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3. Serena

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»Oh Gott, diese Windbeutel sind einfach himmlisch«, sage ich zu mir selber, als ich gerade in den Dritten hineingebissen habe.

Heute ist wieder einer dieser fiesen Tage, an denen ich unbedingt für einen erhöhten Zuckergehalt sorgen muss. Im Laden hatte ich nur nörgelnde Kundschaft und mein Chef war alles andere als hilfreich. Manchmal macht er den Eindruck, als wäre er ein Zuschauer und nicht der Inhaber.

Ich arbeite mittlerweile seit drei Jahren in dem Schuhladen. Eigentlich macht mir der Job Spaß, aber nur, solange ich es mit normalen Menschen zu tun habe. Leider verirren sich diese selten zu uns in den Laden. Unsere Kundschaft besteht aus Tussis, die ganz ohne Essen auszukommen scheinen. Sie sind teilweise so dünn, dass es sicher nicht mehr gesund sein kann. Als ob ihr Anblick mir nicht reichen würde, mustern mich diese Frauen von oben bis unten und rümpfen dabei ihre Nasen. Wenn sie mir anschließend ins Gesicht schauen, sind sie im Besitz eines unnatürlichen Lächelns. Umso weiter ihre Augen an mir heruntergleiten, desto mehr verblasst es, als ob ihr Gesichtsausdruck unsichtbar werden würde.

Sobald sie meinen zugegeben sehr üppigen Bauch erreichen, nehme ich die ersten Regungen wahr, zumindest bei denen, die noch im Besitz einer Mimik sind. In letzter Zeit tauchen häufiger Frauen auf, die sich mit Botox vollpumpen lassen haben. Bei den Damen bin ich mir nie sicher, wie ihre Gefühlslage gerade ist. Ihre Gesichtszüge bewegen sich keinen Millimeter.

Der zweite Halt bei den Musterungen sind meine breiten Oberschenkel. Darum trage ich meist weite Hosen und Pullover in Überlänge. Isi bezeichnet sie immer als Säcke, aber bei meinem Gewicht kann ich mich wohl kaum figurbetont kleiden. Ich habe es ein Mal versucht. Anschließend hatte ich die Vorstellung davon, wie sich eine Wurst in ihrer Pelle fühlt. Es war unangenehm, deshalb ziehe ich die weiten Sachen vor.

Ich will mir gerade den vierten Windbeutel schnappen, als es an der Tür klingelt. Stöhnend erhebe ich mich, gehe in den Flur und schaue durch den Türspion meiner Wohnungstür.

Oh Mist!, denke ich, als ich Isabell sehe. Ich hätte die Windbeutel verstecken sollen.

Noch bevor sie die süßen Köstlichkeiten gesehen hat, höre ich ihre Stimme in meinem Kopf, die mir eine Moralpredigt hält. Für einen Sekundenbruchteil überlege ich so zu tun, als wäre ich nicht zu Hause, aber dann besinne ich mich eines Besseren.

Ich habe es nicht nötig, mich in meiner eigenen Wohnung zu verleumden. Außerdem weiß jeder, der Isabell kennt, wie hartnäckig sie sein kann. Sie würde die nächste halbe Stunde damit verbringen, abwechselnd zu klingeln und gegen die Tür zu hämmern. Danach würde sie sich dem Telefonterror hingeben. Da ich ihr in spätestens einer Stunde sowieso genervt öffnen werde, kann ich es auch gleich tun.

»Waren wir verabredet?«, platzt es aus mir heraus, als Isabell an mir vorbei in meine Wohnung stürmt.

Sie läuft schnurstracks in die Küche, lässt sich auf einen der Küchenstühle fallen und starrt auf die restlichen Windbeutel. »Ist das dein Ernst?«, fragt sie mich schockiert. Ihre Augen sind so groß, dass es ein wenig beängstigend wirkt.

»Äh, ich …«, stammle ich.

»Ich denke, du willst abnehmen?«, stichelt sie weiter.

»Wozu? Ich schaffe es doch sowieso nicht, also kann ich auch essen. Hör endlich auf, dich einzumischen!«, gifte ich los. Meine Stimme wird immer lauter.

