtner gleich mehrere seiner Mitarbeiter auf diesen Auftrag angesetzt.

Isabell fühlt sich beobachtet. Sie konnte schon immer spüren, wenn sie angestarrt wird. Langsam bewegt sie ihren Kopf in Knorrhahns Richtung, der seinen blitzschnell wegdreht.

Isabell schmunzelt in sich hinein. Sie hat den leisen Verdacht, Serenas Chef hat sich in seine Angestellte verliebt. Sie hatte keine Ahnung, wann das geschehen ist oder ob er ihrer Freundin schon irgendwelche Avancen gemacht hat. Deutlicher als heute konnte er seine Gefühle bisher nicht klargemacht haben.

Isabell fragt sich, woran das liegt. Ob ihr Verhalten ihn irgendwie dazu ermutigt hat? Sie sollte unbedingt versuchen, sich mehr wie Serena zu benehmen. Das bedeutet, sie muss zurückhaltender und unscheinbarer sein, sodass sie Knorrhahn kaum auffällt.

Tausche Hüftgold gegen Liebe

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