»Du bist meine Freundin. Ich kann nicht aufhören, mich einzumischen. Deshalb habe ich eine Überraschung für dich.« Isi setzt ein schiefes Lächeln auf.

Mir schwant Böses. »Was für eine Überraschung?«, antworte ich und verdrehe die Augen. »Du weißt, wie sehr ich Überraschungen hasse, oder?«

»Wir fahren jetzt zu Kasper, er wird dir helfen.«

»Was soll ich denn im Kaspertheater?«, frage ich gestellt dumm. Ich weiß, wen sie damit meint. Alex` Cousin heißt so. Er hat ihn irgendwann mal erwähnt und mir verraten, wie lange sie keinen Kontakt mehr miteinander hatten. Deswegen bin ich verwundert, warum er nun eine Rolle spielt.

Wann haben sich die beiden wiedergetroffen? Und warum?

»Serena! Sei nicht albern! Wir fahren zu Kasper. Er ist Ernährungsberater und macht neuerdings auch Personaltraining.«

»Und was machen wir da?«, frage ich trotzig und verschränke meine Arme vor der Brust.

»Du lernst ihn kennen und er berät …«

»Sag mir nicht, du hast mir einen Termin bei dem gemacht?«, schreie ich meine Freundin an.

»Doch, natürlich! Wir gehen deinen Kilos jetzt an den Kragen«, beschließt Isabell mit fester Stimme.

»Meine Kilos bleiben da, wo sie sind! Kümmere dich um deine Eigenen. Wenn du unbedingt Kilos loswerden willst, dann friss dir selber welche an!« Meine Stimme klingt kratzig.

»Serena, Süße. Ich meine es doch nur gut mit dir. du sollst endlich glücklich werden. Du willst doch irgendwann einen Mann kennenlernen, dem du deine Jungfräulichkeit schenken kannst.« Isi schaut mich mitleidig an.

Ich muss schlucken. »I-Ich … W-Wer sagt denn, dass ich das will?« Ich atme hörbar aus. »Außerdem kann ich keinen Mann gebrauchen, der mich nur nimmt, weil ich Modelmaße habe. Ich möchte einen, der mich liebt, weil ich bin, wie ich bin«, argumentiere ich.

»Ja, ich verstehe dich ja, aber du weißt doch, wie entscheidend der erste Eindruck ist. Er ist ausschlaggebend, ob man jemanden anspricht oder nicht.«

»Wie auch immer. Ich bleibe dabei! Du kannst alleine zu diesem Kasperletheater gehen.« Bei dem Wortspiel muss ich mir das Grinsen verkneifen. »Ich werde weder meine Ernährung umstellen, noch mich abquälen, nur damit ich irgendeinem Typen gefalle. Lieber bleibe ich Single. Und weißt du was?« Ich rede mich so richtig in Rage.

Isabell schaut mich mit großen Augen an.

Ich greife mir einen Windbeutel, führe ihn zu meinem Mund und stoppe kurz vorher. »Ich werde diese leckeren Teile jetzt alle in mich hineinstopfen und du kannst nichts dagegen tun.« Genüsslich beiße ich ein Stück von dem Gebäck ab. »Mmh, die sind so gut.«

Bevor ich einen weiteren Bissen nehmen kann, reißt Isabell meine Hand runter und der Windbeutel landet auf dem Fußboden.

»Was soll der Mist?«, schreie ich sie an.

Sie verschränkt die Arme vor der Brust und schaut mich zufrieden an.

Mein Blick fällt auf die restlichen Teilchen, die noch auf dem Tisch liegen.

Isabell verfolgt meinen Blick. Eh ich mich versehe, greift sie sich die Packung. »Die brauchst du jetzt nicht mehr!« Mit den Worten versenkt sie die Kalorienbomben im Mülleimer.

»Ey, du kannst die doch nicht so einfach wegwerfen, die haben Geld gekostet. Und zwar mein Geld.«

»Serena, hör endlich auf! Sei froh, dass ich dich von den überflüssigen Kalorien befreit habe. Statt das Geld in so einen Mist zu investieren, wirst du es bald für neue Klamotten brauchen. Wenn wir erst mal mit dir fertig …«

»Du bist so gemein!«, schreie ich Isabell an. Ich spüre, wie meine Augen langsam feucht werden. Noch bevor ich etwas unternehmen kann, laufen mir die Tränen an den Wangen hinunter.

Ich halte mir die Hände vor das Gesicht und schluchze hinein.

Als mir die Flüssigkeit ungehalten aus den Augen und aus der Nase läuft, stehe ich auf und renne ins Badezimmer. Damit Isabell mir nicht folgen kann, schließe ich mich ein.

Traurig setze ich mich auf den Badewannenrand, greife nach der Rolle Toilettenpapier und reiße mir etwas davon ab, um mir die Nase zu putzen.

Als ich fertig bin, halte ich mir erneut die Hände vors Gesicht und lasse einen weiteren Heulkrampf über mich ergehen.

Ein Kratzen an der Tür lässt mich zusammenfahren. »Perry!«, flüstere ich und haste zur Tür, um sie zu öffnen.

Als die Tür nur einen Spalt auf ist, stürmt mein Kater hinein.

Aus der Küche sind Schritte zuhören. Sie kommen näher.

Ich schließe die Tür und drehe den Schlüssel wieder herum. Dann setze ich mich auf den Fußboden und lehne mich mit dem Rücken gegen die Wanne. Mein graues Schmusetier nutzt die Gelegenheit und reibt schnurrend seinen Körper an mir. Ich streichle ihn und spüre, wie ich langsam ruhiger werde.

»Serena, mach auf!«, höre ich Isabell auf der anderen Seite der Tür krakeelen, nachdem sie mehrfach erfolglos versucht hat, die Tür zu öffnen. »Serena, ich will doch nur dein Bestes. Ich möchte dich glücklich sehen. Verdammt noch mal, mach jetzt auf!« Ihre Stimme wird lauter und höher. Sie klingt verzweifelt.

Ich hadere mit mir, ob ich ihr aufmachen soll.

Isabell stöhnt frustriert auf. »Komm schon, Süße! Lass uns zu Kasper gehen und schauen, was er dir empfiehlt! Falls es dir nicht gefallen sollte, dann belassen wir es bei dem einen Termin.«

Schön wär`s.

Ich kenne Isabell gut genug, um zu wissen, dass dieses Versprechen keine lange Haltbarkeitsdauer hat. »Von wegen«, nuschele ich.

»Na ja, vielleicht gefällt es dir auch.«

»Bestimmt nicht! Es wird mir mit Sicherheit keinen Spaß machen. Also kann ich es gleich bleiben lassen.«

»Süße, lass uns in Ruhe reden, aber nicht so! Wenn eine Tür zwischen uns ist und ich dich nicht sehen kann, ist es irgendwie dämlich.«

Genau! So kannst du mich nicht weichklopfen, weil mir dein Hundeblick erspart bleibt.

Ich grinse in mich hinein. Dennoch erhebe ich mich und gehe zur Tür. Dort nehme ich den Schlüssel zwischen Daumen und Zeigefinger und harre so aus. Einerseits möchte ich mich mit Isabell versöhnen, weil ich es furchtbar finde, wenn wir uns streiten. Andererseits weiß ich, sie wird nicht eher Ruhe geben, bis sie ihren Willen durchgesetzt hat. Sie wird mich auch dieses Mal so lange bequatschen, bis ich nachgegeben habe. Das ist so, seit wir uns kennen. Manchmal hasse ich sie dafür, obwohl ich sie liebe, als wäre sie meine Schwester.

Isis Hartnäckigkeit hat mir schon immer imponiert, jedoch nur so lange, wie ich nicht davon betroffen bin. Sobald sie mich im Visier hat, hört der Spaß auf.

»Na schön«, murmle ich. »Ich mache dir auf, aber nur unter einer Bedingung.«

»Gut«, kommt ihre Bestätigung viel zu schnell.

»Du weißt doch noch gar nicht, was ich will, wie kannst du also sofort zustimmen? Das bedeutet nur, dir ist egal, was ich möchte. Am Ende setzt du dich wieder durch, stimmt`s?«

»Nein, quatsch! Ich habe nur so schnell zugestimmt, weil ich so ziemlich alles dafür tun würde, damit du nicht mehr sauer auf mich bist. Also, was ist deine Bedingung?«

Ich atme tief durch. »Versprich mir, mich nach dem Termin mit allem, was mein Gewicht betrifft, in Ruhe zu lassen! Ich werde alleine entscheiden, ob ich danach weiter zu diesem Kasper gehe oder mich so akzeptiere, wie ich bin.«

»Ja«, kommt Isabells stöhnende Antwort.

»Ich meine es ernst, versprich es mir!«

»Serena …«

»Nein, nicht Serena! Du versuchst schon seit Jahren, mich zum Abnehmen zu zwingen. Wenn du es mir jetzt nicht versprichst und du dich nicht daran hältst, muss ich über den Sinn unserer Freundschaft nachdenken. Also überlege dir gut, ob du mir dieses Versprechen geben kannst!« Mein Herz hämmert lautstark in meiner Brust. Noch nie habe ich Isi ein solches Ultimatum gestellt. Ich hoffe, sie respektiert meinen Wunsch. Ohne sie wäre mein Leben leer und einsam.

Auf der anderen Seite der Tür herrscht Stille.

Mir schnürt sich die Kehle zu. Ich vermute, Isabell kann nicht über ihren Schatten springen.

Doch dann überrascht sie mich. »Gut.« Sie atmet laut aus. »Ich verspreche dir, dich mit dem Thema Diät in Ruhe zu lassen. Wenn du nach dem Termin nicht weitermachen möchtest, werde ich dich in Ruhe lassen.« Ihre Stimme klingt ernst.

Insgeheim habe ich Zweifel. Mich würde es nicht wundern, wenn sie mit überkreuzten Fingern hinter der Tür steht und sich nur so lange daran hält, bis etwas Gras über die Sache gewachsen ist. Es ist schwer vorstellbar, dass Isabell sich meinem Willen beugt.

Jeder Tag, an dem du deine Ruhe hast, ist viel wert, ertönt meine innere Stimme. Ich gebe ihr recht und atme erleichtert auf.

Vielleicht hätte ich darauf bestehen sollen, den Termin bei diesem Kasper sausen zu lassen.

Ich drehe den Schlüssel herum. Bevor ich mich versehe, hat Isabell die Tür geöffnet und fällt mir um den Hals. »Es tut mir leid, Süße! Du hast ja recht. Es ist dein Leben, ich sollte mich nicht immer einmischen.« Ihre Worte überschlagen sich.

Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Perry davonläuft, und muss schmunzeln.

***

»Jetzt rase doch nicht so!«, ermahne ich Isabell, die mit ihrem kleinen silbernen Flitzer fährt, als ginge es um Leben und Tod. Na ja, in gewisser Weise tut es das auch. Es geht darum, lebend unser Ziel zu erreichen. Wobei es mir recht wäre, nie bei diesem Kasper anzukommen, aber sterben möchte ich deshalb nicht. Insgeheim hoffe ich auf eine Panne, die ausreichend lange dauert, um den Termin abzusagen. Anschließend würde ich keinen Neuen vereinbaren. Sollte Isi auf die Idee kommen, müsste ich sie einfach an ihr Versprechen erinnern.

Isabell reagiert nicht. Sie fährt weiterhin so, als wäre der Leibhaftige hinter uns her.

Ich halte mich ängstlich am Türgriff fest und bete innerlich, dass alles gut gehen möge.

Nach zehn Minuten Fahrzeit wird unsere Geschwindigkeit langsamer. Kurz darauf hält Isabell am Stadtrand vor einem Einfamilienhaus. Ich schaue mich um. »Hier soll das sein?«, frage ich skeptisch.

»Ja, Kasper wohnt hier in der oberen Etage. Unten wohnen seine Eltern. Das hat mir Alex gesagt.«

»Also warst du noch nie hier?«

»Nein, Alex und ich sind aber schon ein paar Mal vorbei gefahren. Jedes Mal hat er mir von seinem Cousin erzählt. Die beiden hatten in den letzten Jahren keinen Kontakt, weil sie wegen einer Kleinigkeit im Streit lagen. Was es genau war, hat mir Alex nicht gesagt. Das war bestimmt irgendeine bescheuerte Lappalie.«

»Aha. Und hier empfängt dieser Kasper seine Kunden?«, frage ich ungläubig.

»Meistens fährt er wohl zu ihnen. Zu sich nach Hause bestellt er nur Freunde und Bekannte.«

»Okay, ich verstehe.«

»Bist du bereit?«

Am liebsten möchte ich ganz laut Nein schreien, aber ich verkneife es mir. Die Aussicht, Isabell könnte mich nach diesem Termin mit allem in Ruhe lassen, was mit meiner Figur zu tun hat, motiviert mich.

Mir ist bereits klar, dass ich diesen Kasper nach diesem Treffen nie wieder sehen muss, höchstens auf der Hochzeit von Isi und Alex, aber bis dahin ist es noch eine Ewigkeit hin.

Isabell steigt aus. Ich atme ein letztes Mal tief durch, eh ich es ihr gleich tue. Gemeinsam gehen wir zu der Haustür. Bevor ich etwas sagen kann, hat Isi schon die Klingel betätigt. Die Chance, abzuhauen ist vertan.

Als ich Schritte im Inneren des Hauses vernehme, bleibt mir für einen Moment die Luft weg.

Die Tür geht auf. Vor uns taucht ein sportlicher Typ auf. Mir fallen sofort seine strahlend grünen Augen auf.

»Hi, ich bin Kasper«, stellt er sich vor. »Du musst Isabell sein«, sagt er, während er meiner Freundin eine Hand hinhält.

Isi nickt. »Genau.«

Kaspers Augen blitzen auf. Er schaut meine Freundin einen Moment zu lange an, bevor er sich mir zuwendet. »Dann bist du …«

»Das ist meine Freundin Serena. Um sie geht es heute«, wird er von Isabell unterbrochen.

Ich starre sie an, unfähig etwas zu sagen.

Fast wäre mir Kaspers Hand entgangen, die er mir entgegenhält. »Freut mich«, sagt er, als ich sie ergreife.

»M-Mich a-auch«, antworte ich leise. Obwohl ich es nicht schaffe, ihm ins Gesicht zu schauen, spüre ich seine mitleidigen Blicke auf meinem Körper. Mit so jemandem wie mir hat er bestimmt nicht gerechnet. Ihm wäre eine Kundin wie Isabell lieber gewesen. Sie hat er richtig herzlich angelächelt. Während seine Mundwinkel sich bei mir nur aus Höflichkeit verzogen, sein Lächeln reichte nicht bis zu den Augen, als er mich anschaute.

Wenn er gewusst hätte, dass ich seine Kundin bin, hätte er sich wohl kaum auf den Termin eingelassen. Vielleicht hat er Alex auch nur einen Gefallen getan.

Seine Kunden sehen sonst sicher anders aus. Ich wette, die meisten haben bereits eine tadellose Figur und besitzen Problemzonen, die von niemandem wahrgenommen werden.

Menschen mit meiner Figur gehen eher selten zu einem Personaltrainer. Ohne Isi würde ich es mir auch verkneifen. Es ist Zeitverschwendung, eine Verschwendung meiner Lebenszeit, die ich anders nutzen könnte.

»Kommt rein!«, sagt Kasper und tritt einen Schritt zur Seite.

Isabell betritt als erste das Haus. Ich folge ihr. Wir betreten einen schmalen Flur und warten vor einer Treppe am Ende, bis Kasper die Tür geschlossen hat, um uns vorauszugehen.

Er steigt die Stufen hinauf und führt uns in der oberen Etage in eine geräumige modern eingerichtete Wohnküche.

»Setzt euch!«, fordert er uns auf und deutet auf einen kleinen Küchentisch, an dem vier Stühle stehen.

Wir kommen seiner Aufforderung nach. Dann nimmt auch Kasper Platz, er setzt sich mir gegenüber und mustert mich. »Also Serena, du möchtest deine Ernährung umstellen«, stellt er nach einer Weile fest.

Obwohl von wollen keine Rede sein kann, nicke ich tapfer. Ich schaue zu Isi, die mir verschwörerisch zuzwinkert.

Kasper beginnt mit einem Vortrag über Nahrungsmittel. Er erzählt mir, welche Lebensmittel besonders gut für mich sind und welche ich weglassen soll.

Als ob ich das nicht wüsste.

In der Theorie kenne ich mich gut aus. Oft genug habe ich mich mit dem Thema Ernährung befasst. Die Male, wo ich etwas ändern wollte, kann ich nicht mehr zählen.

Mein Problem lag schon immer darin, das theoretische Wissen mit der Praxis in Einklang zu bringen. Und das Ganze dann durchzuhalten.

Kasper scheint sich nicht vorstellen zu können, dass es Menschen gibt, die sich bei Kummer mit Essen trösten. Er tut so, als würde er geheime Informationen mit mir teilen.

Sein Blick wechselt zwischen Isi und mir hin und her. Wenn ich mich nicht täusche, schaut er sie länger an als mich.

Ich höre nur noch mit einem Ohr zu. Sein Gerede langweilt mich. Immer wenn Kasper mich intensiver anschaut, nicke ich.

»Also gut, dann sehen wir uns morgen Abend zur ersten Trainingsstunde«, schließt er seinen Monolog.

Erneut nicke ich, bevor die Bedeutung der Worte in meinem Gehirn angekommen ist.

Was? Wie? Trainingsstunde? Wer hat das denn beschlossen?

»Morgen? Trainingsstunde?«, frage ich mit piepsender Stimme.

Kasper schaut mich irritiert an. »Ja, du hast doch gerade zugestimmt.«

Oh mein Gott, scheinbar habe ich genickt, als er mir den Vorschlag für das Training gemacht hat.

Verflucht Serena!, ermahne ich mich.

Ich bin nicht in der Lage zu sprechen. Stattdessen schaue ich zwischen ihm und Isi hin und her.

Isabells Blick ist warm. Sie nickt mir aufmunternd zu. »Schön, dass du dich für das Training entschieden hast.« Sie drückt meine Hand. »Nach unserem Gespräch vorhin hätte ich damit nicht gerechnet«, fügt sie flüsternd hinzu.

Ich schlucke. Noch immer finde ich keine Worte.

Wie komme ich jetzt aus der Nummer wieder raus?

»Kommst du?«, fragt Isabell. Sie und Kasper haben sich inzwischen erhoben und stehen neben mir. Mein Blick wechselt zwischen ihnen hin und her.

Kasper sieht ungeduldig aus, wahrscheinlich will er mich schleunigst loswerden.

Langsam erhebe ich mich und gehe den beiden hinterher.

Kasper bringt uns hinaus und verabschiedet sich hastig.

Isi und ich laufen wortlos zum Auto. Nachdem wir unsere Plätze eingenommen haben, finde ich meine Sprache wieder. »Ich will das nicht machen!«

»Du hast doch zugesagt. Und Kasper ist so ein Netter. Er wird dir helfen.«

»Er mag ja nett sein, wie er will. Trotzdem werde ich das Training absagen«, sage ich mit fester Stimme. »Am besten gehe ich zurück und teile ihm das gleich mit.« Ich lege meine Hand auf den Griff, um die Autotür zu öffnen, als Isabell Gas gibt.

»Hey, halt sofort an!«, schreie ich sie an.

Isabell grinst schief und fährt einfach weiter.

Ich koche vor Wut. »Halt verdammt noch mal an!«, versuche ich es erneut. Meine Stimme ist lauter als zuvor.

Als sie wieder nicht reagiert, ziehe ich trotzig die Handbremse. Bevor ich weiß, was geschieht, drehen wir uns ein paar Mal im Kreis.

Ich spüre Schwindel in mir aufsteigen, eh wir gegen einen Strommasten knallen. Mir wird auf einmal kotzübel. Ich schließe die Augen und werde dann wollständig von Schwärze umhüllt.

Tausche Hüftgold gegen Liebe

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